Die Säule 3a ist ein freiwilliges Vorsorgeprodukt, in das rund zwei Drittel der Schweizer Bevölkerung einbezahlt. Der jährliche Beitrag ist begrenzt und die Gelder sind bis zum Bezug fünf Jahre vor der Pensionierung gesperrt. Einzahlungen können vom steuerbaren Einkommen abgezogen werden.
3a-Sparen kann auf einem einfachen Zinskonto erfolgen, oder aber, die Gelder können auch angelegt werden. Letzteres ist in den vergangenen Jahren deutlich beliebter geworden. Es gibt aber auch Stimmen, die Anlegen auf eigene Faust empfehlen.
Veronica Weisser, Ökonomin und Vorsorgeexpertin bei der UBS, ordnet im Interview mit cash.ch verschiedene Spar- und Anlagestrategien ein.
cash.ch: Würden Sie nach wie vor jeder Person in der Schweiz die Säule 3a empfehlen?
Veronica Weisser: Für die Mehrheit der Bevölkerung ist das Säule-3a-Sparen eine gute Entscheidung. Es gibt aber Personen in spezifischen Situationen, für die Säule-3a-Sparen nicht die optimale Lösung ist.
Wen meinen Sie damit?
Beispielsweise eine Person, die keine 'eiserne Reserve' hat. Bei Personen mit tiefem Einkommen und vorhandener eiserner Reserve ist die Säule 3a in der Regel schon von Vorteil. Dies allein schon wegen des disziplinierenden Effekts, den regelmässiges Einbezahlen mit sich bringt. Wer früh mit 3a-Sparen in Wertschriftenanlagen anfängt, kann bis zum Ende des Erwerbslebens bis zu eine halbe Million Franken ansparen.
Beim reinen Zinssparen kämen etwa 300'000 Franken zusammen. Dazu muss man aber wohl den Maximalbetrag einbezahlen, der aktuell bei jährlich 6883 Franken liegt. Man schätzt, dass nur 15 bis 20 Prozent der Erwerbstätigen diesen Beitrag aufbringen - sei es können oder wollen.
Natürlich ist Sparen eine private Entscheidung, aber die Möglichkeit zum Sparen haben meiner Meinung nach ganz viele. Es gibt beispielsweise Studentinnen und Studenten, die mit 1500 Franken im Monat in der Stadt Zürich leben. Wer mehr als das hat…
Ist man sich dessen in der Schweiz zu wenig bewusst?
Ja, vielleicht. Es gibt auch solche, die sich darauf verlassen, dass der Staat den Lebensstandard im Alter notfalls ausreichend hoch behält.
Beim Sparen in der Säule 3a fällt heute wegen der Tiefzinsen kaum noch ein Zinseszins-Effekt ab. Ist damit eines der Argumente neben Spardisziplin und Steuervorteil nicht stark abgewertet worden?
Die Säule 3a hat sich in ihrer Nützlichkeit sehr stark verändert. Was sie absolut nicht mehr bietet, ist langfristigen, sicheren und positiven Zinsertrag. Das heisst aber nicht, dass reines Zinssparen nicht immer noch sinnvoll sein kann. Bei einem Sparhorizont von unter zehn Jahren bietet die Säule 3a trotz der tiefen Verzinsung eine attraktive Alternative zu einem Obligationenportfolio oder zu einem Sparkonto. 3 Prozent als sichere Rendite dank des Steuervorteils erhalten Sie in Schweizer Franken sonst nirgends. In der kurzen Frist ist 3a allein mit Sparen, zunächst ohne Wertschriftenanlagen, attraktiv.
Sie sprechen den Steuervorteil der Säule 3a und den beim Sparen wichtigen Grenzsteuersatz an. Erklären Sie doch kurz, wie diese 3 Prozent zustande kommen.
Wenn Sie einmal 1000 Franken in die Säule 3a einzahlen und einen Grenzsteuersatz von 35 Prozent unterliegen, dann sparen sie 350 Franken an Steuern. Dies ist so etwas wie eine sofortige sichere Rendite. Auf zehn Jahre gesehen, bei Null Prozent Verzinsung, haben Sie am Ende 1350 Franken. Grob gerechnet ergibt dies über zehn Jahre 3 Prozent Rendite pro Jahr.
Beim Grenzsteuersatz geht es darum, wie 'lohnend' sich ein steuerlicher Abzug auswirkt. Bei höheren Einkommen ist der Grenzsteuersatz wegen der progressiven Besteurung in der Schweiz in der Regel grösser. Rechnet sich eine solche Rechnung dann überhaupt bei tieferen Einkommen?
Bei einem tieferen Einkommen und einem Grenzsteuersatz von 15 Prozent hat man 1,4 Prozent Rendite im Jahr. Im Vergleich zur Obligationenrendite ist dies immer noch eine sehr gute Anlage. Bei einem Spar- und Anlagehorizont allerdings, der länger als zehn Jahre ist, reduziert sich die Attraktivität des Steuervorteils. Dann lohnt es sich eher, in Wertschriften anzulegen.
Sie sprechen damit die Möglichkeit an, dass Erspartes in der Säule 3a wahlweise angelegt werden kann. Nun hören wir bei cash.ch aber immer wieder von Leserinnen und Lesern, die vorschlagen, ganz auf die Säule 3a zu verzichten von Anfang an frei anzulegen. Dies bringe mehr Rendite. Punkto Aktienentwicklungen haben diese Stimmen ein Punkt, oder nicht?
In ganz spezifischen Fällen bin ich damit einverstanden. Eine jüngere Person, mit langem Anlagehorizont, hohem Einkommen - und dadurch einer höheren Risikofähigkeit - und mit Wohnsitz an einem Ort mit tiefen Einkommensteuern, hat tendenziell nur einen tiefen Steuervorteil und gleichzeitig attraktive alternative Anlagemöglichkeiten ausserhalb der Säule 3a. Aber diese konkrete Situation ist relativ selten.
Der Vorteil wäre aber zunächst, ganz frei anlegen zu können.
Die Möglichkeiten, in der Säule 3a anzulegen, sind inzwischen vielfältig. Was nicht möglich ist, sind Infrastrukturanlagen oder Privatmarktanlagen, die eine so genannte Illiquiditätsprämie erlauben. Dies ist im Moment vom Gesetzgeber auch nicht vorgesehen. Bei Aktienanlagen ist im 3a-Bereich aber fast alles möglich. Der Unterschied zwischen freiem Anlegen und Anlegen in der Säule 3a ist natürlich, dass beim Bezug der Säule 3a mit Wertschriften nicht nur die Dividenden, sondern auch die Erträge aus Aktienanlagen besteuert werden. Beim freien Anlegen werden nur Dividenden, und zwar mit 35 Prozent, besteuert.
Diese Praxis ist ja nicht unumstritten, und ist in der Tat ein Nachteil beim Säule-3a-Wertschriftensparen.
Der Nachteil fällt bei jenen Anlagestrategien ins Gewicht, wo die Kursgewinne und nicht die Dividenden im Vordergrund stehen. Das ist beispielsweise bei Wachstumsaktien, oder den so genannten Growth-Strategien, der Fall. Eine Rolle spielt auch die Höhe der Steuer auf Kapitalbezüge. Diese liegt je nach Höhe des Bezugs und Kanton bei etwa 2 bis 12 Prozent. Für jemanden, der im Lauf der Zeit in einen Hochsteuerkanton umzieht, wird damit 3a-Wertschriftensparen unattraktiver. Die Steuerbelastung reduziert man, in dem man mehrere Säule-3a-Konten führt und sie gestaffelt auflöst. Wer mehrere Konten führt, hat wieder eine bessere Situation beim Säule-3a-Wertschriftensparen.
3a-Wertschriftensparen heisst aber auch, dass die Gelder bis auf wenige Ausnahmesituationen bis fünf Jahre vor dem regulären Rentenalter gesperrt sind. Haben wir hier noch nicht mal einen Grund fürs freie Anlegen?
Die Säule 3a hat den Vorteil, dass die Anlagen automatisiert laufen, insbesondere wenn ein monatlicher Dauerauftrag eingerichtet ist. Ich sehe dies im Gespräch mit Kundinnen und Kunden: Bei einem Börsencrash denken die Leute nicht gross an ihre Säule 3a. Private Anlegerinnen und Anleger hingegen neigen dazu, bei Kursrückgängen mit Verlust zu verkaufen.
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Also braucht es, wenn man privat anlegen will, auch eine sehr robuste Risikofähigkeit, einen klaren, langen Anlagehorizont und ein Durchhalten auch bei der grössten Krise. Disziplin ist beim Anlegen das wichtigste. Deswegen bleibe ich dabei: Die Säule 3a ist für die meisten Leute ein extrem gutes Instrument.
Weil die Säule 3a gebunden ist, muss man nebenbei auch dafür sorgen, dass Spargeld jederzeit verfügbar ist. Wie gross soll eine Liquiditätsreserve sein?
Es braucht drei Dinge. Erstens eine eiserne Reserve: Jede und jeder muss einmal eine defekte Waschmaschine ersetzen oder eine Krankenhausrechnung bezahlen können. Zweitens braucht es Mittel für vorhersehbare Ausgaben, etwa für die eigene Ausbildung oder diejenige von Kindern. Danach kommt dann Vorsorgen und Anlegen, und dazu gehört die Säule 3a. Wie gross im Verhältnis diese drei Posten sind, ist natürlich individuell verschieden.
Lange bevorzugte eine grosse Mehrheit das einfache Zinssparen in der Säule 3a. In Wertschriften legte nur eine Minderheit die Sparbeiträge an. Die Haltung dazu ändert sich aber mehr und mehr, sicherlich auch wegen der Tiefzinsen. Beobachten Sie dies auch bei der UBS?
Wertschriftensparen ist sehr beliebt geworden. Bei vielen Anbietern war der Wertschriftenanteil von zehn bis fünfzehn Jahren nahe bei Null. Inzwischen gibt es Anbieter, die nur Wertschriftensparen anbieten. Bei der UBS liegt der Wertschriftenanteil jetzt bei mehr als der Hälfte.
Die Gebühren für 3a-Wertschriftensparen betragen im Schnitt etwa 1,1 Prozent des angelegten Vermögens jährlich. Finanzdienstleister, darunter auch die UBS, müssen sich mit dem Einwand auseinandersetzen, die Gebühren bei 3a-Wertschriftensparen seien relativ hoch. Dies schmälert die Anlagerenditen. Werden die Gebühren sinken?
Wir haben im Markt einen Trend zu deutlich tieferen Gebühren gesehen. Viel tiefer werden sie aber wohl nicht gehen können.
Angetrieben worden ist dies unter anderem von Neobanken oder neuen Angeboten, die häufig auf Apps basieren und die günstige Anlagen wie ETF in der Palette haben. Setzt dies die UBS nicht unter Druck?
Es ist nicht so, dass die günstigen Anbieter automatisch die höchsten Renditen erzielen. Auch sehe ich bei unseren Kundinnen und Kunden einen erheblichen Beratungsbedarf. Daher ist es für viele Schweizerinnen und Schweizer lohnender, in eine Lösung mit einer hohen Rendite nach Gebühren und einer umfassenden Beratung zu investieren als in eine ähnlich rentierende Lösung ganz ohne Beratung. Ich glaube auch, dass bei jenen Anbietern, welche die tiefsten Gebühren haben - wir sprechen von etwa 0,4 Prozent - kein Spielraum nach unten mehr besteht. Mit der dritten Säule ist ein erheblicher Aufwand an Administration verbunden. Und das erhoffte Wachstum kommt bei einigen Anbietern nicht so selbstverständlich zustande. In diesem Segment wird es meiner Meinung nach längerfristig zu einer Konsolidierung kommen.
Sie sagten, beim 3a-Wertschriftensparen seien die Möglichkeiten schon vielfältig. Als Sparerin oder Sparer ist man dort aber oft von Fonds oder ETF abhängig. Wäre es für Sie ein Vorteil, wenn man die Anlagen freier wählen könnte? Bis hin zu einer Art 'Trading' in der Säule 3a?
Je mehr Vielfalt in der Säule 3a, desto besser. Das Finanzmarktwissen und das Bewusstsein für die eigene Risikotoleranz sind aber für solche Anlagen bei einem grossen Teil der Bevölkerung noch nicht sehr ausgeprägt. Aber die App-Lösungen gehen immer mehr in Richtung individuelles Anlegen, und für eine heute noch kleine Gruppe ist dies sehr attraktiv. Der 3a-Markt hat sich hierbei in den vergangenen Jahren sehr positiv weiterentwickelt.