Ein bissiges Resümee dieser Auffassung liefert H.L. Mencken, ein in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts schreibender amerikanischer Journalist: "Niemand, so weit ich weiss - und ich habe mit der tatkräftigen Hilfe Anderer jahrelang in den Aufzeichnungen gewühlt - hat jemals Geld verloren, weil er die Intelligenz der grossen Masse normaler Menschen unterschätzt hat."

Seit einiger Zeit wehren sich jedoch viele Denker gegen diese Vorstellung und weisen darauf hin, dass die Menschen eigentlich recht schlau sind. Sie finden für grosse Probleme oft einfache Lösungen, aber einfach ist nicht unbedingt mit dumm gleichzusetzen. So ist Einfachheit häufig die beste Option überhaupt.

Ein Vorkämpfer dieser Theorie ist Gerd Gigerenzer, ein deutscher Psychologe am Max Planck-Institut für Bildungsforschung in Berlin.

Er betont, dass einfache Lösungen anhand von Faustregeln und persönlichen Eindrücken - so genannte Bauchentscheidungen - manchmal zu besseren Ergebnissen führen als komplexe Berechnungen anhand aller verfügbaren Daten. Diese einfache Methode wird auch Heuristik genannt.

Vor kurzen führte Gigerenzer in einer Gesprächsrunde ein Ereignis aus dem Jahr 2009 an, bei dem beide Triebwerke eines Passagierjets kurz nach den Start auf dem New Yorker La Guardia-Flughafen durch doppelten Vogelschlag ausfielen.

Der Kopilot suchte in der offiziellen Checkliste nach den dafür vorgesehenen Notmassnahmen, aber in einer Flughöhe von weniger als 1000 Metern blieb keine Zeit für die Lektüre eines 3-seitigen Dokuments. Statt dessen vertrauten die Piloten ihrem gesunden Menschenverstand und ihrem eigenen Erfahrungsschatz. Sie mussten zunächst entscheiden, ob eine Rückkehr zum Startflughafen möglich war. Eine Faustregel für Piloten besagt, dass dafür keine Zeit bleibt, wenn Hochhäuser in der Nähe des Flughafens zu wachsen scheinen, weil das Flugzeug sinkt. Aus diesem Grund beschlossen sie, im Hudson River zu landen. Sämtliche Passagiere und Besatzungsmitglieder überlebten die Notlandung.

Daneben führte Gigerenzer ein eher tragikomisches Beispiel an, bei dem ein Kollege komplexe Berechnungen einer Bauchentscheidung vorzog und dies hinterher zutiefst bereute. Der Kollege wollte heiraten, wusste aber nicht, welche von seinen Frauenbekanntschaften die ideale Partnerin abgeben würde. Seine wissenschaftliche Lösung bestand darin, für jede dieser Frauen die Wahrscheinlichkeit eines grossen persönlichen Freiraums (z.B. in Ruhe arbeiten zu können) sowie eines lebenslangen Zusammenlebens zu berechnen. Nach komplizierten Berechnungen der Eintrittswahrscheinlichkeit der gewünschten Ergebnisse entschied er sich für eine Frau, machte ihr einen Antrag und heiratete sie. Das Dumme dabei war nur, dass sie sich von ihm scheiden liess.

Wenn man alle relevanten Informationen zur Hand hat und nutzen kann, können komplizierte Berechnungen zu besseren Ergebnissen führen als einfache Lösungen. Aber dies ist nicht immer der Fall, z. B. wenn man ein Flugzeug notlanden muss, wenn man sich verliebt oder wenn man ganz prosaische Entscheidungen treffen muss.

In solchen Fällen können wir uns nur auf die hohe angeborene Intelligenz verlassen, mit der uns die Evolution ausgestattet hat. "Welch ein Meisterwerk ist der Mensch!", sagt Hamlet bei Shakespeare. "Wie edel der Verstand, wie unendlich seine Möglichkeiten."

Dem stimmen wir voll und ganz zu.