Zentralbanken sind Mandaten verpflichtet. Sie gestalten die Geldpolitik, um die eigenen wirtschaftlichen Interessen zu verfolgen. Wie sind in diesem Zusammenhang Vorschläge nach globaler geldpolitischer Koordination zu werten? Der Präsident der indischen Zentralbank, Raghuram Rajan, appellierte unlängst an die führenden Zentralbanken, eine Geldpolitik zu betreiben, welche den globalen Kontext einfliessen lässt und durch aktive Koordination die Bedürfnisse der Schwellenländer berücksichtigt. Grundsätzlich ergibt Koordination viel Sinn, vor allem, wenn damit zu rechnen ist, dass bestehende Ungleichgewichte in wichtigen Wirtschaftsräumen durch Rückkoppelung in absehbarer Zeit die eigenen geldpolitischen Rahmenbedingungen (negativ) beeinflussen.
Doch wie hoch ist die Koordinationsbereitschaft, wenn's um handfeste Interessenskonflikte geht wie etwa um die Währungspolitik? Wenn die Abwertung einer fremden Währung eins zu eins eine Aufwertung der eigenen Währung bedeutet?
Als der brasilianische Finanzminister Guido Mantega 2010 den Begriff des Währungskrieges prägte, herrschte global eine äussert lockere Geldpolitik. Regierungen und Zentralbanken versuchten, durch Manipulationen und die glaubwürdige Aussicht auf weitere Lockerungen die eigene Währung zu schwächen, um mehr exportieren zu können. Die Sorge der Schwellenländer heute ist eine andere: Schwellenländer mit Leistungsbilanz-Defizit fürchten um ihren Zugang zu Kapital zu einem Zeitpunkt, in welchem die Fed durch die Drosselung der Anleihen-Käufe den Fuss vom Gaspedal nimmt und die vormals sehr lockere Geldpolitik normalisiert. Wäre heute der richtige Zeitpunkt für die europäische Zentralbank EZB, ihre eigene Geldpolitik zu lockern? Soll die EZB den Wechselkurs beeinflussen? Hat sie einen Anreiz, den Euro gegenüber dem US Dollar zu schwächen?
Will die EZB einen schwächeren Euro?
Mario Draghi hat sich seit seiner berühmten Londoner Rede ("do whatever it takes to preserve the euro") mit bewundernswertem Geschick auf dem schmalen Grat des Erfolgs bewegt. Am 13. März 2014 nahm er in Wien den Schumpeter-Preis der österreichischen Nationalbank entgegen und äusserte sich unter anderem auch zu währungspolitischen Fragen.
Seit seinem Amtsantritt wurde Draghi immer wieder gefragt, ob die EZB den Euro für überbewertet halte. Stets antwortet Draghi nach dem Muster, die EZB sei lediglich dem Mandat der Preisstabilität verpflichtet und betreibe keine aktive Währungspolitik.
Weshalb thematisiert Draghi nun den Wechselkurs? Warum ist der Aussenwert des Euros für die EZB jetzt wichtig und früher nicht?
Eine Stärkung des Wechselkurses verstärkt den Deflationsdruck in der Eurozone, weil die Importe immer günstiger werden. Besonders betroffen sind die Krisenstaaten, welche Kosten, Löhne und Preise senken müssen, um dadurch wettbewerbsfähiger zu werden. Die Logik der Währungsunion ist bekannt: Länder mit Aufholbedarf müssen einen geringeren Preisanstieg aufweisen als Kernländer wie Deutschland. Nur dann können sie wettbewerbsfähiger werden. Da aber Deutschland derzeit auch nur Inflationsraten von anderthalb Prozent verzeichnet, treibt die zu tiefe Inflation in der gesamten Eurozone einige Länder in Deflationsnähe. Besonders beunruhigend ist, dass Deflation den Prozess des Schuldenabbaus erschwert und Nationen mit grossem Schuldenüberhang des öffentlichen und privaten Sektors noch Jahre in Stagnation verharren könnten.
Rolle der Geldpolitik
Draghi bekräftige ausdrücklich seine Forward Guidance, der zufolge die EZB-Leitzinsen für längere Zeit auf dem aktuellen oder einem niedrigeren Niveau belassen werden. Die Absicht, einen akkommodierenden geldpolitischen Kurs so lange wie nötig beizubehalten, leitet sich von den mittelfristig gedämpften Inflationsaussichten ab. Die Forward Guidance hat in den Augen Draghis auch einen weiteren Effekt: Wenn sich die gegenwärtige konjunkturelle Belebung im Einklang mit den EZB-Projektionen entwickle, so werde die erhebliche Unterauslastung der Wirtschaft allmählich aufgefangen, und die Inflation werde schrittweise auf ein Niveau steigen, das näher an 2% liegt. Somit führe die Forward Guidance zu einer De-facto-Lockerung des geldpolitischen Kurses, da die Realzinsen über den Projektionszeitraum hinweg fallen dürften (Nominalzinsen bleiben tief, Inflation steigt => Realzinsen sinken).
Warum sind tiefere Realzinsen für Europa so wichtig? Während sich im Zuge der Sanierung des Bankensektors das Kreditangebot verbessern sollte, würden sinkende Realzinsen die Kreditnachfrage stützen, indem die Unternehmen mehr investierten. Eine positive Spirale aus höheren Ausgaben, höherem Wachstum und höherer Inflation käme in Schwung.
Ein wichtiger Faktor für die Entwicklung des Wechselkurses sind die Erwartungen, wie sich die Abstände der Realzinsen entwickeln werden. Mario Draghi erwartet, dass sich die Abstände zwischen den Realzinsen im Euroraum und jenen der übrigen Welt voraussichtlich verringern. Sollte das zutreffen, dürfte ceteris paribus der Euro unter Abwärtsdruck geraten und die EZB hätte eine Sorge weniger. In den vergangenen anderthalb Jahren war dem nicht so: der stakte Euro drückte die Inflationsrate nach unten.
Tatsächlich ist die Inflationsrate ohne Energie und Nahrungsmittel von 0,7% im Dezember auf 0,8% im Januar und 1,0% im Februar leicht angestiegen. Je länger die Inflation jedoch niedrig bleibt, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit, dass unerwünschte Nebenwirkungen entstehen. Deshalb hat die EZB zusätzliche geldpolitische Sondermaßnahmen entwickelt, um diesem Eventualfall vorzubeugen, und deshalb ist sie auch bereit, bei Bedarf zu handeln. Aktuell scheinen die mittel- bis längerfristigen Inflationserwartungen auf einem Niveau verankert zu sein, das mit dem Ziel im Einklang steht, die Teuerungsrate unter, aber nahe 2% zu halten. Die Worte Draghis "Jeglichem wesentlichen Risiko, dass die Inflationserwartungen ihre Verankerung verlieren, werden wir mit zusätzlichen konventionellen geldpolitischen Maßnahmen wie auch mit Sondermaßnahmen entgegenwirken. Darüber hinaus gewinnt die Stärkung des Wechselkurses unter den Faktoren, die wir bei der Bewertung der Aussichten für die Preisstabilität heranziehen, immer mehr an Bedeutung" bedeuten im Klartext: Die EZB würde einem Höhenflug des Euros nicht tatenlos zusehen. Das ist gut so!
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