Der cash Insider berichtet im Insider Briefing jeweils vorbörslich von brandaktuellen Beobachtungen rund um das Schweizer Marktgeschehen und ist unter @cashInsider auch auf Twitter aktiv.

+++

Wenn sich ein Finanzinvestor an einem börsenkotierten Unternehmen beteiligt, lassen Trittbrettfahrer nicht lange auf sich warten. Denn auch sie wissen: Oft winkt das schnelle Geld.

Allerdings geht dieses etwas gar einfach gestrickte Rezept längst nicht immer auf. Was aus dem Unternehmen, seinen Mitarbeitern und anderen Anspruchsgruppen wird, ist den Finanzinvestoren meist völlig egal. Und ob die übrigen Mitaktionäre auf der Strecke bleiben oder nicht sowieso. Sie sind bestenfalls gut genug, um gemeinsam Druck auf den Verwaltungsrat auszuüben oder gar um eigene Vertreter ins Gremium wählen zu lassen. Trittbrettfahrer spielen deshalb immer auch ein bisschen mit dem Feuer.

Anders als einige Analysten bin ich jedenfalls nicht überrascht, dass sich Veraison eigenen Angaben zufolge fast ganz aus dem Aktionariat des noch immer hochverschuldeten Backwarenherstellers Aryzta zurückzieht. Der für seine aktive Einflussnahme bei Unternehmen berüchtigte Vermögensverwalter hat die verbleibenden 4,5 Prozent in einer Nacht-und-Nebel-Aktion an zwei Family Offices aus hiesigen Landen weiterverkauft. Zu einem Preis von 70 Rappen je Aktie oder mehr, wenn man Analyst Patrick Schwendimann von der Zürcher Kantonalbank Glauben schenken darf.

In der Spitze hielt Veraison gut 10 Prozent am Backwarenhersteller. Mitte Dezember wurde bekannt, dass der Grossaktionär sein Aktienpaket schon vor der ausserordentlichen Generalversammlung mehr als halbiert hatte. Zu diesem Zeitpunkt gingen viele Analysten noch davon aus, dass der Vermögensverwalter am Unternehmen beteiligt bleibt. Das stellt sich nun aber als Fehleinschätzung heraus. Trau, schau, wem.

Der Quasi-Ausstieg bei Aryzta führt unweigerlich zur Frage, bei welchem Schweizer Unternehmen sich der Vermögensverwalter als nächstes eine Beteiligung anlacht. Zumindest offiziell ist er momentan nur noch am Berner Spitalkommunikationsspezialisten Ascom (gut 9 Prozent) sowie am Unterwäschehersteller Calida (knapp 15 Prozent) beteiligt. An taktischen Barmitteln dürfte es dem Vermögensverwalter deshalb wohl nicht mangeln.

Wo Veraison als nächstes zuschlägt, darüber lässt sich bloss spekulieren. Fakt ist: Ihm wird seit je her ein Faible für Turnaround-Kandidaten nachgesagt. Ausserdem soll es auch schon vorgekommen sein, dass er sich mehr als einmal bei ein und demselben Unternehmen eingekauft hat.

Auffälliger Kurssprung bei den Mikron-Aktien heute Dienstag im frühen Handel (Quelle: www.cash.ch)

Ich wäre deshalb nicht überrascht, würde sich der umtriebige Vermögensverwalter beispielsweise beim Textilmaschinenhersteller Rieter oder beim Solarzulieferer Meyer Burger als Grossaktionär zurückmelden. Ins Auge sticht mir zudem das Kursfeuerwerk bei den Aktien des Bieler Maschinenbauers Mikron – auch dieser ein früheres Portfoliounternehmen.

Aber vielleicht nistet man sich auch völlig überraschend bei einem anderen Unternehmen ein? Ich denke da etwa an Kudelski oder den Schienenfahrzeughersteller Stadler Rail, wobei es die Dominanz der beiden Firmenpatrons André Kudelski und Peter Spuhler einem oppositionellen Grossaktionär wohl alles andere als einfach machen würde...

+++

Wenn ABB am frühen Morgen des 4. Februars das Jahresergebnis vorlegt, wird sich zeigen, ob Firmenchef Björn Rosengren und seine Entourage im Schlussquartal nahtlos an den soliden Zahlenkranz aus dem vorangegangenen dritten Quartal anknüpfen konnten. Falls ja, könnte der schweizerisch-schwedische Industriekonzern den "Fluch der 25 Franken", der auf seinen Aktien lastet, endlich ablegen. Schliesslich warten die Aktionäre schon lange darauf.

Zumindest Analyst Andreas Willi von J.P. Morgan gibt sich diesbezüglich allerdings skeptisch. Der gebürtige Schweizer hebt seine operativen Gewinnschätzungen zwar um bis zu 5 Prozent an. Allerdings trägt er damit bloss dem schwachen Dollar Rechnung. An der "Underweight" lautenden Verkaufsempfehlung und am Kursziel von 22 Franken ändert sich hingegen nichts.

Willi geht davon aus, dass sich die Geschäftsentwicklung im Schlussquartal zumindest im Rahmen der Markterwartungen bewegt. So weit, so gut – würde er im selben Atemzug nicht auch gleich vor zu hohen Erwartungen an das neue Geschäftsjahr warnen.

Kursentwicklung der Aktien von ABB über die letzten zehn Jahre (Quelle: www.cash.ch)

Während seine Berufskollegen dem Industriekonzern ein organisches Umsatzwachstum von 6 Prozent und eine Belebung der operativen Marge (EBITA) auf 13,2 Prozent zutrauen, ist der Analyst zurückhaltender. Er rechnet bloss mit einem organischen Umsatzwachstum in Höhe von 3,2 Prozent bei einer operativen Marge von 13 Prozent.

Nicht zum ersten Mal sieht man sich bei J.P. Morgan in der Rolle des Miesepeters. Die mächtige amerikanische Investmentbank warnte in den letzten Jahren immer mal wieder vor Ergebnisenttäuschungen – oft in weiser Vorahnung.

Ich bin jetzt schon neugierig, ob sich ABB-Chef Björn Rosengren am 4. Februar zu zukunftsgerichteten Aussagen hinreissen lässt. Diese Aussagen dürften letztendlich darüber entscheiden, ob die Zurückhaltung des bekannten Analysten angebracht ist.

 

Der cash Insider nimmt Marktgerüchte sowie Strategie-, Branchen- oder Unternehmensstudien auf und interpretiert diese. Marktgerüchte werden bewusst nicht auf ihren Wahrheitsgehalt überprüft. Gerüchte, Spekulationen und alles, was Händler und Marktteilnehmer interessiert, sollen rasch an die Leser weitergegeben werden. Für die Richtigkeit der Inhalte wird keine Verantwortung übernommen. Die persönliche Meinung des cash Insiders muss sich nicht mit derjenigen der cash-Redaktion decken. Der cash Insider ist selber an der Börse aktiv. Nur so kann er die für diese Art von Nachrichten notwendige Marktnähe erreichen. Die geäusserten Meinungen stellen keine Kauf- oder Verkaufsempfehlungen an die Leserschaft dar.