Wir stellen vier Börsengurus vor und zeigen, welche Themen ihnen gerade unter den Nägeln brennen.

Lebende Legenden gibt es in den unterschiedlichsten Lebensbereichen. Im Sport zählt ohne Zweifel Roger Federer zu dieser Spezies. Anfang des Jahres gewann der Basler Tennisprofi bei den Australian Open seinen 18. Grand Slam-Titel. In der Musikwelt trägt Bruce Springsteen den Legendenstatus. Seit den Siebzigerjahren rockt der US-Amerikaner mit Hits wie »Born in the U.S.A.« oder »Glory Days« die Charts und füllt mit seiner E-Street-Bank die Stadien. Während neben 20 Grammys auch ein Oscar Springsteens Regale schmückt, gewann Meryl Streep den wichtigsten Filmpreis der Welt bereits dreimal. Um ein Haar hätte sie bei der diesjährigen Verleihung eine weitere Trophäe mit nach Hause nehmen dürfen. Doch 28 Jahre, nachdem Streep für ihre Rolle in »Kramer gegen Kramer« ausgezeichnet wurde, gewann Emma Stone den Oscar in der Rubrik »Beste weibliche Hauptrolle.« Die unvergleichliche Karriere der 67-Jährigen schmälert das in keiner Weise.

Nicht nur in Sport, Musik und Film gib es lebende Legenden. Auch an den Kapitalmärkten ragen Akteure heraus, zu denen Anleger rund um den Globus ehrfürchtig aufblicken. Die Börsen-Community achtet penibel darauf, wie sich die prominenten Investoren äussern respektive welche Assets sie in ihre Portfolios legen. Das Ziel ist klar: Indem sie Strategien und Trades der »Gurus« nachahmen, möchten die »Jünger« selbst möglichst erfolgreich agieren und hohe Renditen einfahren. Wohl kaum eine Person zieht die Anleger dabei derart in ihren Bann wie Warren Buffett. Der 86-Jährige zählt zu den absoluten Superstars der Börse. Während seines Studiums an der New Yorker Columbia University lernte Buffett Benjamin Graham kennen. Im Jahr 1954 holte ihn der »Vater der Fundamentalanalyse« in sein Unternehmen, wo sich Buffett intensiv mit dem Value-Ansatz auseinandersetzte – ein Anlagestil, dem er bis heute treu geblieben ist.

Eindrucksvolle Performance

Auf der Suche nach den aussichtsreichsten Titeln steht stets die Frage im Mittelpunkt, ob eine Aktie einen Abschlag gegenüber dem inneren Wert des Unternehmens zeigt. Darüber hinaus zielt die Value-Strategie auf Gesellschaften mit hohen Gewinnen und Dividendenrenditen ab. »Kaufe nur, was du verstehst«, lautet eine berühmte Devise des Meisters. Will heissen: Buffett konzentriert sich auf Unternehmen, deren Geschäftsmodelle er durchschaut. Passend zu diesem Credo zählen der Brausekonzern Coca-Cola, die Fluggesellschaft Southwest Airlines oder der Ketchup-Hersteller Kraft Heinz zu den Favoriten. Diese und weitere Anlagen hält Buffett in seiner Beteiligungsgesellschaft Berkshire Hathaway. Ein Blick auf die Performance des börsenkotierten Unternehmens führt die überragenden Fähigkeiten des als »Orakel von Omaha« titulierten Value-Investors eindrucksvoll vor Augen. Von 1965 bis 2016 verteuerte sich die Aktie im Schnitt pro Jahr um mehr als ein Fünftel. Zum Vergleich: Für den US-Leitindex S&P 500 steht in diesem Zeitraum ein durchschnittlicher Total Return (inklusive Dividenden) von 9,7 Prozent p.a. zu Buche.

Zu Buffett jüngsten Coups zählt Apple. Vor gut einem Jahr, als an der Wall Street grosse Zweifel am Wachstumsmodell des Computerkonzerns vorherrschten, schlug er zu. Per Ende 2016 hielt Berkshire Hathaway bereits 1,1 Prozent an dem gemessen am Börsenwert grössten Unternehmen der Welt. Obwohl der Apple-Aktienkurs auf Sicht von zwölf Monaten knapp ein Drittel im Plus notiert, kaufte die Holding weiter zu. Mittlerweile ist die Position mehr als 18 Milliarden US-Dollar schwer. Vor allem das iPhone hat es Buffett offenbar angetan. In einem Interview mit dem TV-Sender CNBC bezeichnete er das Smartphone als »enorm nutzvoll« und hob gleichzeitig die starke Bindung der Konsumenten hervor. In diesem Gespräch kam die Frage auf, ob Apple oder Berkshire Hathaway als erstes Unternehmen überhaupt beim Börsenwert die Schallmauer von 1 Billion US-Dollar erreichen werde. Buffetts Antwort: »Ich würde auf Apple wetten.« Allein wegen solcher Aussagen, die klar, nachvollziehbar und überdies smart sind, lohnt es sich für Börsianer, die Auftritte des Altmeisters zu verfolgen.

Einmal um die ganze Welt

Gleiches gilt für Vorträge und Interviews mit Jim Rogers. Der heute 74-Jährige stieg bereits in den Siebzigerjahren zur Wall Street-Legende auf. Damals verwaltete er zusammen mit George Soros, einem weiteren Investor mit Kultstatus, den Quantum Fund. Ihr Hedgefonds fuhr innerhalb von zehn Jahren eine Rendite von mehr als 4.200 Prozent ein. Nach diesem Erfolg zog sich Rogers aus dem aktiven Handelsgeschäft zurück und tauchte erst 1995 mit dem Buch »Investment Biker« wieder in der Öffentlichkeit auf. In diesem Bestseller beschreibt der Yale-Absolvent eine Weltreise per Motorrad. Um die Jahrtausendwende startete er in einem speziellen Auto einen weiteren Trip und bereiste 116 verschiedene Länder.

Nicht zuletzt dank seiner persönlichen Erlebnisse und Erfahrungen war es Jim Rogers, der frühzeitig auf die grossen Anlagechancen in den Emerging Markets hinwies. Darüber hinaus machte sich der Mann, dessen Markenzeichen eine modische Fliege ist, als Rohstoffspezialist einen Namen. Heute lebt der US-Amerikaner mit seiner Familie in Singapur. Sobald er sich vom Stadtstaat aus oder bei Aufenthalten in Europa oder den USA zu Wort meldet, horchen Anleger gespannt auf. Gebetsmühlenartig wiederholt Jim Rogers dann seine positive Einschätzung zu den Rohstoffmärkten. »Allein der wirtschaftliche Aufstieg der asiatischen Schwellenländer wird auf lange Sicht die Preise treiben«, sagte er Anfang des Jahres in einem Interview mit dem Magazin Börse Online. Gleichzeitig äussert er sich in der Finanzpublikation skeptisch zur allgemeinen Börseneuphorie: »Die Aktienmärkte sind in den vergangenen Jahren durch die expansive Geldpolitik der Notenbanken heiss gelaufen«.

Wertentwicklung Berkshire Hathaway A

Stand: März 2017; Quelle: Commerzbank

Skeptisches Szenario

Was den Ruf als »Contrarian« anbelangt, bewegt sich Rogers in einer Liga mit Marc Faber. Der in Zürich geborene Anlageprofi wurde mit seinen düsteren Prophezeiungen weltweit als »Dr. Doom« – zu deutsch »Dr. Untergang« – bekannt. Unter anderem hat er den Börsenabsturz des Jahres 1987 sowie die Asienkrise vorhergesagt. Nach dem Studium in seiner Heimatstadt zog es Faber in die weite Welt. Für White Weld & Company Limited arbeitete er in New York und Hongkong, wo er ab 1973 lebte. 1990 machte sich Faber als Anlageberater und Vermögensverwalter selbstständig.

Obwohl er immer wieder daneben lag, findet der Herausgeber des »The Gloom Boom & Doom Report« mit seiner meist skeptischen Haltung nach wie vor viel Gehör. Zuletzt warnte der 69-Jährige vor einer Korrektur an der Wall Street. Gegenüber CNBC bezeichnete Faber den US-Aktienmarkt als »sehr satt« und skizzierte drei Gründe für fallende Notierungen. Neben der Stärke des US-Dollars verwies er auf die US-Wirtschaft. Diese sei nicht so stark, wie viele glauben möchten. Als dritten Punkt nannte der Crash-Prophet die Politik des neuen Präsidenten Donald Trump. Sie würde die Staatsquote nicht reduzieren, sondern erhöhen. »Das ist aus meiner Sicht nicht Pro-Wachstum«, brachte Faber seine Meinung auf den Punkt. Allerdings sei die Trump-Administration nicht für sein bearisches Urteil verantwortlich. »Ein Mann alleine kann Amerika nicht wieder gross machen«, erklärt der charismatische Querkopf in Bezug auf den Trump-Slogan »Make America Great Again«. Dazu würde der Republikaner auf einen zu grossen Gegenwind treffen. Als Beispiel nannte Faber die – gemessen am Bruttoinlandsprodukt – gigantische Staatsverschuldung. Weitere Risiken für die Wall Street stellen aus seiner Sicht die steigenden Zinsen sowie Unternehmensgewinne und -margen auf Rekordniveau dar.

Milliardenschweres Portfolio

Marc Faber, Jim Rogers und vor allem Warren Buffett sind über das Börsenparkett hinaus sehr prominent. Dagegen gibt es eine jüngere Generation von Super-Investoren, die selbst unter Anlegern nur eine bedingte Bekanntheit geniessen. Irgendwo in der Mitte zwischen diesen beiden Gruppen bewegt sich David Herro. Der Partner, Deputy Chairman und Chief Investment Officer der US-Investmentgesellschaft Harris Associates verantwortet seit 1992 den Oakmark International Fund. Dieses mehr als 25 Milliarden US-Dollar schwere Portfolio stellt der Manager nach dem Value-Prinzip zusammen. »Nach dem Einstieg warten wir geduldig, bis sich die Lücke zwischen Aktienkurs und innerem Wert schliesst«, beschreibt Herro seinen Anlagestil. Der Erfolg gibt ihm Recht: Seit seiner Auflage fuhr der Fonds eine durchschnittliche jährliche Rendite von nahezu einem Zehntel ein und hängte damit den weltweiten Aktienmarkt deutlich ab.

Zuletzt tauchte Herro in den Schweizer Medien auf. In einem Interview mit der Finanz und Wirtschaft (FuW) rief er die Credit Suisse dazu auf, die laufenden IPO-Pläne zu überdenken. Bekanntlich möchte die Grossbank, an der Harris Associates über mehrere Fonds beteiligt ist, ihre Schweiz-Tochter mittels eines Initial Public Offerings zum Teil abstossen. Herro ist der Ansicht, dass die Credit Suisse bei der Neuausrichtung ihres Investmentbankings, dem Ausbau von Wachstumsbereichen sowie der Reduzierung von Altlasten grosse Fortschritte macht. »Das werden wir bald in Resultaten sehen, die nicht mehr durch Sondereffekte verzerrt sind«, sagte er der FuW. Sollte der Manager Recht bekommen und die CS-Aktie ihren jüngsten Erholungskurs fortsetzen, würde das nicht nur die Fondsperformance antreiben. Gleichzeitig könnte ein weiteres erfolgreiches Investment die Wahrscheinlichkeit erhöhen, dass auch aus David Herro noch zu Lebzeiten eine Börsenlegende wird.