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Auch wenn weder der Bürger auf der Strasse noch die Finanzmarktakteure sich dessen bewusst sind: Wir durchleben eine Krise historischen Ausmasses.

Selbst Jahre nach dem Beinahe-Kollaps der Bankenwelt und dem in nahezu letzter Minute verhinderten Auseinanderbruch des hochverschuldeten Europas führen die Zentralbanken der wichtigsten Wirtschaftsnationen noch immer einen erbitterten Kampf gegen die Spätfolgen.

Anstatt sich mit den Ursachen auseinander zu setzen, üben sich die Politiker und Notenbankverantwortlichen allerdings lieber in Symptombekämpfung. Verübeln kann man es ihnen nicht, ginge das andere doch nicht ohne unpopuläre Reformen.

Statt dessen versucht man die Probleme mit einer Liquiditätsschwemme zu ertränken, wie sie die Welt noch nicht gesehen hat. Nicht nur die Europäer, auch die Japaner pumpen nach amerikanischem Vorbild hunderte von Milliarden ins Finanzsystem. Am Bruttoinlandprodukt gemessen ist die Bilanzsumme der Bank of Japan im Zuge der grossangelegten Wertpapierkäufe inzwischen auf 80 Prozent der jährlichen Wirtschaftsleistung angeschwollen. Unsere Schweizerische Nationalbank (SNB) und ihre 575 Milliarden Franken an Fremdwährungsreserven in den Büchern lassen grüssen.

Fehlt nur noch, dass am kommenden Donnerstag auch die Europäische Zentralbank (EZB) ein neues Kapitel in der "Politik des billigen Geldes" öffnet. Dass sie die Wertpapierkäufe von monatlich 60 auf 75 bis 80 Milliarden Euro erhöht und die Laufzeit des Kaufprogramms abermals verlängert, gilt schon heute als so gut wie sicher.

Freuen dürfte das vor allem die hochverschuldete öffentliche Hand. Sie kann sich quasi zum Nulltarif neue Gelder beschaffen. Gute Schuldner wie die Bundesrepublik Deutschland sowie zahlreiche öffentlich-rechtliche Körperschaften lassen sich mittlerweile von den Gläubigern sogar fürs Entgegennehmen von Geldern bezahlen, was jeglichem gesunden wirtschaftlichen Verständnis widerspricht.

Und um dem Kampf gegen die deflationären Kräfte Nachdruck zu verleihen, dürfte die EZB auch den schon heute negativen Einlagesatz von minus 0,3 Prozent auf minus 0,4 bis 0,5 Prozent senken.

Als Draghi den Finanzmärkten auf dem Höhepunkt der europäischen Schuldenkrise im Spätherbst 2012 mit der berühmt-berüchtigten "Bazooka" drohte, war ihm vermutlich nicht bewusst, dass er eines Tages doch noch zu dieser greifen muss. Mit einem kleinen, aber feinen Unterschied: Damals ging es um die Rettung des Euros, jetzt um dessen Schwächung. Schliesslich tobt da draussen ein erbitterter Währungskrieg.

Die EZB ist gefordert, denn nach einem Aufflackern der Teuerung im Januar, ist diese im Februar im Zuge rückläufiger Energiepreise um 0,2 Prozent gefallen. Dazu kommt, dass die milliardenschweren Wertpapierkäufe in den letzten Monaten kaum Wirkung entfalteten - auch wenn dies die EZB-Vertreter natürlich völlig anders sehen.

Inzwischen werden sogar Forderungen laut, die EZB solle ihre Notenpressen noch ein bisschen schneller laufenlassen und den Banken notleidende Kredite abkaufen. Diese Forderungen kommen nicht von ungefähr. Haben sich die Banken im Vorfeld der Finanzkrise der Jahre 2007/08 mit verbrieften Hypothekarkrediten verspekuliert, so drückt der Schuh heute bei Krediten in den Rohstoffsektor. Die Banken haben nichts gelernt, so könnte man meinen.

Sogar unsere beiden Schweizer Grossbanken UBS und Credit Suisse sitzen auf milliardenschweren Krediten in die Öl- und Gasindustrie. Die nicht weniger gefährdeten Kredite an Schuldner aus anderen Bereichen des darbenden Rohstoffsektors werden gar nicht erst gesondert ausgewiesen.

Was am nächsten Donnerstag von der EZB zu erwarten ist, dürfte unter den Begriff „monetärer Wahnsinn“ gehen. Lassen sich die Entscheidungsträger am Hauptsitz in Frankfurt bis dahin zu einer Ausweitung der Wertpapierkäufe auf verbriefte notleidende Bankkredite überreden, wäre das womöglich sogar - meine Leserinnen und Leser mögen mir den Ausdruck verzeihen - "monetärer Selbstmord".

Dass sich etwas Grosses anbahnt, lässt übrigens auch ein Kommentar aus der Devisenabteilung der Deutschen Bank erahnen. Darin wirft der Autor im Hinblick auf den EZB-Entscheid vom kommenden Donnerstag entnervt das Handtuch auf seiner im Januar ausgesprochenen Empfehlung, Euro gegen den Franken zu kaufen.

Die SNB werde mit Fremdwährungskäufen, nicht aber mit einer Ausweitung der Negativzinsen auf den Entscheid antworten, so der Experte. Er rät seiner Anlagekundschaft deshalb zu einer abwartenden Haltung, bis sich der Staub im Laufe des März gelegt hat. Erst dann hält er eine erneute Wette gegen den Franken für vertretbar.

Mit ihren Offenmarktinterventionen hat sich unsere SNB in den letzten Jahren in eine direkte Abhängigkeit von der europäischen Geldpolitik hineinmanövriert. Trotz der Aufgabe des Mindestkurses gegenüber dem Euro vom Januar vergangenen Jahres sind wir der EZB auf Gedeih und Verderb ausgeliefert. Aufgrund des hohen Exportanteils ins umliegende Ausland waren wir das jedoch von Anfang an. Man kann unseren Währungshütern deshalb nur bedingt einen Vorwurf machen. Dennoch sind die von den Negativzinsen ausgehenden Kollateralschäden für die Sparer nicht zu unterschätzen. Schliesslich treffen diese über die Vorsorgewerke auch die hart arbeitenden Bürger auf der Strasse.

Die Folgen der Finanz- und Schuldenkrise wird uns vermutlich noch eine ganze Weile begleiten. Je länger sich die Politik den längst überfälligen und unpopulären Reformen verweigert, desto grösser werden die Probleme. Das schlimmste anzunehmende Ergebnis wäre, wenn das Vertrauen in die Werthaltigkeit des Papiergeldes verloren ginge.
 

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