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Das hatte sich Mario Draghi, seines Zeichens Chef der Europäischen Zentralbank (EZB), vermutlich anders vorgestellt.

Am Donnerstagnachmittag richtete er mit der "grossen Kelle" an. Nicht nur, dass den Geschäftsbanken auf ihren Einlagen neu ein Strafzins von 0,4 Prozent belastet wird, auch der Refinanzierungssatz wurde auf Null gesenkt. Darüber hinaus sollen die Wertpapierkäufe ab April von monatlich 60 auf 80 Milliarden Euro ausgebaut und auf Unternehmensanleihen erweitert werden.

Mit diesen in gewohnter Lautlosigkeit verkündeten geldpolitischen Massnahmen zündete Draghi an den europäischen Börsen zwar ein Kursfeuerwerk. Dieses war allerdings rasch verpufft, und die anfängliche Euphorie der Marktakteure wich einer deutlich nüchterneren Betrachtung.

Der EZB geht es schon lange nicht mehr bloss um die Bekämpfung deflationärer Kräfte. Vielmehr weckt das jüngste Massnahmenpaket den Verdacht, dass die Sicherung der Schuldentragfähigkeit der öffentlichen Haushalte das neue übergeordnete Ziel sein könnte. Draghi schafft die Zinsen ab - so liesse sich der Entscheid vom Donnerstag auch kommentieren.

Am Freitag wurden die Mühen der EZB dann doch noch belohnt, schoss der viel beachtete Stoxx Europe 600 Index doch um 2,4 Prozent nach oben. Mit einem Plus von 1,1 Prozent war unser Swiss Market Index (SMI) aber nur ein Nebenschauplatz. "Unter ferner liefen", würde man sagen, wäre das Börsengeschehen ein Marathon.

Für die Charttechnikexperten von Julius Bär steht fest: Der SMI steht gegenüber dem Weltaktienindex so tief wie seit acht Jahren nicht mehr. Solange das Börsenbarometer nicht mehr unter 7400 Punkte zurückfalle, sei das schon mal nicht schlecht, so schreiben sie. Allerdings bedürfe es einer Rückkehr auf über 8000 Zähler, damit sich die charttechnische Situation stabilisiere.

Auch die Berufskollegen der UBS zeigen sich enttäuscht von der jüngsten Gegenbewegung. Der SMI befinde sich in einer langsam ansteigenden Keilformation, welche keinen raschen Vorstoss bis an den Schlüsselwiderstand bei 8380 Punkten erwarten lasse. Sollte das Börsenbarometer in diesen Tagen unter 7850 Zähler fallen, halten die Experten sogar eine Wiederaufnahme des Abwärtstrends für möglich. Zuversicht sieht anders aus.

Dass die Musik momentan an anderen Börsenplätzen spielt, lassen auch die Probleme hiesiger Indexschwergewichte (siehe Kolumne vom letzten Freitag) sowie die auffälligen Blocktransaktionen von vergangener Woche (siehe Kolumne vom 9. März) erahnen.

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Nestlé kann auf eine traditionsreiche Vergangenheit zurückblicken. In diesem Jahr feiert der Nahrungsmittelkonzern mit dem Vogelnest im Firmenwappen sein 150-jähriges Bestehen.

Doch anstatt dem Unternehmen den nötigen Respekt entgegenzubringen, lässt der für Barclays Capital tätige Experte kaum ein gutes Haar an Nestlé. Die goldenen Zeiten seien vorbei, so lässt er durchblicken, und wähnt die Westschweizer inmitten eines "Kampfes an mehreren Fronten". Die Verantwortlichen in Vevey schweigen zu diesen Ausführungen.

Allerdings hallt die Schlüsselbotschaft des versierten Branchenkenners bis in die Westschweiz: Mit schierer Grösse werde in Zukunft nichts mehr zu holen sein. Nicht zuletzt auch deshalb, weil die führenden Nahrungsmittelhersteller wie Nestlé aufgrund ihrer Kostenstruktur anfällig für den immer intensiveren Wettbewerb kleinerer Herausforderer seien.

Darf man dem Experten glauben schenken, haben es die Herausforderer ausgerechnet auf die margenstarken Produktkategorien wie Kaffee oder Tiernahrung abgesehen. Er schätzt, dass die betroffenen Kategorien bei Nestlé nahezu 45 Prozent zum Jahresgewinn beitragen.

Bei Barclays Capital macht man denn auch diesen Umstand für die organische Wachstumsverlangsamung der letzten Jahre verantwortlich. Noch sei es nicht zu spät um Massnahmen dagegen zu ergreifen, so die Briten. Was die zukünftige Margenentwicklung anbetrifft, gibt sich der Experte aber keinen falschen Illusionen hin. Er sieht eine Wachstumsbeschleunigung nämlich zu Lasten der Margen gehen. Deshalb werden die Aktien von Nestlé weiterhin nur mit "Equal weight" und einem Kursziel von 73 Franken eingestuft.

Wer im Zusammenhang mit dem diesjährigen Firmenjubiläum auf eine Sonderdividende oder ein milliardenschweres Aktienrückkaufprogramm hoffte, wurde bislang enttäuscht. Doch wie sagt man so schön: Was nicht ist, kann immer noch werden.
 

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