Japan wird in diesem Jahr aller Voraussicht wählen. Die Japaner werden wahrscheinlich im Juni an die Urnen gehen, um die Hälfte der Sitze im Oberhaus zu besetzen. Premierminister Shinzo Abe könnte aber auch auf separate vorgezogene Neuwahlen bestehen, falls er sich damit Chancen auf vier weitere Jahre im Amt sichern kann.
Die Wähler sind ihrerseits aufgefordert, ihren politischen Führer zu einem denkbar schlechten Zeitpunkt zu bestimmen, denn die Wirtschaft hat zu kämpfen. Sie schrumpfte im Schlussquartal 2015, nachdem sie im Vorquartal nur knapp an einer technischen Rezession vorbeigeschrammt sind.
Trotz der enormen Anstrengungen der Bank of Japan scheint ein Inflationsziel von 2% illusorisch, denn die Verbraucher sind nicht in Kauflaune. Fakt ist, dass das Land offenbar erneut am Rande einer Deflation steht, und dass sich für den Otto Normalverbraucher auch nach drei Jahren „Abenomics“ praktisch nichts geändert hat.
Der jüngste Schritt der Zentralbank – die Einführung von Negativzinsen – werten viele als Zeichen dafür, dass die Währungshüter ihr Pulver verschossen haben und immer verzweifeltere Anstrengungen zur Ankurbelung des Wachstums unternehmen müssen.
Die Banken haben diese negativen Zinsen bisher noch nicht an ihre Anleger weitergegeben, doch sobald das geschieht, könnten die Sparer damit beginnen, Geld unter ihrer Matratze zu horten. Sie würden dadurch Geld aus dem Umlauf nehmen und das Ziel der Bank of Japan, Liquidität in das Finanzsystem zu pumpen, untergraben.
Warum verliert die Wirtschaft erneut an Fahrt? Dafür gibt es viele Gründe, aber grundsätzlich hat Japan kaum Erfolge bei der Bewältigung struktureller Probleme vorzuweisen, ohne die Steigerung von Produktivität und Wettbewerbsfähigkeit nicht denkbar sind. Hinzu kommt, dass Japan wie andere Exportländer unter der schwachen Nachfrage nach seinen Waren leidet, da seine grossen Absatzmärkte mit eigenen Problemen zu kämpfen haben.
Dahinter steht auch die wachsende Gewissheit, dass die Abenomics weniger ein kohärentes Wirtschaftsprogramm sondern eher eine Aneinanderreihung einzelner Problempunkte einer Agenda sind – Anhebung der Verbrauchssteuer, Inflationsziel der Zentralbank, Sicherung der Wettbewerbsfähigkeit des Yen.
Für diese Sichtweise ist Premierminister Abe zum Teil selbst verantwortlich. Er scheint mehr daran interessiert zu sein, Japan erneut als Regionalmacht zu etablieren, und will den Streitkräften hierzu ein stärkeres Mandat verleihen, was jedoch einen Verstoss gegen die pazifistische Verfassung des Landes darstellt. Darüber hinaus will er die japanischen Kernkraftwerke wieder in Betrieb nehmen, obwohl die Erinnerung an die Nuklearkatastrophe von Fukushima bei den Menschen noch frisch ist.
Diese Pläne und auch die Bestechungsskandale in seinem Kabinett haben seine Popularität belastet. Nur ist Abe der einzige echte Kandidat, denn er hat in seiner eigenen liberaldemokratischen Partei keinen einzigen Rivalen und auch keinen Herausforderer in der Opposition.
Aus der Sicht ausländischer Investoren ist es nur allzu verständlich, dass sie Reformen als Vorbedingung für erfolgreiche Investitionen erwarten. Wenn die Abenomics greifen, dann verbessern sich die Aussichten für Japan grundlegend.
Die Top-Unternehmen des Landes wie Japan Tobacco, der drittgrösste Zigarettenhersteller der Welt, Fanuc, der grösste Roboterhersteller weltweit und der führende Snackhersteller Calbee haben sich nicht beirren lassen und nicht abgewartet, bis die Politik ihre Versprechungen erfüllt.
Und genau das stimmt und auch weiterhin optimistisch. Japans Top-Unternehmen haben ihre Expansion im Ausland vorangetrieben und erzielen dort seit Jahren mittlerweile einen immer grösseren Teil ihres Umsatzes. Inzwischen erwirtschaften die 1.933 Unternehmen im Topix-Index rund ein Drittel der Umsatzerlöse ausserhalb Japans – Tendenz steigend.
Sie profitieren auf diese Weise vom Wachstum in anderen Teilen der Welt, vor allem in den schnell wachsenden Schwellenländern, in denen die Nachfrage von einer wachsenden Mittelschicht beflügelt wird. Viele der leistungsfähigsten Unternehmen haben ihre Produktion in Länder mit niedrigerem Lohnniveau ausgelagert. Wie die Automatisierungstechnik veranschaulicht, sind die besten Firmen Branchenführer, die Spitzentechnologien und Fertigungsverfahren entwickelt haben.
Zuversichtlich stimmen uns auch die Fortschritte, die Japan auf dem Gebiet der Corporate Governance erzielt hat. So sind Führungskräfte zugänglicher geworden, während die Aufnahme in den 2014 aufgelegten JPX-Nikkei 400-Index die aktionärsfreundlichsten Unternehmen belohnt.
Japans Wirtschaft ist mit gravierenden Problemen konfrontiert, die bestens bekannt und dokumentiert sind. Wenn der grösste Windelhersteller mehr Windeln für Erwachsene mit Inkontinenzproblemen als Baby-Windeln herstellt, dann können auch geldpolitische Experimente nicht mehr helfen.
Wir sind erfahrene Investoren und wissen deshalb, dass gerade die schwierigsten Märkte oftmals die leistungsfähigsten Unternehmen hervorbringen.
Das gilt auch für Japan. Die besten Unternehmen Japans waren gezwungen, sich an Rahmenbedingungen anzupassen, die für die „verlorenen Jahrzehnte“ kennzeichnend waren. Ihre Geschicke werden unserer Meinung nach deshalb immer weniger von der Verfassung ihres Heimatlandes abhängen.