Der Preis für CO2-Zertifikate ist in den letzten fünf Jahren um über 400 Prozent angestiegen - mehr als eine Verfünffachung. Was auf den ersten Blick nach einer Übertreibung aussieht, ist auf lange Sicht ein fundamentaler Trend. Auch in den nächsten Jahren wird eine Verknappung des Angebots an Zertifikaten den Preis wohl weiter in die Höhe treiben.
Ein CO2-Zertifikat ist auf der einen Seite die Berechtigung für die Produktion einer Tonne CO2 in einem bestimmten Zeitraum. Eine geringere CO2-Produktion ist für Unternehmen also wirtschaftlich gesehen vorteilhafter. Auf der anderen Seite sind CO2-Zertifikate die Wertpapiere, welche die Preisentwicklung solcher Emissionsrechte nachbilden. Gleichzeitig hat die EU eine Obergrenze für die Gesamtmenge von Treibhausgasen festgelegt, die die Verursacher wie Energieerzeuger oder Industriebetriebe maximal freisetzen dürfen. Dieser Deckel wird nach und nach gesenkt, um die zulässigen Gesamtemissionen bis 2050 auf null zu reduzieren.
Anleger haben aber nicht nur Chancen auf attraktive Renditen, sondern können sich auch über die positive Wirkung auf die Transformation zu einer klimaneutralen Zukunft und die gute Diversifikation für das Portfolio freuen: "CO2 -Zertifikate können wegen ihrer geringen Korrelation zu Aktien und Anleihen ein Portfolio ähnlich gut stabilisieren wie Gold", schreibt die Bank Bantleon in einem Bericht.
EU will höhere Preise
Im Hintergrund treibt die Europäische Union (EU) diese Entwicklung voran: Erst im Dezember hat man sich in Brüssel auf eine umfassende Reform des Emissionshandels geeinigt: Das Ziel der EU ist eine 62-prozentige Senkung des CO2-Ausstosses in betroffenen Sektoren bis 2030. Und im Jahr 2040 soll erstmalig in der Geschichte sogar eine komplette Reduktion der Emissionen - Net Zero - erreicht werden.
Dabei laufen kostenlose Zuteilungen von CO2-Zertifikaten bis 2034 schrittweise aus. Der neue CO2-Grenzausgleich - Carbon Border Adjustment Mechanism, CBAM - wirkt wie eine zusätzliche Steuer für aus dem EU-Ausland importierte Produkte und erhöht dadurch deren Kosten. Sie gilt als eine wichtige Säule der Politik zur Sicherung der Wettbewerbsfähigkeit Europas.
Der klimapolitische Masterplan der EU hat jedoch im Kern das Ziel, den Ausstoss von CO2 schnellstmöglich finanziell unattraktiv zu machen. Deshalb müssen die Kosten für den Ausstoss von CO2 weiter steigen. Die Zahl der sich im Umlauf befindenden Zertifikate wird nun jährlich um 4,4 Prozent reduziert werden, anstatt wie bisher um 2,2 Prozent. Die Angebotsreduzierung treibt die Kosten für den Ausstoss von CO2 automatisch nach oben.
Obwohl der Preis von CO2-Zertifikaten von vielen verschiedenen Faktoren wie politischen Entscheidungen, wirtschaftlichen Rahmenbedingungen und technologischen Entwicklungen abhängt, dürfte er daher weiter steigen. Das Research-Unternehmen BloombergNEF rechnet für das Jahr 2030 mit Preisen, die um 60 Prozent über den jüngsten Höchstständen liegen. Im Umkehrschluss werden besonders Unternehmen aus Branchen mit hohen CO2-Emissionen, die keine klare Dekarbonisierungsstrategie haben, auch finanziell noch schneller unter Druck kommen.
Tracker-Zertifikate für Privatanleger
Die CO2-Zertifikate der Europäischen Union (so genannte EU Allowance, kurz EUA) werden direkt vor allem von Industrie- und Versorgerbetrieben sowie spezialisierten Händlern gehandelt. Privatanleger haben hingegen keinen Zugang zu diesem Primärmarkt. Professionelle Investoren können auch über Futures investieren, welche an Börsen wie der ICE in London fortlaufend gehandelt werden. Aufgrund der Komplexität sowie zu stellender Sicherungsleistungen - Margin - ist der Zugang zu diesem derivativen Sekundärmarkt allerdings institutionellen Anlegern vorbehalten.
Anlegerinnen und Anleger können trotzdem von den gegebenen Chancen profitieren. Dafür bieten sich Tracker-Zertifikate an, welche die Entwicklung des zugrunde liegenden Zertifikats 1:1 nachzeichnen. Für den europäischen CO2-Preis gibt es diese Zertifikate beispielsweise von der UBS, der Société Générale, der HypoVereinsbank oder Leonteq. Bei solchen strukturierten Anlageprodukten sollte dem Anleger allerdings bewusst sein, auf welche Risiken - Stichwort Emittentenrisiko - er sich einlässt.
CO2-Zertifikate werden auch als "grünes Gold" bezeichnet: So beträgt die Korrelation mit dem Aktienindex MSCI World lediglich 0,3 und mit 10-jährigen US-Staatsanleihen sogar nur 0,1. Solch niedrige Werte kennt man sonst nur von Gold, was die Qualität der Anlage als Diversifikator widerspiegelt. "Die Chancen von CO2-Zertifikaten auf eine Rolle als grünes Gold dürften in dieser Dekade daher mehr als eine Fata Morgana sein", schreibt auch Bantleon. Während aber Gold im Abbau den Klimawandel tendenziell anheizt, ist die Wirkung von CO2-Zertifikaten auf die Dekarbonisierung der Weltwirtschaft positiv.
Natur als Alternative
Gwen Busby, Head of Research & Strategy beim US-Vermögensverwalter Nuveen, nennt gegenüber cash.ch eine weitere Möglichkeit, wie Anlegerinnen und Anleger vom CO2-Handel profitieren können: "Die Entwicklung der Märkte für Emissionsgutschriften hat einen Mechanismus geschaffen, mit dem Investoren in landbasierte Vermögenswerte den CO2-Vorteil von Investitionen in Holzwirtschaft und Ackerland realisieren können."
Naturbasierte CO2-Zertifikate können durch Veränderungen in der Bewirtschaftung von Landfläche generiert werden, welche die Treibhausgasemissionen reduzieren oder CO2 aus der Atmosphäre binden. Um den Klimanutzen dieser Veränderungen zu quantifizieren, gibt es festgelegte Anrechnungsstandards und Mechanismen für die Überwachung, Berichterstattung und unabhängige Überprüfung. "CO2-Gutschriften aus der Natur sind die wichtigste Quelle für Gutschriften sowohl in freiwilligen als auch in regulierten Marktsystemen. Sie stellen für Investoren die grösste Chance dar, sich an den Kreditmärkten zu engagieren", sagt Busby.
Der Ansatz von Nuveen Natural Capital (NNC) für Investitionen in naturbasierte Klimalösungen konzentriert sich beispielsweise auf Investitionen in nachhaltiges Forst- und Ackerland mit eingebettetem Schutz-, Wiederherstellungs- und/oder Verbesserungsmanagement, um verifizierte Kohlenstoffgutschriften zu erzeugen. Diese landbasierten Investitionen haben das Potenzial, neben dem Verkauf von Emissionsgutschriften auch eine positive finanzielle Rendite aus dem Verkauf von Holz und landwirtschaftlichen Nutzpflanzen zu erzielen.