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Die Banken und ihre Anlagestrategen stehen schon länger in der Kritik. Ihnen wird Herdentrieb vorgeworfen. Und tatsächlich lehnen sich nur die wenigsten Experten allzusehr aus dem Fenster. Weshalb sollte man schliesslich auch, lässt es sich doch ohne grossen Kraftakt im Strom der gängigen Meinung mittreiben.

Als gängige Meinung galt bis vor wenigen Tagen, dass die Aktienmärkte auch in diesem Jahr zu einer Jahresendrally durchstarten. Die Europäische Zentralbank (EZB) werde die Dinge schon richten, so lautete der Tenor.

Diese liess auf Worte zwar Taten folgen. Spätestens seit dem vergangenen Donnerstag wissen wir jedoch, dass die Worte von EZB-Präsident Mario Draghi nicht sehr weise gewählt waren. Noch nie zuvor in seiner Amtszeit waren sich Erwartungshaltung und Realität so fremd. Auch für die Spezies des Zentralbankverantwortlichen gilt: Hunde, die bellen, beissen nicht - oder zumindest nicht bei der erstbesten sich bietenden Gelegenheit.

Bei den Banken setzt man indes unbeirrt auf Aktien. Jegliche Kursrückschläge seien Kaufgelegenheiten, so wiederholen ihre Anlagepropheten schon seit Tagen gebetsmühlenartig. Verübeln darf man das den Experten nicht, liess sich mit diesem Vorgehen in den letzten Jahren doch gutes Geld verdienen.

Grosse Überzeugung stecke allerdings nicht dahinter, so lasse ich mir sagen. Vieles deutet eher auf Zweckoptimismus wenn nicht gar auf eine gewisse Ratlosigkeit hin. Es häufen sich nämlich die Anhaltspunkte dafür, dass die Jahresendrally in diesem Jahr mit negativen Vorzeichen daherkommen könnte.

Das wiederum würde den Strategen von J.P. Morgan in die Hände spielen. Ende November reduzierten die Experten ihr Übergewicht bei europäische Aktien in weiser Vorahnung auf den tiefsten Stand seit Beginn der nunmehr siebenjährigen Börsen-Hausse. In einem mir aus London zugespielten Strategiepapier legen dessen Autoren nun nach, und raten der Anlagekundschaft unverblümt dazu, bei einer Kurserholung weitere Aktien zu verkaufen.

Die Schlüsselbotschaft der Experten: Das langjährige strategische Übergewicht bei Aktien fühle sich schlichtweg nicht mehr richtig an.

Noch steht J.P. Morgan mit dieser Meinung ziemlich alleine da. Allerdings gibt man sich mittlerweile auch bei der Credit Suisse und Goldman Sachs eher kleinlaut. Ob weitere Banken dem Beispiel von J.P. Morgan folgen werden, bleibt abzuwarten.

Vor wenigen Wochen ging auch ich noch von einem versöhnlichen Jahresausklang aus. Dessen bin ich mir nach dem letzten Donnerstag aber nicht mehr ganz so sicher. Solange die Zinsen in der Schweiz und in den umliegenden europäischen Nachbarländern tief bleiben, gibt es an dividendenstarken Aktien kein vorbeikommen. Ich setze denn auch weiterhin vorwiegend auf solche.

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Unsere kleine Schweiz hat in den letzten Jahrzehnten auf den verschiedensten Gebieten einige führende Unternehmen hervorgebracht. Darauf dürfen wir stolz sein. Doch längst nicht bei allen dieser Firmen läuft es in diesen Tagen rund. Gerade die Aktionäre von LafargeHolcim wissen, wovon ich schreibe.

Durch die Hochzeit des weltweit grössten Zementherstellers mit der französischen Nummer zwei hat dessen Abhängigkeit von den Schwellenländern weiter zugenommen. Noch bis vor wenigen Monaten eine schier unerschöpfliche Wachstumsquelle, werden diese immer mehr zum Bumerang für LafargeHolcim. Stummer Zeuge ist der Aktienkurs, der alleine seit Mitte Juli gut 30 Prozent nachgeben musste.

Mit Sonova ist nun ein weiterer Weltmarktführer aus der Schweiz auf dem absteigenden Ast. Nach einer ziemlich ernüchternden ersten Jahreshälfte sah sich der in Stäfa beheimatete Hörgerätehersteller letzten Monat sogar zu einer Reduktion der eigenen Jahresprognosen gezwungen.

Rückblickend sind berechtigte Zweifel angebracht, ob der Vorstoss in den Markt für Hörimplantate nicht doch ein Fehler war. Denn gerade in diesem Bereich hatte Sonova im ersten Halbjahr mit erheblichen Problemen zu kämpfen.

Galt das Unternehmen einst als der Konkurrenz technologisch weit überlegen, hat diese den Abstand zum Weltmarktführer in der jüngeren Vergangenheit deutlich verringert. Zu schaffen macht Sonova neuerdings auch Sivantos. Seit dem Verkauf an Finanzinvestoren ist es anderen Anbietern nicht mehr länger möglich, sich an den Marktanteilen der ehemaligen Siemens-Tochter zu laben.

Ein hartes Urteil erreicht mich aus London. Der als Koryphäe geltende Medizinaltechnikanalyst von Morgan Stanley stuft die Aktien von Sonova mit einem neu 125 (143) Franken lautenden Kursziel von "Equal-weight" auf "Underweight" herunter. Noch vor wenigen Monaten wurden die Papiere bei der amerikanischen Grossbank sogar mit "Overweight" als eine von fünf Schlüsselempfehlungen für Europa zum Kauf empfohlen. Noch immer raten die meisten anderen Berufskollegen zum Kauf der Aktien. Die Frage ist allerdings: Wie lange noch.

Sonova ist ein gutes Beispiel dafür, wie rasch ein frenetisch gefeierter Börsenstar bei Anlegern und Analysten in Ungnade fallen kann.
 

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