Draghis Regierung bleibe noch für die laufenden Geschäfte im Amt, entschied Staatschef Sergio Mattarella am Donnerstag, nachdem er den Rücktritt des 74-Jährigen annahm. Draghi hatte seinen Schritt am Morgen in der Abgeordnetenkammer angekündigt. "Ich begebe mich zum Präsidenten der Republik, um ihm meine Entscheidung mitzuteilen", sagte der frühere Chef der Europäischen Zentralbank. Viele Parlamentarier applaudierten Draghi. "Danke für die ganze Arbeit, die in dieser Zeit gemacht wurde", entgegnete der parteilose Banker.

Draghi hatte die Abstimmung am Mittwochabend zwar gewonnen, aber nicht mit der von ihm geforderten breiten Parlamentsmehrheit. Ein Rücktritt war für ihn deshalb unausweichlich.

Alles hängt vom Präsidenten ab

Alles hängt nun an Präsident Mattarella. Mitten in der Dürre-Krise, den Ängsten um die Energie-Versorgung, der Last durch die Inflation und Verunsicherung durch den Ukraine-Krieg, muss er zum Wohle Italiens entscheiden, wie es weitergeht. Die Wahrscheinlichkeit, dass er die Parlamentskammern auflöst und damit eine vorgezogene Wahl einläutet, scheint hoch - schon allein, weil er zu diesem Thema für den späten Donnerstagnachmittag die Parlamentspräsidenten Maria Elisabetta Casellati (Senat) und Roberto Fico (Abgeordnetenkammer) einberief.

Ein Wahltermin könnte auf September oder Anfang Oktober fallen. Bis dahin ist abzuwarten, ob Italien politisch gelähmt bleibt oder anstehende Reformen umsetzen kann, die es für die Zahlung wichtiger EU-Hilfsgelder braucht. Laut Umfragen hätten derzeit die rechtsextremen Fratelli d'Italia die Nase vorn und könnten mit Lega und Forza Italia womöglich eine Regierung bilden. Brüssel dürfte ein solcher Ausgang Kopfschmerzen bereiten.

Märkte reagieren verunsichert

An den Märkten machte sich Verunsicherung breit. Die Regierungskrise in dem hoch verschuldeten Land lastete am Donnerstag auf der Börse in Mailand, die bis zum Nachmittag im Minus blieb. Der Risikoaufschlag für zehnjährige italienische Staatsanleihen im Verhältnis zu deutschen Staatsanleihen schoss nach oben. Die Befürchtung ist auch, dass die Krise in der drittgrössten EU-Volkswirtschaft dem Euro gefährlich werden könnte. Problematisch dürfte auch die Planung und Verabschiedung des kommenden Haushalts werden, sollte eine neue Regierung etwa erst im November arbeiten könnten.

Draghis Rücktritt war das Ende eines einwöchigen Polit-Pokers um die Fortsetzung seiner Regierung. Am Donnerstag vergangener Woche hatte die mitregierende Fünf-Sterne-Bewegung für einen Eklat gesorgt, als ihre Vertreter im Senat Draghi über ein Hilfspaket, das den Bau einer von ihnen abgelehnten Müllverbrennungsanlage in Rom einschloss, nicht das Vertrauen aussprachen. Der gebürtige Römer zog sofort seine Konsequenzen und bot seinen Rücktritt an, den Präsident Mattarella zu diesem Zeitpunkt aber noch nicht annahm.

Seitdem stritten sich vor allem die linkspopulistischen Fünf Sterne und die rechtspopulistische Lega um den Fortbestand der Regierung. Bürger, Verbände und Unternehmensvertreter forderten Draghi auf, weiterzumachen. Auch aus dem Ausland bekam er Zuspruch. Am Mittwoch folgte dann der nächste Höhepunkt der politischen Achterbahnfahrt, als die Regierungsparteien Lega, Forza Italia von Silvio Berlusconi und erneut die Fünf Sterne nicht am Vertrauensvotum im Senat teilnahmen.

Gegenseitige Schuldzuweisungen

Die zerstrittenen Parteien schoben sich am Donnerstag gegenseitig die Schuld zu. Erste Politiker wechselten oder verliessen ihre Parteien. Die Protagonisten dieser Krise seien dieses Mal Sterne-Chef Giuseppe Conte und Lega-Parteisekretär Matteo Salvini gewesen, befand Aussenminister Luigi Di Maio, der sich unlängst mit seinen Anhängern von den Fünf Sternen abspaltete. "Schluss mit dem Wahnsinn der Fünf-Sterne-Bewegung und den Machtspielchen der Sozialdemokraten", polterte dagegen Salvini.

"Diese Krise haben wir nicht ausgelöst", erklärte Fünf-Sterne-Jugendministerin Fabiana Dadone. Ex-Ministerpräsident Matteo Renzi von der kleinen Mitte-Links-Partei Italia Viva twitterte: "Wir wollten Mario Draghi und haben ihn unterstützt. Conte, Salvini und Berlusconi haben ihn dagegen nach Hause geschickt."

(AWP)