Die Zinsen sind seit Jahresbeginn erneut auf ein rekordtiefes Niveau zurückgefallen. Schuld daran sind die anhaltend lockere Geldpolitik der massgebenden Nationalbanken und die sehr niedrigen Inflationsprognosen.

Sitzen wir in der Schweiz also bereits in der Zinsfalle, wo man mit festverzinslichen Anlagen nur noch mit Verlusten rechnen muss? Wer jetzt neu Gelder in Produkte mit festem Zins anlegt, wird die Antwort vielleicht überraschend finden: Das Sparbuch hat gute Aussichten, in den kommenden paar Jahren Obligationen- und Immobilienfonds renditemässig zu überflügeln.  

Sparkonto bisher besser als sein Ruf

Allen Unkenrufen zum Trotz hat sich in der Schweiz Geldanlegen auf dem Sparkonto bisher ausbezahlt. Mehr noch: In den vergangenen fünf Jahren nach der Finanzkrise ist real sogar mehr übrig geblieben als beispielsweise während den Zeiten hoher Sparzinsen der 90-er Jahre, als auf Sparkonten fünf oder sechs Prozent Zins bezahlt wurde. Das ist deshalb so, weil es einzig und allein auf den Zins nach Abzug der Teuerung, den sogenannten Realzins, ankommt und nicht auf den nominalen.

Ein Beispiel: Ein Viertel Prozent Zins auf dem Sparkonto bei gleichzeitig null Inflation erhält nach Abzug von Kontoführungsgebühren und Steuern über die Zeit die Kaufkraft, während sechs Prozent Zins bei sieben Prozent Inflation einem deutlichen Kaufkraftverlust gleichkommt. Das heisst: Tiefe Zinsen sind für Sparer solange kein Problem, wie die Teuerung noch tiefer bleibt. 

Und der Preisauftrieb ist in der Schweiz seit geraumer Zeit sehr gering oder gar negativ. So schwankt die Inflation seit 2009 je nach Messmethode zwischen -0.5% und +0.5%, was im Durchschnitt über die vergangenen 5 Jahre praktisch null ergibt. Trotz sehr tiefer Kontozinsen ist der reale Zins also immer noch positiv. Die Spargelder haben ihre Kaufkraft erhalten. Eine schleichende Enteignung hat bisher nicht stattgefunden (Berechnung des Enteignungseffekts siehe Tabelle am Ende). Auch die aktuellen Schätzungen für das laufende und das kommende Jahr gehen im schlechtesten Fall von einem Preisaufschlag von 0.5% aus. Man kann demnach auch in nächster Zeit sein Geld guten Gewissens auf dem sicheren Sparkonto belassen und ruhig schlafen (Comparis-Vergleich Sparkontozinsen).

Erhebliches Verlustpotential bei Obligationenfonds

Bei Obligationenfonds sieht die Lage hingegen gar nicht rosig aus. Geht man realistisch davon aus, dass die Zinsen nicht mehr weiter fallen, kann man damit eigentlich nur noch Geld verlieren.  

Denn Obligationenfonds entschädigen den Anleger einerseits mit den Couponzinsen auf den Obligationen und andererseits durch die Erwartung auf Kursgewinne bei sinkenden Zinsen. Beides ist im jetzigen Tiefzinsumfeld sehr schwierig geworden. Ein gemanagtes Obligationenportfolio verliert bereits bei lediglich moderaten Marktzinssteigerungen Geld. Je länger die Duration, d.h. die durchschnittliche Bindungsdauer der Obligationen des Portfolios ist, desto stärker ist der Wertverlust. Doch können Obligationenmanager die Duration nicht beliebig verkürzen, weil sie sonst zu wenig Zinsertrag erwirtschaften. Anleihen mit weniger langen Laufzeiten werfen üblicherweise auch weniger Zinscoupon ab. Im Schnitt ist die Verfallrendite vieler Obligationenfonds heute sehr tief. Diese misst, wieviel der Anleger mit allen Obligationen im Portfolio mit den Couponzahlungen verdient, wenn er jede Obligation bis zum Verfall hält und zu 100% zurückbezahlt bekommt. Aktuell führt die Zinsdepression bereits soweit, dass bei vielen Fonds die Kosten höher sind als die Verfallrendite (siehe auch Ratgeberartikel «Sind Obligationenfonds ein Auslaufmodell?»). Wer solche Obligationenfonds kauft, verliert vom ersten Tag an Geld, selbst wenn die Zinsen nicht steigen!

Und auch beim Kauf von Obligationen mit minderer Schuldnerqualität ist der Zug bereits abgefahren. Durch die sehr hohe Nachfrage nach Obligationen mit mehr Bonitätsrisiko - wie Unternehmensanleihen oder High-Yield-Bonds - wird der Mehrzins dem zusätzlich eingegangenen Risiko kaum mehr gerecht. Die sogenannten Zinsspreads, d.h. der Zinsaufschlag, den man für erhöhtes Risiko noch erhält, ist wieder auf das Rekordtief zurückgefallen, wie wir es vor der Finanzkrise hatten. Auf eine weitere Wertsteigerung bei solchen Obligationen zu hoffen, braucht deshalb grossen Optimismus. Realistisch ist auch hier, dass mit Obligationenfonds, die erhöhte Schuldnerrisiken bergen, zukünftig Verluste absehbar sind.

Auch Immobilienfonds auf dem Zenit angelangt

Leider ist die Einschätzung auch bei der dritten, zinstragenden Anlageform, den Immobilienfonds, nicht viel optimistischer. Immobilienfonds haben aktuell im Durchschnitt einen Aufschlag oder Agio zum inneren Wert (= dem Wert, den die unterliegenden Immobilienobjekte in der Summe ausmachen) von rund 14 Prozent, was über dem langjährigen Mittel von 10-12 Prozent liegt.

Es ist zwar nicht vollständig ausgeschlossen, dass die Agios kurzfristig wieder gegen 20 Prozent steigen, wie das bis vor einem Jahr noch der Fall war. Auf längere Sicht ist jedoch die Annahme realistisch, dass die Bewertungen von Immobilienfonds in Erwartung zukünftig eher steigender Zinsen und nachlassender Mietzinssteigerungen für geraume Zeit am oberen Limit angekommen sind. Eine Kapitalwertsteigerung ist deshalb auch bei Immobilienfonds nicht mehr absehbar. Langfristig orientierte Anleger, die das Geld nicht in absehbarer Zeit benötigen, können sich zwar nach wie vor an den hohen Ausschüttungsrenditen dieser Fonds erfreuen, müssen aber gleichzeitig mit Kapitalwertverlusten rechnen.

Tipps für die Geldanlage im Tiefzinsumfeld

  • Für Schweizer-Franken-Anleger gilt: Solange die Kontozinsen höher sind als die gemessene Inflation, ist das Sparkonto eine sinnvolle, sichere Anlage und erhält die reale Kaufkraft.
  • Ausländische Festgeld- oder Sparkontoanlagen in Euro oder Pfund sind aus Sicht eines Schweizer Anlegers eher unattraktiv. Der Realzins ist in einigen Ländern negativ und es sind mittelfristig Verluste auf der Währung einzukalkulieren.
  • Bei positiven Realzinsen ist das Geld im aktuellen Tiefzinsumfeld auf dem Sparkonto besser aufgehoben als mit Obligationenfonds.
  • Einzelobligationen rentieren im aktuellen Zinsumfeld nach Kaufspesen und Steuern nur bei langen Laufzeiten besser als das Sparkonto; man bindet den tiefen Zins aber für lange Zeit.
  • Obligationen schlechterer Bonität sind im aktuellen Markt bereits sehr teuer und entschädigen oft nicht mehr für das erhöhte Ausfallrisiko.
  • Immobilienfonds reagieren ebenfalls auf Marktzinsveränderungen und sind deshalb jetzt auch zu Höchstkursen bewertet.

Kaufkraftverlust durch Inflation über die Zeit

Wie wichtig ein positiver Realzins für das Sparen und die Altersvorsorge ist, zeigt nachstehende Berechnung. Man erkennt, wie einschneidend der Effekt eines negativen Realzinses längerfristig auf die Kaufkraft ist. Das Beispiel geht von einem Anfangsvermögen von 10‘000 CHF aus:

Zeitdauer in Jahren

Inflationsrate 1%

Inflationsrate 2%

Inflationsrate 3%

Inflationsrate 5%

5

9‘515

9‘057

8‘626

7‘835

10

9‘052

8‘203

7‘441

6‘139

20

8‘195

6‘730

5‘537

3‘769

30

7‘419

5‘521

4‘120

2‘314

Lesebeispiel: Ein unverzinsliches Anfangsvermögen von 10‘000 CHF hat nach 10 Jahren bei einer Inflationsrate von 3 Prozent kaufkraftbereinigt (=realer Wert zum Kauf von Gütern in 10 Jahren) noch einen Gegenwert von 7‘441 CHF. Oder etwas anders ausgedrückt: Wer Geld über 10 Jahre mit einem negativen Realzins von 3 Prozent anlegt (d.h. die Preissteigerung ist um 3 Prozent höher als die Rendite auf der Anlage) hat auf seinem Vermögen  - gleich ob Sparbuch, Obligationen, Aktien oder Immobilien - noch einen Gegenwert von 7‘441 CHF in den Büchern.