Brüssel, London, Peking, Washington – in diesen vier Städten spielten sich 2019 die grossen geopolitischen Themen ab. Während die Europäische Union und Grossbritannien in den zwei erstgenannten Metropolen um die Organisation des Brexits rangen, fand in den beiden anderen die Diplomatie zum Handelsstreit zwischen China und den USA eine Bühne. Eigentlich sollte auf der Zielgeraden des Jahres mit Santiago eine weitere Megacity in den Fokus rücken. Doch Ende Oktober hat Chile die Ausrichtung der Weltklimakonferenz (COP25) wegen der Unruhen im Land abgesagt. Anfang November wurde von den Vereinten Nationen (UN) in einer Dringlichkeitssitzung beschlossen, dass die anstehende Klimakonferenz vom 2. bis 13. Dezember 2019 in Madrid stattfinden wird. Auf der Konferenz wird es darum gehen, die vor vier Jahren in Paris vereinbarten Ziele im Kampf gegen die Erderwärmung in die Tat umzusetzen. Im Dezember 2015 hatte sich die Staatengemeinschaft an der COP21 auf einen globalen Aktionsplan verständigt, der die Erderwärmung auf deutlich unter 2 Grad Celsius begrenzen soll.
17 Ziele für eine bessere Welt
Generell zeigten sich die UN zu dieser Zeit entscheidungsfreudig. Drei Monate vor der Pariser Konferenz waren in New York die Sustainable Development Goals (SDG) verabschiedet worden. Sie dienen der Sicherung einer nachhaltigen Entwicklung unter Einbeziehung ökonomischer, sozialer und ökologischer Gesichtspunkte. Die von den 193 Mitgliedern der UN im Konsens verabschiedeten Ziele beziehen nicht nur die Staaten selbst, sondern auch die Zivilgesellschaft sowie den Privatsektor mit ein. Neben dem Voranbringen des Wirtschaftswachstums, der Reduzierung von Disparitäten im Lebensstandard sowie der Schaffung von Chancengleichheit stehen die nachhaltige Nutzung der natürlichen Ressourcen und die Wahrung der Menschenrechte im Fokus.
Als 13. von insgesamt 17 Zielen wurde die »Climate Action« fixiert. Die UN machen keinen Hehl daraus, dass es sich dabei um die grösste und wichtigste Herausforderung handelt. »Dringende Massnahmen zur Eindämmung des Klimawandels und zur Bewältigung seiner Auswirkungen sind für das erfolgreiche Erreichen aller Nachhaltigkeitsziele von entscheidender Bedeutung«, erklärte die Organisation im Vorfeld der COP25. Auf der Weltklimakonferenz wird es vor allem darum gehen, den globalen Ausstoss der für die Erderwärmung verantwortlichen Treibhausgase zu bremsen. Zwischen der Jahrtausendwende und 2017 nahm er um annähernd die Hälfte zu. Immerhin: Das Wachstum der Emissionen von Kohlendioxid (CO2) hat sich in den vergangenen Jahren verlangsamt (siehe Grafik 1).
Grafik 1: Globale Treibhausgasemissionen
Stand: August 2019; Quelle: Statista
Nachhaltigkeit und Klimawandel – wenig überraschend machen diese Megathemen auch vor der Börse nicht Halt. Immer mehr Investoren ziehen sie in die Kapitalallokation mit ein. In diesem Zusammenhang fällt häufig das Kürzel ESG für Environmental (Umwelt), Social (Soziales) und Governance (gute Unternehmensführung). Das Akronym ist dabei, sich an den Kapitalmärkten als eigenes Qualitätssiegel zu etablieren. Spezialisierte Agenturen klopfen die Unternehmen dabei auf die objektive Einhaltung der genannten Kriterien ab. Zu den bekanntesten Dienstleistern dieser Art zählt MSCI ESG. Seit mehr als 40 Jahren widmet sich das Researchhaus dem Thema Nachhaltigkeit. Nach Angaben des Unternehmens nutzen weltweit mehr als 1.200 Investoren seine Expertise. Dazu zählen 46 der 50 führenden Asset Manager.
"ESG-Musterschüler" im Paket
Natürlich dient die Beachtung solcher Ratings nicht nur dem guten Gewissen. Für Anleger kommt es entscheidend darauf an, dass die nachhaltige Positionierung nicht zulasten der Performance geht. An dieser Stelle hilft die von MSCI lancierte Indexserie »ESG Leaders« weiter. Benchmarks mit diesem Label fokussieren sich auf Unternehmen, deren ESG-Rating im Vergleich zum jeweiligen Sektor besonders positiv ausfällt. Aus einem Screening für den globalen Aktienmarkt geht der MSCI All Countries World Index (ACWI) ESG Leaders hervor. Dieser Index hat im 5-Jahres-Vergleich gegenüber dem nach klassischem Muster gestrickten MSCI ACWI die Nase vorn (siehe Grafik 2).
Grafik 2: MSCI ACWI ESG Leaders versus MSCI ACWI (fünf Jahre)
Stand: Oktober 2019; Quelle: Thomson Reuters
Auch für die Schweiz berechnet MSCI einen Index mit den »ESG-Musterschülern«. Derzeit sind in dieser Benchmark 18 heimische Unternehmen enthalten. Damit schafft es die Hälfte der im MSCI Switzerland Index vertretenen Aktien in die Nachhaltigkeitsauswahl. Die Rolle des Schwergewichts nimmt Roche ein – der Pharmakonzern steuert mehr als ein Drittel zum MSCI Switzerland ESG Leaders Index bei (siehe Tabelle 1). MSCI hat diesen speziellen Gradmesser im August 2017 lanciert. Insofern basieren die längerfristigen Performance-Angaben auf einer Simulation. Gleichwohl kann sich die Entwicklung sehen lassen: Über einen Zeitraum von zehn Jahren zeigt das Backtesting eine jährliche Nettorendite von 9,6 Prozent. Damit erzielte der ESG-Index gegenüber der »normalen« Landesauswahl eine Outperformance von mehr als 200 Basispunkten p.a.
Tabelle 1: MSCI Switzerland ESG Leaders Index – Top-10-Positionen
Stand: September 2019; Quelle: MSCI
Zu den heimischen Konzernen mit einem besonders hohen ESG-Rating zählt ABB. Der Industriekonzern hat sich selbst für den Zeitraum 2014 bis 2020 neun Nachhaltigkeitsziele gesetzt. Wenig überraschend stehen dabei die eigenen Produkte und Dienstleistungen an vorderster Stelle. Gerade was den Klimaschutz anbelangt, ist ABB an mehreren wichtigen Stellschrauben positioniert. Dazu zählt die Elektromobilität genauso wie die Energieeffizienz oder der Bereich erneuerbare Energieträger. Im letztgenannten Segment ist das Zürcher Unternehmen beispielsweise mit den WindSTAR-Transformatoren aktiv. Sie sorgen bei grossen Offshore-Windparks für einen höheren Wirkungsgrad.
Windenergie auf dem Vormarsch
Auch wenn ABB an der Börse gerade eine sprichwörtliche Flaute durchlebt: Der Konzern mischt hier in einem Markt mit, der in der globalen Stromversorgung eine immer wichtigere Rolle einnimmt. 2018 standen rund um den Globus Windräder mit einer Kapazität von knapp 600 Gigawatt (GW). Innerhalb von fünf Jahren hatte sich die mögliche Strommenge damit um nahezu 90 Prozent ausgedehnt (siehe Grafik 3). Vor allem China setzt auf diesen Energieträger. 2018 entfiel mehr als ein Drittel der weltweiten Kapazität auf das Reich der Mitte. Obwohl Präsident Donald Trump nach wie vor wenig für den Klimaschutz übrig hat, nahmen die USA den zweiten Platz ein. Und auch auf dem alten Kontinent ist die Windkraft auf dem Vormarsch. Im vergangenen Jahr wurden europaweit Anlagen mit einer Leistung von knapp 12 Gigawatt zugebaut. Damit lag der Kontinent nur knapp hinter den Vereinigten Staaten.
Grafik 3: Weltweit installierte Windkraftkapazität
Stand: Juni 2019; Quelle: World Wind Energy Association
Bei der laufenden Energiewende nehmen die grossen Versorger eine entscheidende Rolle ein. An der Speerspitze steht Enel. Der italienische Konzern bezeichnet sich selbst als den weltweit führenden privaten Akteur auf dem Gebiet der erneuerbaren Energieträger. Allein bei der Windkraft verfügt das Unternehmen über eine installierte Kapazität von 43,4 Gigawatt. »Die Erneuerbaren sind die treibende Kraft des Wachstums«, schreibt das Management in einer aktuellen Investorenpräsentation. Im Zeitraum 2019 bis 2021 sollen die Kapazitäten um rund 11,6 Gigawatt ausgebaut werden. 70 Prozent dieser Erweiterungen planen die Italiener in der Windkraft. Den Rest soll annähernd vollständig die Sonne liefern. Ein regionaler Schwerpunkt liegt auf Nord- und Südamerika. Mehr als zwei Drittel der in der momentanen Phase geplanten Investitionen möchte der Konzern in dieser Region realisieren.
Die Italiener stellen ihr Tun in einen direkten Zusammenhang mit den SDG der UN. Dabei treten sie den Beweis an, dass nachhaltiges Handeln nicht im Widerspruch zu Wachstum und Gewinn stehen muss. Für das laufende Jahr strebt Enel ein Ergebnis je Aktie von 0,47 Euro an. Geht dieser Plan auf, hätte sich der Profit innerhalb von vier Jahren um 68 Prozent ausgedehnt. Bis 2021 soll der Gewinn noch einmal um annähernd ein Fünftel wachsen. An der Börse kommt die Strategie von CEO Francesco Starace gut an: Auf Sicht von zwölf Monaten steht für Enel ein Kursplus von 55 Prozent zu Buche (siehe Grafik 4).
Grafik 4: Wertentwicklung der Enel-Aktie (fünf Jahre)
Stand: 22. Oktober 2019; Quelle: Thomson Reuters
DAX-Konzern mit neuem Gesicht
Auf ein nahezu identisches Plus bringt es RWE. Der deutsche Versorger war lange Zeit auf Kohlekraftwerke sowie die Kernenergie fokussiert. Entsprechend hart traf das Unternehmen der Mitte 2011 in der Bundesrepublik beschlossene Atomausstieg. Doch die Nordrhein-Westfalen haben die Zeichen der Zeit erkannt und wandeln sich jetzt nach und nach zum reinen Ökostromanbieter. »2040 wird RWE zu 100 Prozent klimaneutral sein«, erklärte CEO Rolf Martin Schmitz vor kurzem. Dazu möchte er pro Jahr rund 1,5 Milliarden Euro in den Ausbau des Geschäfts mit erneuerbarer Energie und Speicher investieren. Zählt man das Engagement der Geschäftspartner hinzu, könnte diese Summe auf 2 bis 3 Milliarden Euro steigen. Neben dem alten Kontinent legt der Konzern einen strategischen Fokus auf die USA.
Einen wichtigen Fortschritt machte RWE auf dem Weg zur Klimaneutralität mit der Zerschlagung der Tochter Innogy. Im Zuge einer komplexen Transaktion gab das Unternehmen deren Vertriebs- und Netzgeschäft an den Rivalen E.ON ab. Gleichzeitig übernahm RWE dessen Ökostromgeschäft sowie das von Innogy. Darüber hinaus halten die Essener nun knapp 17 Prozent an E.ON. »Heute beginnt die Ära der neuen RWE«, kommentierte Rolf Martin Schmitz den Abschluss des Deals.
Auf dem Weg zur Metzgerei 2.0
Einen starken Wandel erlebt derzeit auch der Lebensmittelsektor. Viele Verbraucher stellen aus gesundheitlichen, ökologischen oder ethischen Gründen ihre Ernährung um. Mit dem Zustrom bei Veganern und Vegetariern wächst die Nachfrage nach pflanzlichen Alternativen. Das gilt sowohl für Milchprodukte als auch Fleisch. Beiden Segmenten prophezeien Experten ein rasantes Wachstum. So soll der Markt für Fleischersatzprodukte im Jahr 2040 mehr als 1 Billion US-Dollar gross sein. Damit würden die Umsätze mit vegan respektive im Labor (in vitro) produzierter Ware das Geschäft mit konventionellem Fleisch überholen (siehe Grafik 5).
Grafik 5: Erwarteter Umsatz mit Fleisch- und Fleischersatzprodukten
Prognostizierter Umsatz des Fleischmarkts mit Fleischersatzprodukten und Fleischalternativen weltweit:
Stand: Mai 2019; Quelle: Statista
Wenig überraschend trägt Nestlé dem skizzierten Trend Rechnung. Der weltgrösste Lebensmittelkonzern hat in mehreren Märkten pflanzenbasierte Fleischalternativen lanciert. In Europa tragen diese Produkte das Label »Garden Gourmet«. Unter dieser Marke verkauft Nestlé beispielsweise einen Burger oder veganes Hackfleisch. Obwohl rein pflanzlich hergestellt, sollen die Angebote dem »Original« in Aussehen und Geschmack möglichst nahe kommen. »Aktuell herrscht ein regelrechter Hype um vegane Produkte, die wie Fleisch aussehen und schmecken«, erklärt Hubert Stücke, Geschäftsführer von Garden Gourmet/Herta.
Technologiebörse im Burger-Fieber
Ein Blick an die Nasdaq gibt dem im Vorstand von Nestlé Deutschland sitzenden Manager recht. Anfang Mai debütierte Beyond Meat an der US-Technologiebörse. Das kalifornische Unternehmen stellt auf Erbsenproteinen basierende Fleischalternativen her – im Mittelpunkt der Produktpalette steht der Beyond Burger. Damit machte das Unternehmen schon vor dem Börsengang prominenten Investoren den Mund wässrig. Neben Microsoft-Mitgründer Bill Gates engagierte sich Hollywood-Star Leonardo DiCaprio in dem Start-up. Auch an der Nasdaq wird Beyond Meat heiss gehandelt: In den ersten drei Monaten nach der Notierungsaufnahme konnte sich die Aktie in Relation zum IPO-Preis annähernd verzehnfachen. Zwar hat der Neuling gegenüber dem Top deutlich korrigiert, dennoch übertrifft er seinen Ausgabepreis immer noch um mehr als den Faktor 4.
Operativ arbeitet das Unternehmen daran, das eigene Vertriebsnetz sukzessive auszubauen. Dabei läuft in Kanada gerade eine wichtige Testphase. Für einen Zeitraum von zwölf Wochen bietet McDonald’s in 28 Filialen der Region Ontario einen fleischlosen Burger von Beyond Meat an. Sollten die speziell für den Fastfood-Riesen konzipierten Patties den Geschmack der Kunden treffen, könnte sich für das Unternehmen eine wichtige Türe öffnen: Bis dato verkauft McDonald’s in den USA keine veganen Burger. Dagegen ist Beyond Meat bereits auf der Speisekarte anderer Schnellrestaurant-Ketten wie Tim Hortons, KFC oder Dunkin’ Donuts vertreten. In gewisser Weise sind die Kalifornier zum Wachstum verdammt, um eine trotz der Korrektur üppige Börsenbewertung zu rechtfertigen.
Wie auch immer: Beyond Meat dürfte auch in Zukunft für Aufsehen sorgen. Schliesslich haben Nachhaltigkeit im Allgemeinen und der Klimaschutz im Speziellen bei diesem Unternehmen Priorität. Damit sind die Kalifornier in einem Themenfeld positioniert, das Verbraucher und Investoren weit über die COP25 hinaus beschäftigen wird.
Anlageidee: Ausgewählte Hebelprodukte auf Aktien aus dem Nachhaltigkeits-Universum
Unlimited Turbo-Optionsscheine
Warrants
Faktor-Zertifikate
Stand: 30. Oktober 2019; Quelle: Commerzbank AG
Die Darstellung der genannten Produkte erfolgt lediglich in Kurzform. Die massgeblichen Produktinformationen stehen im Internet unter www.zertifikate.commerzbank.ch zur Verfügung.