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Die Stimmung an den Aktienmärkten droht zu kippen. "Verkaufen Sie alles!" - diese Empfehlung der Royal Bank of Scotland ging am vergangenen Dienstag wie ein Lauffeuer rund um den Globus. Ein gefundenes Fressen für die schlagzeilenhungrigen Medien.

Was kaum jemand weiss: Ausschlaggebend ist eine wöchentlich erscheinende Periodika der britischen Grossbank. Und das nicht etwa aus der Feder der für diese tätigen Aktienanalysten, sondern aus jener der Zinsspezialisten. Sie waren es, welche den Börsen bereits am 8. Januar einen Rückschlag um 10 bis 20 Prozent vorhersagten und ihren Anlagekunden zum Schritt in Richtung der Ausgangstür rieten. Es brauchte folglich gleich mehrere Tage, bis die Medien auf dieses Strategiepapier aus dem Hause Royal Bank of Scotland aufmerksam wurden - den britischen Kollegen vom "Daily Telegraph" sei Dank.

Als die American Association of Individual Investors, kurz AAII, in den darauffolgenden Tagen den Anlegern auf den Zahn fühlte, dürfte diesen die mahnenden Worte der britischen Grossbank längst bekannt gewesen sein. Nur so lässt sich erklären, weshalb die Umfragewerte auf den pessimistischsten Stand seit knapp fünf Jahren gefallen sind.

Es überrascht deshalb nicht, dass sich in diesen Tagen auch der für das Cross Asset Research von Kepler Cheuvreux tätige Stratege ziemlich kleinlaut gibt. Noch bis vor wenigen Wochen ziemlich zuversichtlich für die europäischen Aktienmärkte, wähnt er diese an einem entscheidenden Punkt. "An den Börsen geht es jetzt um alles", so schreibt er.

Wenn es sich anfühlt wie ein Bär und es riecht wie einer, dann ist es vermutlich auch ein Bär. Noch rechnet der viel beachtete Experte jedoch nicht mit einem Bärenmarkt. Er schliesst beim amerikanischen S&P-500-Index einen Rückschlag in die Region von 1820 bis 1850 Punkten zwar nicht aus. Auch den EuroStoxx-50-Index sieht er im ungünstigsten Fall auf 2900 Zähler fallen. Noch vergleicht der Stratege den Rücksetzer allerdings mit jenem vom Spätsommer vergangenen Jahres, als sich die Börsen fingen und dann wieder munter nach oben kletterten.

Für den Experten steht fest: Unter den derzeitigen Umständen wird die amerikanische Notenbank ihre Leitzinsen nicht weiter erhöhen. Dieser Meinung bin auch ich. Zumindest scheint uns beiden der zuletzt schwächere Dollar recht geben zu wollen. Ob das an den Börsen die Wende zum Besseren bringt, steht allerdings auf einem anderen Blatt geschrieben.

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Was für Anleger die Rendite, ist für die Unternehmen das Wachstum. Beides ist in diesen Tagen ein äusserst rares Gut.

Während bei den verhaltenen Renditeaussichten die führenden Zentralbanken und ihre Politik des billigen Geldes die Schuld tragen, sind es beim Wachstum die weltweiten Überkapazitäten sowie der immer intensivere Wettbewerb. Das behauptet zumindest Goldman Sachs und damit niemand geringerer als die wohl einflussreichste Investmentbank der Welt.

In einer mir aus London zugespielten Strategiestudie lassen sich die Autoren allerdings weder von den weltweiten Überkapazitäten, noch vom intensiven Wettbewerb abschrecken. Sie haben zehn europäische Aktien von Unternehmen aus sieben Wirtschaftszweigen zusammengestellt, welche eines gemeinsam haben: Sie alle werden über die nächsten Jahre aus eigener Kraft wachsen können.

Aus der Reiseindustrie setzen die Experten auf die Aktien der Billig-Airline EasyJet (Aufwärtspotenzial von 39 Prozent), auf die des Autoverleihers Europcar (Aufwärtspotenzial von 56 Prozent) sowie auf jene des Mautabwicklers Atlantia (Aufwärtspotenzial von 26 Prozent). Diese Firmen sollten von einem höheren verfügbaren Einkommen europäischer Privathaushalte sowie von einem steigenden Verkehrsaufkommen oder Marktanteilsgewinnen profitieren, so schreiben sie.

Wachstum versprechen sich die Studienverfasser auch vom Siegeszug des Online-Handels. In diesem Bereich lauten die Schlüsselkaufempfehlungen Zalando (Aufwärtspotenzial von 33 Prozent) und Ocado (Aufwärtspotenzial von 153 Prozent).

Den Trend hin zu Temporärarbeitskräften empfehlen die Strategen mit den Aktien von Randstad (Aufwärtspotenzial von 66 Prozent) und jenen hin zu erneuerbaren Energiequellen mit den Aktien von Vestas (Aufwärtspotenzial von 36 Prozent) umzusetzen.

Bei den Telekommunikationsunternehmen wird in der Strategiestudie die französische Orange (Aufwärtspotenzial von 36 Prozent) als Gewinner der erwarteten Belebung in den Schlüsselmärkten Spanien und Frankreich bezeichnet. Auch beim Medienkonzern Vivendi (Aufwärtspotenzial von 36 Prozent) handelt es sich um eine Schlüsselkaufempfehlung aus unserem westlichen Nachbarland. Dieser sollte den Experten zufolge vom Trend in Richtung Musik-Streaming profitieren und die Musikindustrie erstmals seit mehr als zehn Jahren wieder wachsen.

Abgerundet wird die Auswahl attraktiver Wachstumsaktien durch Deutsche Börse (Aufwärtspotenzial von 47 Prozent). Über höhere Handelsaktivitäten werde die Börsenbetreiberin von den von China ausgehenden Turbulenzen profitieren, so sind sich die Studienverfasser sicher.

Dividendenstarke Aktien zu finden ist nicht schwierig, gibt es solche doch wie Sand am Meer. Vernünftig bewertete Wachstumsaktien sind hingegen eine vom Aussterben bedrohte Spezies. Man muss deshalb auch bei den von Goldman Sachs genannten Valoren die Spreu vom Weizen trennen. Zumindest bei Vivendi, Zalando und Ocado spiegeln sich die überdurchschnittlich guten Wachstumsaussichten nämlich schon in der Unternehmensbewertung wieder.
 

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