Händler sprechen von einem insgesamt ruhigen Geschäft: Vor der voraussichtlich ersten Zinserhöhung der Europäischen Zentralbank (EZB) seit mehr als einem Jahrzehnt, die am frühen Nachmittag kommuniziert werden sollte, hielten sich die Investoren mehrheitlich zurück. Eine Erhöhung um 0,25 Prozentpunkte gilt als ausgemacht, allerdings sei wegen der hohen Inflation auch ein deutlicherer Schritt um einen halben Prozentpunkt nicht ausgeschlossen.
Erleichtert zeigen sich die Marktteilnehmer derweil vorerst einmal beim Thema Gas. Nach der Wartung von Nord Stream 1 ist am Donnerstagmorgen offenbar wieder Gas aus Russland geliefert worden. "Die Wiederaufnahme der Gaslieferung lässt die Börsianer aufatmen", meinte denn auch ein Händler dazu. Dass die italienische Regierung von Mario Draghi endgültig auseinandergebrochen ist, führt zumindest bis jetzt noch zu keinen Verwerfungen. Hierzulande müssen die Anleger zudem eine Vielzahl von Unternehmensnews verdauen. So haben etwa die beiden SMI-Konzerne Roche und ABB neben den Semesterzahlen noch weitere wichtige Nachrichten veröffentlicht.
Der SMI notiert um 11 Uhr 0,05 Prozent höher bei 11'065,46 Punkten, das bisherige Tagestief liegt bei 11'002 Punkten. Der 30 Titel umfassende SLI, bei dem die grössten Titel nicht mit dem ganzen Gewicht gerechnet werden, gewinnt derweil 0,15 Prozent auf 1705,39 Zähler und der breite SPI 0,07 Prozent auf 14'272,67 Zähler. Von den 30 Blue Chips legen 15 zu und 15 stehen im Minus.
Bei den schwächeren Blue Chips sind weiterhin Roche GS (-0,8 Prozent), auch wenn die Abgaben mittlerweile deutlich kleiner geworden sind. Der Pharmakonzern hat mit seinen vorbörslich präsentierten Halbjahreszahlen die Erwartungen zwar übertroffen, allerdings war das Papier in den letzten Wochen gut gelaufen. Analysten sprechen von guten Zahlen. Für mehr Aufsehen dürfte aber ohnehin die Meldung sorgen, dass CEO Severin Schwan im März 2023 seinen Posten an den heutigen Diagnostik-Chef Thomas Schinecker übergeben wird und als Nachfolger von Christoph Franz für den Posten des Verwaltungsratspräsidenten vorgesehen ist.
Weiter freundlich präsentieren sich derweil ABB (+0,8 Prozent). Der Technologiekonzern hat mit seinen Halbjahreszahlen vor allem bei der Marge klar über den Erwartungen abgeschlossen. Insgesamt sei das Ergebnis sehr solide, meinte denn auch ein Händler. Zudem zieht sich ABB komplett aus Russland zurück, wie der Konzern weiter mitteilte. Und nicht zuletzt wurde am Vorabend bekannt, dass die Turbo-Charging-Tochter Accelleron bald von ABB abgespalten und dann Anfang Oktober an der Schweizer Börse SIX kotiert werden soll.
Mit Givaudan (-1,5 Prozent) hat noch ein dritter SMI-Konzern seine Semesterzahlen präsentiert. Der Genfer Aromen- und Riechstoff-Hersteller hat zwar den Umsatz deutlich gesteigert, aber wegen Preissteigerungen bei den Rohstoffen einen Margenrückgang hinnehmen müssen. Dies war im Markt allerdings bekannt. Einige Analysten stellten allerdings die Nachhaltigkeit des Wachstums in Frage.
Grösste Gewinner bei den übrigen Werten sind vor allem Titel aus dem Gesundheitsbereich wie Sonova (+2,9 Prozent), Alcon (+2,1 Prozent), Straumann (+1,6 Prozent) oder Lonza (+1,1 Prozent). Im Handel ist vor allem von anhaltenden Schnäppchenjägern die Rede, welche bei den zuvor stark gesunkenen Werten weiter zugreifen würden. Gewisse der Titel hatten im ersten Halbjahr mehr als die Hälfte ihres Wertes eingebüsst, haben sich aber seither zum Teil recht gut erholt.
Gesucht sind ausserdem einige Industrietitel wie Kühne+Nagel (+2,0 Prozent) oder SGS (+1,1 Prozent). Letztere erholen sich damit weiter von ihren Abgaben nach Halbjahreszahlen am Dienstag. Grösste Verlierer neben den bereits genannten sind CS (-2,2 Prozent) und Holcim (-1,6 Prozent).
Im breiten Markt haben diverse Unternehmen ihre Semesterzahlen veröffentlicht, so etwa Bossard (+5,6 Prozent), Bystronic (-10,5 Prozent), Cembra (-4,3 Prozent), CPH (+1,4 Prozent), Dormakaba (-1,0 Prozent), EFG (-1,4 Prozent), Leonteq (-5,9 Prozent) und Medmix (+3,3 Prozent). Addex (+19 Prozent) hat vermeldet, dass die liquiden Mittel für den Weiterbetrieb bis Ende Jahr reichen werden.
(AWP)