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Von der Nachrichtenlage her gesehen eher lau, hatten es die letzten fünf Handelstage am Schweizer Aktienmarkt dennoch in sich. Auf der makroökonomischen Bühne galt das Interesse vor allem dem Zinsentscheid der Europäischen Zentralbank (EZB) vom gestrigen Donnerstagnachmittag. Alles bleibt beim Alten – so die Schlüsselbotschaft aus Frankfurt am Main.
Zentralbankpräsidentin Christine Lagarde liess durchblicken, dass man beim Aufkauf von Staats- und Unternehmensanleihen im Rahmen des Corona-Notkaufprogramms künftig zumindest etwas aufs Bremspedal treten werde. Was sie den Medien gegenüber hingegen nicht erwähnte: Die EZB war zuvor über lange Wochen hinweg mit überhöhter Geschwindigkeit unterwegs.
Die Stunde der Wahrheit folgt nun wohl im Dezember, wenn die Entscheidungsträger zum letzten Mal in diesem Jahr zusammenkommen. Doch selbst wenn die Anleihenkäufe auf 60 Milliarden Euro monatlich reduziert würden, liessen sich der japanischen Nomura zufolge noch immer 85 Prozent aller zu erwartenden neuen Anleihen absorbieren.
Dass der Swiss Market Index (SMI) um gut 2 Prozent tiefer aus der Woche hervorgeht, dürfte allerdings herzlich wenig mit Zinsängsten zu tun haben. Vielmehr drehen sich die Ängste der Marktakteure momentan um den hochverschuldeten chinesischen Immobiliengiganten Evergrande. Nicht bestätigten Berichten zufolge will das Unternehmen die Zinszahlungen an zwei seiner Gläubigerbanken sowie sämtliche Zahlungen für seine Vermögensverwaltungsprodukte aussetzen. Und tatsächlich hätte ein Kollaps von Evergrande das Zeug dazu, das chinesische Bankensystem – und mit ihm die eine oder andere westliche Bank - ins Wanken zu bringen.
Ihren defensiven Charakteristiken zum Trotz hatten ausgerechnet die beiden Pharmaschwergewichte Roche und Novartis in den letzten Tagen einen schweren Stand. Im Wissen um beunruhigende Nachrichten aus der Polit-Metropole Washington überrascht mich das nicht. Wie das renommierte Wall Street Journal berichtet, steigt die Regierung unter dem amerikanischen Präsidenten Joe Biden gegen die (über-)mächtigen Pharmagiganten in den Ring. So sollen die Preise für verschreibungspflichtige Medikamente neu ausgehandelt und die Hürden für die Verschreibung kostengünstiger Nachahmerpräparate gesenkt werden.
Alter Wein in neuen Schläuchen, will man da beim scheuen Blick in den Rückspiegel erwidern. Kaum ein amerikanischer Präsident, der sich vor seinem Amtsantritt nicht dem Kampf gegen die ausufernde Medikamentenpreisentwicklung verschrieb – nur um dann doch im Zuge eines faulen Kompromisses klein beizugeben.
Die Valoren von Roche (rot) und Novartis (grün) werden zusehends wieder zur Belastung für den SMI (Quelle: www.cash.ch)
Biden dürfte Politprofi genug sein, um zu wissen, dass ihm bei seinen Plänen selbst aus den eigenen demokratischen Reihen Widerstand droht. Auch die Börse sieht darin was es ist: Vermutlich bloss ein weiterer Sturm im Wasserglas.
Was mir auffällt: Während bedeutende Aktionäre und Firmenlenker unlängst den Rückzug angetreten haben, fliesst über Aktienfonds noch immer sehr viel Geld in Aktien. Wie Erhebungen von Goldman Sachs zeigen, schwellen die Mittelzuflüsse in aktive und passive Aktienfonds seit Juni an. Das ist insofern ungewöhnlich, als dass gerade im August saisonal bedingt eigentlich Gelder abfliessen müssten. Doch das Gegenteil ist der Fall.
Angeblich drängen vorwiegend die Privatanleger an die Börse. Der schon eine ganze Weile nicht mehr zeitgemässe Begriff "Hausfrauenbörse" brennt einem aus purer Gewohnheit auf der Zunge, bleibt – da diskriminierend – jedoch unausgesprochen.
Roche feiert übrigens das 125. Bestehen. Zu diesem Anlass sende ich ein herzliches "alles Guete zum Firme-Jubiläum!" in Richtung Basel.
Das Sorgenkind der Woche ist zweifelsohne Holcim. Nach einem Bericht in der Wochenendpresse über die Verfehlungen der französischen Lafarge in Syrien gerieten die Aktien des Weltmarktführers unter die Räder.
Zur Erinnerung: Ehemalige Kadermitarbeiter von Lafarge werden beschuldigt, Schutzgeldzahlungen an dortige Extremisten – namentlich an den Islamischen Staat – bezahlt zu haben. Dabei ist von gut 15 Millionen Dollar die Rede, die in den Jahren 2011 bis 2015 über Rohstoffkäufe und Schutzgeld geflossen sein sollen.
In Frankreich muss sich Holcim deshalb nun sogar wegen Beihilfe zu Verbrechen gegen die Menschlichkeit verantworten. Ich kann mich nicht erinnern, dass sich schon mal ein Unternehmen mit diesem Vorwurf konfrontiert sah.
Doch auch in diesem Zusammenhang darf von altem Wein in neuen Schläuchen gesprochen werden, fragte ich mich doch schon Mitte Dezember 2017, ob Holcim wegen der unrühmlichen Rolle von Lafarge in Syrien ins Visier der Amerikaner geraten könnte. Ich hielt damals fest:
...und...
Fein raus sind übrigens die früheren Lafarge-Ankeraktionäre und Pargesa-Gründer Albert Frère und Paul Desmarais. Sie beide traten schon vor Monaten den Rückzug an und können dem Kurszerfall der letzten Tage nun entspannt zuschauen. In der Spitze hielten Frère und Desmarais knapp 10 Prozent am kombinierten Unternehmen.
Die Aktien von SMI-"Prügelknabe" Holcim machen nur langsam wieder Boden gut (Quelle: www.cash.ch)
Der für BNP Paribas tätige Analyst stufte die Aktien von Holcim gestern Donnerstag von "Neutral" auf "Outperform" herauf. Und das verlangt ihm keinen Mut ab, errechnet sich anhand seines Bewertungsmodells doch selbst unter Berücksichtigung von Rechtskosten in Höhe von 3,5 Milliarden Dollar ein fairer Aktienkurs von 63,50 Franken...
Kommen wir nun aber auf einen der diesjährigen Börsenüberflieger zu sprechen. Als letztes der 20 Grossunternehmen aus dem SMI legte am frühen Dienstagmorgen die Partners Group ihr Ergebnis für die erste Jahreshälfte vor. Was die Vorabinformationen von Mitte Juli (verwaltete Kundenvermögen) und Mitte August (erfolgsabhängige Verwaltungsgebühren) bereits vermuten liessen, ist seither Gewissheit: Dank der künstlich tief gehaltenen Zinsen und des daraus erwachsenden Renditedrucks rennen dem Risikokapitalspezialisten aus dem steuergünstigen Baar sowohl private als auch institutionelle Grossinvestoren die Türen ein.
Mit 629 Millionen Franken fiel der Halbjahresgewinn doppelt so hoch aus wie in der ersten Hälfte letzten Jahres – eine Folge der üppigen erfolgsabhängigen Verwaltungsgebühren. Analysten hatten hingegen "nur" mit einem Überschuss von 583 Millionen Franken gerechnet.
Die mittlerweile etwas gar erfolgsverwöhnte Börse reagierte allerdings ziemlich unterkühlt. Auch ihr dürfte klar sein, dass gerade die erfolgsabhängigen Verwaltungsgebühren für gewöhnlich starken Schwankungen unterliegen. Mit anderen Worten: Der Scheitstock wird wohl nicht ewig kalbern.
Einen Dämpfer erfuhren diese Woche die Aktien von Relief Therapeutics. Nach Vorwürfen des Partnerunternehmens NeuroRX sah sich das Unternehmen am frühen Dienstagmorgen in einer Medienmitteilung zu einer Gegendarstellung genötigt. Dennoch ging es für die Papiere an der Börse gegenüber dem Schlussstand vom Freitag um ziemlich genau 10 Prozent nach unten.
Die Vorwürfe wiegen denn auch schwer, beispielsweise jener, dass Relief Therapeutics die eigenen Aktionäre in Bezug auf die Stabilität der in die Zusammenarbeit eingebrachten Aviptadil-Formulierung im Dunkeln gelassen habe. Ausserdem beharren die Amerikaner auf geldwerte Forderungen, die ihnen aus der Zusammenarbeit angeblich zustehen, aber bisher nicht beglichen wurden.
Es steht weiterhin Aussage gegen Aussage. Was sich aber mit Bestimmtheit sagen lässt: Der Haussegen zwischen den beiden Partnerunternehmen hängt wohl ziemlich schief.
Kommende Woche dürfte die Nachrichtenlage dünner werden. Vermutlich wird sich das auch über die hiesigen Handelsaktivitäten sagen lassen. Kommenden Freitag sind wir diesbezüglich um einiges schlauer, wenn es wieder heisst: Die Börsenwoche im Schnelldurchlauf.
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