An dieser zentralen Bedeutung können die aktuellen Konjunktursorgen und Überkapazitäten in manchen Frachtbereichen wenig ändern.
Für die Verbraucher ist es eine Selbstverständlichkeit, jederzeit Zugriff auf einen gigantischen Konsum-Fundus zu haben. Ob Obst und Gemüse im Detailhandel, der Online bestellte Flatscreen-Fernseher oder die aktuelle Kollektion in der Modeboutique, dies sind nur ein paar wenige Beispiele für das immense Angebot. Ganz zu schweigen vom exorbitanten Warenumschlag, welchen die Industrie Tag für Tag bewerkstelligt. Von der HighTech-Platine über das nach Mass ausgestanzte Aluminium bis zu Milch und Getreide. Nur wenn alle Grundstoffe und Bauteile pünktlich am vorgegebenen Platz sind und zugleich die Auslieferung möglichst reibungslos funktioniert, kann die Wirtschaft in Schwung bleiben und expandieren. Diese knappen Ausführungen reichen, um die zentrale Funktion der Logistik zum Ausdruck zu bringen.
Bedeutender Wirtschaftszweig
Auf die Frage, wofür dieser gängige Begriff eigentlich genau steht, weiss die deutsche Bundesvereinigung für Logistik, kurz BVL, eine treffende Antwort: «Logistik ist ein System, das zunächst im Unternehmen, aber auch unternehmensübergreifend mit Lieferanten und Kunden, eine optimale Versorgung mit Materialien, Informationen, Teilen und Modulen für die Produktion – und auf der anderen Seite natürlich der Märkte bedeutet.» Wenig überraschend hat die Bedeutung dieses Wirtschaftszweigs im Zuge der Globalisierung enorm zugenommen. Laut Zahlen des Marktforschungsunternehmens Colliers International wurden 2013 weltweit Container in einem Volumen von 224.8 Millionen TEU verschifft. Gegenüber dem Niveau des Jahres 2000 bedeutete das ein stattliches Wachstum von 290 Prozent oder 8.5 Prozent jährlich. TEU steht für «Twenty-foot Equivalent Unit», zu deutsch 20-Fuss-Container-Einheit. In der Schweiz beschäftigt das Transport- und Logistikgewerbe laut dem von der Credit Suisse publizierten «Branchenbuch 2015» insgesamt 130’700 Menschen. Die Wertschöpfung beträgt 16.9 Milliarden Schweizer Franken. Innerhalb der 15 von der Grossbank analysierten Dienstleistungssektoren nehmen die Transport- und Logistikunternehmen damit den siebten Rang ein.
Zahlen zum europäischen Markt hat im vergangenen Herbst die Forschungseinrichtung Fraunhofer ILS vorgelegt. Demnach war der Sektor auf dem alten Kontinent 2014 insgesamt 960 Milliarden Euro schwer. Mit einem Anteil von 41 Prozent dominiert die Kontraktlogistik. Dabei lagern Unternehmen im Rahmen des Supply-Chain-Managements umfangreiche Aufgaben langfristig aus. Ein Dienstleister richtet dabei beispielsweise speziell für einen Kunden oder mehrere Firmen einer Branche Logistikzentren ein. Wobei der Auftrag weit über die reine Lagerhaltung hinausgehen kann. Häufig umfassen solche Kontrakte den Lieferanten-Eingangsverkehr (Inbound), die Verpackung und Etikettierung fertiger Produkte sowie deren Auslieferung (Outbound). Hinzu kommen nicht selten das Controlling der Material-, Informations- und Finanzströme.
Branchenriese aus der Schweiz
Zu den führenden Experten für Kontraktlogistik zählt Kühne + Nagel. Nach eigenen Angaben ist der Konzern auf diesem Gebiet die weltweite Nummer 2. Rund um den Globus betreibt das Geschäftssegment 680 Standorte mit der immensen Lagerkapazität von insgesamt 8.4 Millionen Quadratmetern. Anfang Jahr sicherte sich Kühne + Nagel einen prestigeträchtigen Auftrag: Die Schwyzer vereinbarten eine globale Partnerschaft mit GlaxoSmithKline (GSK). Bis 2021 übernimmt der Dienstleister für den Pharmakonzern – von den Rohmaterial-Lieferanten bis zu den Handelskunden – das gesamte Spektrum der Logistik. Laut einer Medienmitteilung erhielt der heimische Konzern den Zuschlag unter anderem wegen seiner Branchenstärke sowie der gerade im Arzneimittel- und Konsumgüterbereich bewiesenen Innovationskraft. GSK zählt zu den wichtigsten Kunden von Kühne + Nagel.
Eine derartige Ausweitung bestehender Partnerschaften gilt als eines der zentralen Erfolgskriterien der Kontraktlogistik. Das stellte die Investmentbank Barclays in der 2014 zusammen mit der Unternehmensberatung Roland Berger vorgelegten Studie «Global Logistics Markets» fest. Mit Hilfe solcher Deals könnten die Dienstleister die Eintrittsbarrieren für die Konkurrenz erhöhen. «Für den Kunden sind die Kosten für einen Wechsel in einer Kontraktlogistik-Geschäftsbeziehung deutlich höher, als bei den stärker standardisierten und transparenteren Speditionsdienstleistungen», ergänzen die Autoren. Die Aussichten sind positiv. «Der Trend zur Fremdvergabe von Lagerhaltung und Distribution sowie die Nachfrage nach Mehrwertleistungen in der Logistik halten an», schreibt Deutsche Post DHL im Geschäftsbericht 2015. Der Branchenkrösus rechnet in der Kontraktlogistik mit einem kontinuierlichen jährlichen Wachstum von rund 6%. Mit einem Anteil von 7.4% dominierte Deutsche Post 2014 den Weltmarkt. Zum Vergleich: Kühne + Nagel brachte es als zweitgrösster Anbieter von Kontraktlogistik auf 2.1%.
In der Seefracht hat der heimische Sektorvertreter dagegen die Nase vorne. 3.82 Millionen TEU und damit knapp ein Drittel mehr als Deutsche Post DHL liess Kühne + Nagel 2015 über die Weltmeere transportieren. Allerdings bringt die Tatsache, dass beiden Unternehmen im Vergleich zur Vorperiode stagnierende Volumen verbuchten, die Flaute in diesem Segment zum Vorschein. Nach Angaben von Deutsche Post DHL lagen die Frachtraten auf den grössten Handelsrouten auf einem niedrigen Niveau. Wobei die Bewegung zwischen dem asiatisch-pazifischen Raum und Europa sogar extrem niedrig war. «Der Weltmarkt hatte weiter mit Überkapazitäten zu kämpfen, die durch die Inbetriebnahme neuer, grösserer Schiffe entstanden sind», führt das Management des DAX-Konzerns im Geschäftsbericht aus.
Giganten der Weltmeere
In der Tat kreuzen immer mehr Frachter der Superlative die Weltmeere. Beispielsweise führte die weltgrösste Container-Reederei, Maersk Line, ab 2013 die Triple-E-Klasse ein. Die neuen Schiffe haben rekordverdächtige Dimensionen. Sie sind 400 Meter lang, 59 Meter breit und 73 Meter hoch. Ihre Kapazität liegt bei 18’000 TEU. Die Dänen versprechen sich von dieser Innovation mehr Energieeffizienz, eine bessere Umweltleistung sowie Grössenvorteile. An der schwachen Geschäftsentwicklung konnten die neuen Giganten der Weltmeere zunächst nichts ändern. 2015 musste Maersk Line einen Gewinneinbruch von 44% hinnehmen. Mit Ausnahme der Region Nordamerika gingen die Frachtraten rund um den Globus kräftig zurück.
Ein neuer Boom wie vor der globalen Finanzkrise ist nicht in Sicht. «Wir erwarten, dass der Markt für Container-Schifffahrt 2016 etwas stärker wächst, allerdings wird es immer noch ein herausforderndes Jahr», meint Maersk Line-CEO Søren Skou. Konkret rechnen die Dänen damit, dass die Nachfrage um 1% bis 3% zunimmt aber die Frachtraten wegen der bestehenden Überkapazitäten unter Druck bleiben. Ein Blick auf den Baltic Dry Index untermauert dieses Szenario. Die von der Baltic Exchange berechnete Benchmark bildet die Frachtkosten für wichtige Rohstoffe ab und gilt als wichtiger Gradmesser für den Güterverkehr auf See. Als Anfang 2016 rund um den Globus die Sorgen vor einer Wachstumsverlangsamung – insbesondere in China – zunahmen, fiel der Baltic Dry Index erstmals auf weniger als 300 Punkte. Halt machen die diffusen makroökonomischen Aussichten auch vor der Luftfracht und dem über LWs und Züge abgewickelten Landverkehr nicht.
Historische Daten sind kein verlässlicher Indikator für zukünftige Entwicklungen.
Herausforderungen der Zukunft
Nach dem starken Wachstum des vergangenen Jahrzehnts, als der Welthandel trotz des scharfen Einbruchs in 2009 im Schnitt pro Jahr um 5.7% expandierte, muss die Transportbranche wohl weiterhin mit einer langsameren Gangart zurecht kommen. Gleichwohl sprechen die fortschreitende Globalisierung sowie eine trotz aller Probleme anhaltende wirtschaftliche Aufholjagd der Schwellenländer dafür, dass die Dienstleister weiterhin ordentlich zu tun haben. Der Internationale Währungsfonds (IWF) geht in seinen Projektionen jedenfalls von einer stetigen Zunahme der weltweiten Warenströme aus. «Globale Logistikanbieter stehen vor der Herausforderung, die richtigen strategischen Entscheidungen zu treffen», fassen die Autoren der bereits erwähnten Untersuchung «Global Logistics Market» ihre Erkenntnisse zusammen. Dabei geht es nach Ansicht der Experten darum, ein Kundenportfolio zu entwickeln, welches den Zugang zu Wachstumsmärkten sichert. Als ein weiteres Kriterium skizzieren sie die Positionierung in hochmargigen Geschäftsbereichen. Mit welchen innovativen Technologien und Dienstleistungen sich die Branche für die Zukunft wappnet, lesen Sie im neuen Quarterly by Leonteq.
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