Seit Juli 2012 läuft ein gigantischer Carry Trade (long credit vs. short cash). Auslöser dürfte die berühmte Londoner Rede Mario Draghis gewesen sein: «Die EZB wird alles Notwendige tun, um den Euro zu erhalten». Was als Krisenmanagement 'in extremis' seinen Anfang nahm, hat in der Zwischenzeit eine brisante Eigendynamik angenommen, welche wir in diesem Beitrag untersuchen wollen.

Im Beitrag vom 27. Mai hatten wir das globale Gleichgewicht zwischen Ersparnissen und Investitionen zum Thema. Um die Kräfte zu verstehen, welche den laufenden Carry Trade treiben, ist die Unterscheidung zwischen produktiven und unproduktiven Investitionen wichtig. Betrachten wir einen typischen Wirtschaftszyklus und starten wir mit der Annahme, dass Haushalte und Firmen vorerst mehr sparen. Eine Erhöhung der globalen Sparquote widerspiegelt sich in den folgenden Anpassungsprozessen:

Im besten Fall fliesst Geld in produktive Investitionen, d.h. Firmen investieren in modernste Produktionsanlagen und testen den Markt mit neuen Produkten und Dienstleistungen. Die Wirtschaft boomt auf eine Weise, dass alle profitieren. Ist die Nachfrage nach produktiven Investitionen allerdings gesättigt, fliesst das Geld in unproduktive Investitionen und kann die Bewertungen von Finanzanlagen und Immobilien in die Höhe treiben und die Bildung von Blasen begünstigen. Entscheidend ist, dass das vorhandene Kapital immer irgendwo platziert werden muss. Kritisch wird es, wenn Investoren die Märkte betrachten und denken, alle Märkte seien etwas hoch bewertet und laut darüber nachdenken, wie nachhaltig die Bewertung bestimmter Märkte sei. In diesem Prozess muss man zwischen gesunden und ungesunden Entwicklungen klar unterscheiden. Gesund wäre, dass Anleger realistisch werden und ihre Renditeerwartungen den neuen Gegebenheiten anpassen, d.h. mit tieferen Werten rechnen. Ungesund ist, wenn Investoren die Risikoanalyse mit Füssen treten und Schuldnern (Investitionsprojekten) ohne nachhaltiges Geschäftsmodell Geld anvertrauen.

Unterschied zu lokalen Preisblasen (Bubbles)

In der Wirtschaftsgeschichte gibt es unzählige Fälle von Preisblasen, von der holländischen Tulpen-Hysterie bis zu überschiessenden Häuserpreisen in Irland oder Spanien. Handelt es sich um eingegrenzte, lokale Märkte, sind Gier und überhöhte Renditeerwartungen die Treiber der Preisblase. Angezogen wie die Motten vom Licht strömen zusätzliche Anleger in den Markt und durch stetige Zuflüsse wird der Preisanstieg in der Boom-Phase verstärkt. Versiegen die Zuflüsse und wird offenbar, dass die Bewertung auf Luftschlössern baut, platzt die Blase. Wir denken, dass die Struktur im Fall der 'mother of all carry trades' eine andere ist: Die Jagd nach Rendite ist ein globales Phänomen und die Eurozone dürfte die Rolle des Initialzünders gespielt haben.

Umfassende Basis

Der wichtigste Auslöser des Beginns des Carry Trade Marktes seit 2012 dürfte die Einschätzung des Marktes gewesen sein, dass man sich besser nicht mit der EZB anlegt. Es ging nicht um Kleinigkeiten, sondern um die handfeste Befürchtung, die Eurozone könne auseinanderbrechen und die Wirtschaft in eine verheerende Negativ-Spirale ziehen. Sobald der Markt zur Einschätzung gelangte, die unmittelbare Absturz-Gefahr sei durch die Glaubwürdigkeit der EZB gebannt, war der Boden für eine Bewegung in die umgekehrte Richtung bereitet. Wer in Staatsanleihen der europäischen Krisenländer investierte, konnte phantastische Renditen erzielen, welche durch Kursgewinne noch versüsst werden, solange der Carry Trade funktioniert. Je stärker die Zinsaufschläge sinken, umso höher steigen die Kurse. In diesem Prozess wird es immer unattraktiver, als neuer Anleger einzusteigen. Je später man einsteigt, umso geringer sind die noch zu erzielenden Renditen und das Absturzpotential wächst. Wir sehen die Gefahr bei Schuldnern mit besonders schlechter Schuldnerqualität, welche im Sog des Carry Trades mitgeschwommen sind. Nehmen wir das Beispiel Griechenland. Das Land verkaufte am 9. April 2014 am Kapitalmarkt eine fünfjährige Anleihe über 3 Mrd. EUR zum Zinssatz von knapp 5%. Strukturell braucht Griechenland einen Schuldenschnitt und eine Investition in diese Anleihe ist ein kalkuliertes Spiel auf Zeit.

Drehbuch des Platzens

Viele institutionelle Investoren und Pensionskassen verfolgen langfristige Strategien und haben statische Renditeerwartungen. Wurde ein absolutes Renditeziel vereinbart, so besteht ein Zielkonflikt. Die Ausgangslage, dass der Kunde zum Beispiel 6% Rendite erwartet, könnte Asset Manager zu einem pro-zyklischen Verhalten verleiten. Je tiefer die Risikoaufschläge fallen, desto grössere Risikopositionen muss der Asset Manager aufbauen. Die Boomphase der Blase (2012 – 201?) dürfte dadurch profitieren, verstärkt durch viele neue Anleger, welche ebenfalls am sichtbaren Erfolg teilhaben wollen. Wie lange geht das gut? Schwer zu sagen, eine exakte Prognose ist unmöglich. Dennoch lohnt es sich, über mögliche Auslöser des Platzens der Preisblase nachzudenken.

Hätte man Investoren und Ökonomen vor zwei Jahren vorausgesagt, dass die Zinskurve von Spanien oder Italien per heute am langen Ende (10 Jahre) nur 10 bis 40 Basispunkte über der US Zinskurve für Staatsanleihen läge, man wäre nur auf Skepsis und Unverständnis gestossen. Rückblickend hat die EZB doppelt geholfen. Sie hat erstens durch ihre implizite Garantie dafür gesorgt, dass die Risikoaufschläge sinken, und zweitens setzte der Euro durch ihre relativ zu den Notenbanken der USA, Grossbritanniens und Japans restriktive Geldpolitik bis Juni 2012 seinen Höhenflug fort. Hält der Markt die im Juni eingeleitete Kehrtwende der EZB für glaubwürdig, und davon gehen wir aus, so begünstigt das nach wie vor tiefe oder sogar fallende Risikoaufschläge. Beim Wechselkurs des Euro sieht es anders aus.

Die EZB wird voraussichtlich über die nächsten zwei, drei Jahre eine vergleichsweise expansive Geldpolitik betreiben, um ihr Inflationsziel von unter, aber nahe bei 2% zu erreichen. Vor dem Hintergrund der neuen Zentralbankkonstellation werden Nicht-Euro Währungen attraktiver. Anleger könnten sich plötzlich neu besinnen und im Euroraum etwas vorsichtiger werden bei der Auswahl der Schuldner und vor einem Einstieg deren Qualität auf Herz und Nieren prüfen. Generell halten wir Vorsicht bei Hochzins- Anleihen für angebracht. In der aktuellen Bewertung fehlt die Illiquiditäts-Prämie. Wollen zu viele Anleger ihre Engagement gleichzeitig auflösen, kollabieren die Kurse und der Markt wird illiquid (Geld / Brief Spanne öffnet sich). Wegen der Verschärfung der Finanzmarktregulierung gibt es auch weniger Banken, welche als Market Maker in die Bresche springen und als Käufer auftreten können.

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