Sehr optimistisch zeigen sich derzeit die Konjunkturforschungsstelle der ETH (KOF) und das Staatssekretariat für Wirtschaft (SECO). Beide erwarten für nächstes Jahr ein BIP-Wachstum von über 2%. Eine Verdoppelung des Wachstumstempos in den kommenden Quartalen wäre wahrlich eine gute Nachricht. Doch wie realistisch ist diese Erwartung?
Eine unabdingbare Voraussetzung zu einem beschleunigten Wachstumstempo in der Schweiz ist die Erholung der Weltwirtschaft. Und tatsächlich gibt es Anzeichen dafür, dass die private Konsum- und Investitionstätigkeit in den meisten Regionen im ersten Quartal 2013 Fahrt aufgenommen hat. Beleg dafür ist der vielerorts beobachtete Anstieg der Einkaufsmanagerindizes über die ersten drei Monate 2013 im Vergleich zum Schlussquartal 2012.
Es bleibt aber die Frage, in welchem Umfang die Schweizer Exportwirtschaft in diesem Konjunkturzyklus von einem solchen Aufschwung profitieren wird. Wir sind hier nicht ganz so optimistisch: In Europa sind vorderhand wenig Exportchancen auszumachen. Da und dort könnten kompetitive Konkurrenten das Leben unserer Exporteure künftig sogar erschweren. Durch die erhebliche Senkung der Lohnstückkosten seit 2010 ist die Peripherie Europas nämlich inzwischen darangegangen, an Wettbewerbsfähigkeit zurückzugewinnen.
Auch von der anziehenden Dynamik in der US-Wirtschaft wird wenig in den Auftragsbüchern von Schweizer Firmen ankommen: Der Aufschwung in den USA ist stark binnenwirtschaftlich geprägt und wesentlich auf das zweistellige Wachstum der privaten Wohnbauinvestitionen zurückzuführen. Und das Potenzial für die Schweizer Exportwirtschaft wird neuerdings auch durch Entwicklungen in einer dritten geographischen Region limitiert: Mit der Abwertungspolitik der neuen Verantwortlichen in Japans Regierung und Notenbank kommen nicht-japanische Technologie- und Chemiehersteller unter grossen Druck. Ein Beispiel unter vielen: Schweizer Zulieferer zu Deutschlands Automobilsektor werden sich aufgrund der japanischen Währungsmanipulation auf harte Preisverhandlungen einstellen müssen.
Wenn unter diesen externen Vorzeichen das Bruttoinlandsprodukt der Schweiz, wie durch die KOF und das SECO erwartet, um über 2% wachsen soll, bleibt als mögliche Quelle noch eine Beschleunigung der Binnennachfrage. Doch auch hier sind aber Zweifel angebracht: Weil die Schweiz ab 2010 relativ unbeschadet durch die Wirren der Europäischen Schuldenkrise gekommen ist, hat sich hierzulande kein Nachholbedarf bei den Konsumausgaben der privaten Haushalte angestaut. Der Konsum bildet mit Abstand die grösste Komponente des Bruttoinlandsprodukt. Es ist deshalb besonders wichtig, die Motoren der Konsumausgaben zu verstehen.
Zwei bedeutende Impulse, welche in den vergangenen Jahren die Konsumausgaben hierzulande anstiessen, dürften in naher Zukunft geringer ausfallen. Bei der Zuwanderung ist von einem verlangsamten Tempo auszugehen. Und die Hypothekarzinsen werden in den nächsten Quartalen nicht noch einmal so stark fallen, wie zwischen 2008 und 2012.
Zur Verdeutlichung: Gesamthaft resultierte aus den sinkenden Hypothekarzinsen eine Entlastung der Hausbesitzer beim Schuldendienst in der Grösse von rund 0.5% des Bruttoinlandsprodukt. Ohne Zweifel floss ein Teil dieser Entlastung in der jüngeren Vergangenheit in den Konsum. Wohl dürften die Zinsen auf absehbare Zeit tief bleiben, in der Diskussion um künftige Wachstumsimpulse bräuchte aber eine Wiederholung des Stimulus aus der jüngeren Vergangenheit.
Unsere vorsichtige Einschätzung zu den Konsumausgaben in der Schweiz wird ferner auch durch die Erwartungen zur Entwicklung am Arbeitsmarkt gestützt. Verfügbare Indikatoren mit Vorlaufcharakter, wie beispielsweise die Anzahl als offen gemeldeter Stellen, lassen auf einen Anstieg der Arbeitslosigkeit auf zwischen 3.5% und 4% bis Mitte 2014 schliessen.
Beobachtungen aus der Realwirtschaft bestätigen unsere Überlegungen, dass neben der Exportwirtschaft auch der Konsum nicht für eine Verdoppelung des Wachstumstempos in der Schweiz sorgen wird: Im Vergleich zum Vorquartal gingen die Autoverkäufe über das erste Quartal 2013 um 4% zurück. Saisonbereinigte Zahlen zeigen ferner, dass trotz hervorragender Schneeverhältnisse die Übernachtungen von inländischen Gästen in Schweizer Hotels im ersten Quartal leicht rückläufig waren.
Zwar zeigen die Einkaufsmanagerindizes an, dass die Weltwirtschaft etwas an Schwung zuzulegen scheint. Dieser Aufschwung ist aber nicht mit früheren konjunkturellen Erholungsphasen zu vergleichen. Der Schweizer Wirtschaft werden durch ihn vergleichsweise wenig stimulierende Impulse verliehen. Wir sind deshalb weniger optimistisch: Die Prognose von Swiss Life Asset Managers zum BIP-Wachstum liegt deshalb nur bei 1.2% im laufenden Jahr und 1.3% für 2014.