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Als am letzten Mittwochnachmittag unserer Zeit die amerikanischen Konsumentenpreisindizes über die Börsenticker flimmerten, staunte ich nicht schlecht: Im April lagen dort die Lebenshaltungskosten um 4,2 Prozent über dem Vorjahr. Die Teuerung übertraf damit selbst die kühnsten Erwartungen. Durchschnittlich gingen Ökonomen von einem Anstieg um 3,6 Prozent aus. Selbst die Kernrate – sie klammert die stark schwankenden Energie- und Nahrungsmittelpreise aus – stieg gegenüber dem April letzten Jahres um 3 Prozent und gegenüber dem März dieses Jahres um 0,9 Prozent. Letzteres entspricht dem stärksten sequentiellen Teuerungsschub seit nicht weniger als 40 Jahren.
Nun gut: Die Engpässe in den Lieferketten und die dadurch höheren Produzentenpreise dürften massgeblich dazu beigetragen haben. Und auch die pandemiebedingt tiefe Vergleichsbasis aus dem Vorjahr dürfte den Anstieg überhaupt erst ermöglicht haben.
Die Reaktion liess nicht lange auf sich warten: Die Rendite zehnjähriger amerikanischer Staatsanleihen stieg selbentags auf 1,70 Prozent, wo sie Ende März letztmals lag. Dennoch sehen Vertreter der amerikanischen Notenbank im jüngsten Teuerungsschub weiterhin bloss ein vorübergehendes Phänomen. Sie argumentieren – wer hätte das gedacht – mit den Engpässen in den Lieferketten sowie mit der tiefen Vergleichsbasis von vor einem Jahr.
Renditeentwicklung zehnjähriger amerikanischer Staatsanleihen in den letzten 12 Monaten (Quelle: www.cash.ch)
Ich bin da etwas skeptischer. Mich erschrickt vor allem die Geschwindigkeit, mit welcher viele Unternehmen höhere Herstellkosten über Preiserhöhungen an die Endkunden weitergeben können. Und diese Preiserhöhungen werden – wenn auch zähneknirschend – akzeptiert.
Wie Chefstratege Andrew Garthwaite von der Credit Suisse schreibt, ist Teuerung aus Sicht eines Aktienanlegers eigentlich sogar wünschenswert. Gefährlich werde sie den Aktienmärkten erst, wenn sie auf 3 Prozent oder mehr steigt, so Garthwaite weiter. Er und seine Abteilungskollegen rechnen zwar mit einer Beruhigung auf der Teuerungsseite. Die Rendite zehnjähriger amerikanischer Staatsanleihen sehen sie allerdings trotzdem auf 2 Prozent steigen. Bei der Credit Suisse setzt man deshalb auf europäische Substanzwerte mit einer starken Preisgestaltungsmacht, etwa auf jene von Holcim.
Diese Schweizer Firmen verfügen über die nötige Preisgestaltungsmacht |
Noch entspannter gibt sich der für Merrill Lynch tätige Stratege Sebastian Rädler. Er verweist auf bankeigene Schätzungen, wonach die Rendite zehnjähriger amerikanischer Staatsanleihen bis Ende Jahr auf 2,15 Prozent weiterziehen dürfte. Eine Gefahr sieht der Stratege nur dann für die Aktienmärkte ausgehen, sollten die Notenbanken zu einer restriktiveren Zins- und Geldpolitik gezwungen sein. Seines Erachtens würde eine wirtschaftliche Wachstumsverlangsamung den Kursen mehr zusetzen als ein weiterer Teuerungsschub.
Auch bei der amerikanischen Investmentbank setzt man im momentanen Umfeld auf Substanzaktien. Letzteren traut man bis Ende Jahr ein mehr als 10 Prozent besseres Abschneiden als defensiven Valoren wie etwa Nestlé, Roche oder Novartis zu. Rädler und seine Abteilungskollegen sind denn auch nicht gut auf den Schweizer Aktienmarkt zu sprechen.
Während der Landesindex der Konsumentenpreise für April bei uns schon seit mehr als einer Woche bekannt ist, müssen sich die europäischen Kollegen noch bis Mittwoch in Geduld üben. Da sage mal einer, dass die Mühlen in der Schweiz langsamer mahlen als anderswo...
Am Montag steht bei uns dann der Produzenten- und Importpreisindex für April zur Veröffentlichung an. Ich erhoffe mir davon wichtige Anhaltspunkte für die hiesige Teuerungsentwicklung.
Im Auge behalten gehört jedoch vor allem jene in Übersee, könnten die amerikanischen Konsumentenpreise bei gleichbleibendem Tempo auf Jahressicht gegebenenfalls doch sogar um 6 Prozent steigen. Das wäre mehr als doppelt so viel wie von der Credit Suisse als gefährlich für die Aktienmärkte empfunden. Bleibt zu hoffen, dass sich der im April beobachtete Teuerungsschub nicht wiederholt.
Ich gehe jedenfalls auf Nummer sicher und setze bei meinen Schweizer Aktienfavoriten für 2021 von Beginn weg auf Aktien von Unternehmen mit einer guten Preisgestaltungsmacht wie etwa Zurich Insurance, Helvetia oder Holcim sowie auf solche von Unternehmen, die von steigenden Zinsen profitieren.
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