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Manchmal denkt man sich, dass es kaum noch schlimmer kommen kann - was sich dann nicht selten als trügerisch erweist. So geschehen bei der Zurich Insurance Group, als diese am vergangenen Mittwoch mit einer weiteren Gewinnwarnung aufwartete. Das macht den traditionsreichen Versicherungskonzern zum Wiederholungstäter, sah er sich doch schon im September dazu gezwungen, die Erwartungshaltung zu dämpfen.

Während sich nun viele seiner Berufskollegen die Wunden lecken, nutzt der für die MainFirst Bank tätige René Locher die Gunst der Stunde. Nach der überraschenden Gewinnwarnung streicht er das Kursziel für die Aktien zwar auf 265 (290) Franken zusammen. Gleichzeitig stuft er diese von "Neutral" auf "Outperform" herauf, was an Signalwirkung kaum zu überbieten ist.

Denn Locher gilt hierzulande als einer der erfahrensten und am besten vernetzten Versicherungsanalysten überhaupt. Schon bei seinem früheren Arbeitgeber, der Bank Sarasin, galt er als Koryphäe auf seinem Gebiet. Dieser Ruf eilt ihm bis heute voraus.

Für den viel beachteten Analysten steht fest: Verwaltungsratspräsident Tom de Swaan wird in Kürze einen unternehmerisch denkenden und sehr erfahrenen Nachfolger von ausserhalb für den ausgeschiedenen Martin Senn vorstellen. Locher ist sich ziemlich sicher, dass es sich dabei um den heiss gehandelten Generali-Chef Mario Greco handeln wird.

Da die Zurich Insurance Group anlässlich der Gewinnwarnung vom Mittwoch nichts mehr vom Ziel einer operativen Eigenkapitalrendite von 12 bis 14 Prozent wissen wollte, erklärt sich der Analyst mit dem bevorstehenden Wechsel an der Konzernspitze. Am diesjährigen Investorentag vom kommenden Dezember werde der Nachfolger Senns - wer immer das auch sein möge - seine eigenen neuen Ziele kommunizieren, so schreibt er weiter.

Wie sein Berufskollege von J.P. Morgan rechnet auch Locher mit einer Kürzung der regulären Dividende auf 14 (17) Franken. Dennoch geht er davon aus, dass die Aktionäre im April 17 Franken je Aktie ausbezahlt erhalten - die Differenz in Form einer Sonderdividende. Davon lässt sich nach dem jüngsten Kurseinbruch eine äusserst attraktive Dividendenrendite von knapp 7,8 Prozent ableiten.

Interessant ist auch, was ich einem die Heraufstufung begleitenden Kommentar aus dem Aktienhandel der MainFirst Bank entnehme. Darin heisst es, die Zurich Insurance Group sei in der Vergangenheit schlecht geführt worden. Ein Vergleich mit dem amerikanischen Rivalen Travellers (Combined Ratio von 90 Prozent, Eigenkapitalrendite von 15 Prozent) zeige, was beim hiesigen Versicherungskonzern (Combined Ratio von geschätzten 100 Prozent, Raum für eine Eigenkapitalrendite von klar über 10 Prozent) eigentlich möglich sei. Für den Autor steht alleine schon deshalb fest: Es stecken viele verborgene Werte in den Zurich-Aktien.

Anders als Locher müssen sich viele seiner Berufskollegen nach der zweiten Gewinnwarnung in Folge unangenehme Fragen gefallen lassen. Da wäre beispielsweise der für die UBS tätige Experte. Er stufte die Papiere wenige Wochen vor der ersten Gewinnwarnung mit einem 300 Franken lautenden 12-Monats-Kursziel von "Neutral" auf "Buy" herauf. Nach der zweiten Gewinnwarnung wirft er nun das Handtuch und krebst beim Anlageurteil wieder auf "Neutral" und beim Kursziel auf 231 Franken zurück.

Nicht viel besser erging es dem Versicherungsanalysten von Barclays Capital, welcher die Aktien erst vor zwei Wochen von "Equal Weight" auf "Overweight" heraufstufte - notabene bei einem Kursziel von 291 Franken. Dieses kürzt er heute übrigens auf 286 Franken.

Wer im Glashaus sitzt, sollte nicht mit Steinen werfen - das ist mir sehr wohl bewusst. Schliesslich sind die Aktien der Zurich Insurance Group auch unter meinen Ende Dezember kommunizierten Schweizer Aktienfavoriten für das Börsenjahr 2016 zu finden.

Damals schrieb ich: Hauptattraktion der Aktien bleibt die attraktiv hohe Dividendenrendite von 6,6 Prozent, sofern die Versicherungsgruppe weiterhin daran festhält. Seit dem Rücktritt von Firmenchef Martin Senn scheint diese nicht länger in Stein gemeisselt zu sein. Was komischerweise kaum ein Thema ist: Die Zurich Insurance Group kann auf ein Überschusskapital von rund 3 Milliarden Dollar zurückgreifen und falls nötig "von der Substanz leben".

Dazu stehe ich auch heute noch, eine knappe Woche nach der überraschenden Gewinnwarnung.
 

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