Die wirtschaftliche Stimmung könnte kaum positiver sein, die Konjunktur kaum dynamischer. Dies gilt für Euroland genauso wie für Japan als auch für die USA. Von der starken Nachfrage profitieren auch der Welthandel und die Emerging Markets – ein sich selbst verstärkender Prozess. Die derzeit so positiven Stimmungsindikatoren haben aber meist nur eine Prognosekraft, die über 3-4 Monate in der Regel nicht hinausgeht. Die Länge des amerikanischen Aufschwungs lässt zudem manche Beobachter zweifeln, ob die nächste Rezession nicht schon bald vor der Tür steht. Rezessionen sind im Vorfeld schwer zu prognostizieren, daher haben es auch die internationalen Organisatoren wie der IWF mit all ihren Prognosekapazitäten, ihrem Insiderwissen und ihrer Vorortexpertise in der Regel nicht geschafft, frühzeitig auf eine Rezession hinzuweisen. Eine bessere mittelfristige Prognosekraft besitzt dagegen die Steilheit der Zinsstrukturkurve. Beruhigen kann das derzeit nicht.
Alle von uns analysierten Rezessionen in den Industrieländern wiesen in den letzten 20 Jahren eine Gemeinsamkeit auf: Ihnen ging eine Inversion der Zinsstrukturkurve voraus – d.h. eine Situation, in der die 2-jaehrigen Zinsen höher lagen als die 10-jaehrigen Zinsen. Teils dauerte es lediglich 12 Monate, teils bis zu 24 Monate, dass auf einer Inversion der Zinsstrukturkurve eine Rezession folgte. Insofern sollte es bedenklich stimmen, dass die US-Kurve seit Anfang 2016 vor allem eine Richtung kennt – die einer zunehmenden Verflachung. Lagen die 2-jaehrigen Zinsen im Januar 2016 noch 120 Basispunkte über den 10-jaehrigen, so ist dies nun auf rund 50 Basispunkte geschrumpft.
Positiv zu vermerken ist allerdings, dass die von der US-Zinskurve ausgehenden Warnsignale derzeit nicht von anderen Anleihemärkten gespiegelt werden. So wurde die Euro-Zinskurve in den letzten Monaten sogar eher steiler. Eine US-Rezession, die Europa nicht auch in eine Wirtschaftskrise zieht ist wenig wahrscheinlich. Auch zeigt die US-Wirtschaft nicht die in sonstigen Vorrezessionsphasen oft zu beobachtenden Ungleichgewichte: (i) Der engere Arbeitsmarkt hat noch nicht zu stärker steigenden Löhnen und Inflationsraten geführt, die über steigende Notenbankzinsen gebremst werden müssten. (ii) Die Vorratshaltung der Industrieunternehmen ist moderat und gibt keinen Anlass für eine stärkere Korrektur; (iii) Die Verschuldung des Privatsektors ist zwar hoch, der Schuldendienst dank des niedrigen Zinsniveaus allerdings niedrig. Exzesse, wie der überhitzte Immobilienmarkt im Jahr 2007 oder die Dot-Com Blase im Jahr 2001 sind derzeit auch nicht identifizierbar, eine starke Korrekturphase daher auch nicht offensichtlich notwendig. Im Gegenteil, die Unternehmensgewinne steigen, was weiter für eine robuste Investitionstätigkeit spricht.
Für eine Fortsetzung des US-Aufschwungs spricht derzeit auch, dass ihre Handelspartner stark expandieren. Zu beobachten ist keine Euroschuldenkrise oder ein Rohstoffpreisverfall, der das Wachstum in den Entwicklungsländern abgebremst hat. Stattdessen sinken die Arbeitslosenquoten weltweit und sollten auch 2018 für steigende Einkommen und eine hoch Nachfrage sorgen.
Die flachere US-Zinsstrukturkurve könnte folglich auch technische Gründe haben. Dazu mag die Geldpolitik selbst beitragen: So führt ihre zukunftsweisende Kommunikationspolitik dazu, dass die Finanzmärkte so viel Orientierung erhalten, dass die Volatilität an den Anleihemärkten auf Rekordtiefstände gesunken ist. Natürlicherweise sinkt mit der geringeren Volatilität auch die Kompensation, die Anleger für die Unsicherheit bzw. das Risiko längerfristiger Anleihen erhalten: Diese Kompensation ist ein Grund für die in der Regel steile Zinsstrukturkurve – also die im Durchschnitt höheren langfristigen Zinsen. Ein anderer Grund wäre die Erwartung höherer Leitzinsen. Mit jeder Zinserhöhung der Notenbank nähert sie sich aber einem neutralen oder restriktiven Niveau stärker an, sodass das Potenzial für weitere Zinserhöhungen abnimmt. Auch mag die Einschätzungen von Marktteilnehmern, wie hoch das konjunktur- und inflationsneutrale Zinsniveau liegt in den letzten Jahren gesunken sein. Dies könnte ein zusätzlicher Grund für die niedrigeren Langfristzinsen sein.
Zusammenfassend schliessen wir, dass konkrete Anzeichen für einen Abschwung der Weltkonjunktur oder einer US-Rezession weiterhin fehlen. Sollte aber die US-Zinskurve weiter deutlich verflachen oder sogar invertieren, würden wir unsere Prognosen revidieren müssen und eine vorsichtigere Anlagestrategie wählen. Derzeit ist dies nicht der Fall, sodass wir für risikobehaftete Anlageklassen wie Aktien weiterhin positiv gestimmt bleiben. Dies gilt auch für den US-Aktienmarkt, an dem wir bislang keinen übertriebenen Überschwang feststellen können, der eine Korrektur wahrscheinlicher machen würde.