Raffaela ist Firmengründerin: Die 29-jährige wagt mit einer kleinen IT-Firma den Sprung in die Selbständigkeit. Ideen, wie sie sich am Markt positioniert, hat sie genug. Aber rechtlich und vor allem punkto Vorsorge hat sie kaum einen Plan. Wie soll sie vorgehen?
Sie kann wählen, ob sie ihre Vorsorge schwergewichtig in der 2. Säule ansiedeln will, oder ob sie ihr Altersguthaben in der 3. Säule anspart. Am Anfang dieser Entscheidung steht, welche Form der Selbständigkeit Raffaela wählen will. Es gibt nämlich zwei Formen.
Was genau heisst «selbständig»?
Als "echt" selbständig gilt, wer in einer eigenen Firma das Risiko trägt, also für Kosten sowie Investitionen aufkommt und für Verluste geradesteht und eine Firma unabhängig führt. Als Kriterium gilt unter anderem auch, dass jemand unter eigenem Namen und auf eigene Rechnung arbeitet. (Eine Auflistung der Kriterien des Kantons Zürich gibt es hier.) Die Rechtsformen dazu sind eine Einzelfirma oder eine Kollektiv- oder Kommanditgesellschaft. Die "echten" Selbständigen sind wie Angestellte AHV-pflichtig, müssen sich aber von sich aus bei der Ausgleichskasse ausdrücklich als selbständigerwerbend beim Kanton anmelden, in der die Firma ihren Sitz hat.
Daneben gibt es aber auch die "unechten" Selbständigen. Wenn jemand eine GmbH oder eine Aktiengesellschaft gründet oder übernimmt, kann er sich bei der eigenen Firma selbst anstellen. So erfüllt er die Voraussetzungen für echte Selbständigkeit nicht. Welche Form man letztlich wählt, ist wichtig und hat Auswirkungen auf die Vorsorge: "Sowohl bei der Rechtsform wie auch bei der Vorsorge gehen viele Selbständige unüberlegt vor", sagt Thomas Hilfiker, Vorsorgeexperte und Inhaber der Beratungsfirma Hilfiker & Partner in Aarau.
Wert der eigenen Firma
Wie eine Immobilie kann zunächst die eigene Firma als wertsteigernde Investition und damit als Anlage fürs Alter betrachtet werden. Indem Gewinne wiederinvestiert werden, lässt sich der Wert erhöhen. Als alleinige Altersvorsorge geeignet ist die Firma aber nur, wenn der Wert eines Tages hoch genug ist. Das Risiko ist natürlich, dass die eigene Firma nicht immer Gewinn macht und an Wert verliert. Somit soll der Firmenwert zwar als Teil einer Finanzplanung berücksichtigt werden, aber nicht einziges Standbein bleiben.
Diese Überlegung gilt natürlich auch für Arbeitnehmer, die in die Selbständigkeit gehen und dafür Pensionskassengelder beziehen. Vor allem für ältere Firmengründer sollte ein Geld-Puffer im PK-Vermögen belassen werden.
Selber eine Pensionskasse suchen
Selbständige können sich einer Pensionskasse nur anschliessen, wenn die so genannte Kollektivität erfüllt ist. Das bedeutet, dass mindestens zwei Personen in der Pensionskasse versichert sein müssen. Es gibt Möglichkeiten, das zu umgehen.
Ein Weg wäre, sich über einen Berufs- oder Branchenverband anzuschliessen. Der Nachteil ist, dass keine Wahlfreiheit und wenig bis kein Gestaltungsspielraum für die individuelle Gestaltung des Vorsorgeplanes besteht. Über Pensionskassen sollte man sich informieren, etwa dahingehend, ob sie unterdeckt sind oder einen grossen Überhang von Bezügern gegenüber Einzahlenden aufweisen.
Möglich ist auch, sich der Stiftung Auffanggesellschaft BVG anzuschliessen. Diese Einrichtung des Bundes ist ein Produkt der Sozialpartnerschaft und ist gedacht für jene, die sonst keine Pensionskasse finden. Die Auffanggesellschaft stellt alle Aufgaben einer Vorsorgeeinrichtung sicher. Der Nachteil ist aber, dass es für alle - Leistungen wie Betreuung - nur das Minimum gibt. Für Selbständige mit Angestellten gibt es indessen auch die Möglichkeit, die Pensionskasse über ein Kollektivleben-Produkt bei einem Versicherungsunternehmen einzurichten.
Säule 3a
Die Säule 3a bietet für Selbständige im Sinne der AHV, die keiner Pensionskasse angeschlossen sind, andere Bedingungen als für Angestellte, bei denen der Anschluss an eine Pensionskasse Vorschrift ist. Statt 6768 Franken pro Jahr können Selbständige bis zu 20 Prozent des Einkommens oder maximal 33‘840 Franken pro Jahr einzahlen. Dieser Betrag kann vom steuerbaren Einkommen abgezogen werden.
Die Säule 3a als Bankkonto bietet den Versicherten ein relativ hohes Mass an Flexibilität. Was die Banklösung allerdings nicht miteinschliesst, sind Risiken wie Unfall, Krankheit sowie Invalidität und Tod. Diese können nur über eine Versicherungspolice gedeckt werden. Aber auch hier sind die Leistungen gegenüber einer Pensionskassenlösung schlechter. Denn Kinder und Hinterbliebene profitieren nicht im selben Mass, wie bei einer Pensionskasse.
Wenn die Vorsorge – inklusive der Abdeckung von Risiken – lückenhaft sei, könne dies schnell schwere Folgen haben: "Für einen Startup-Unternehmer kann ein Unfall oder eine Krankheit im ersten Geschäftsjahr den Konkurs bedeuten", sagt Vorsorgespezialist Hilfiker.
Zweite oder dritte Säule?
Bei einer frischen Firmengründung bietet sich die 3a-Lösung unter Umständen an, wie Florian Schubiger von Vermögenspartner sagt. "Man hat oft noch ein tiefes Einkommen und wenig Geld zum Sparen." In vielen Fällen ergebe es dann Sinn, neben dem Sparen auch eine reine Risikoversicherung (und keine teure gemischte Lebensversicherung mit Spar- und Risikokomponente) abzuschliessen.
Vorsorgeexperte Thomas Hilfiker rät seinen Kunden häufig dazu, eine Kapitalgesellschaft zu gründen und auf die "reine" Selbständigkeit zu verzichten: "So können sie sich auch als Einzelperson einer Pensionskasse anschliessen, dort Steuern sparen und gleichzeitig kostengünstig Risiken abdecken. Sich separat gegen diese Risiken abzusichern wird für einen Selbständigen schnell ziemlich teuer."
Selbständige mit höherem Alter beziehungsweise in etablierten Einzelfirmen fahren oft besser mit einer Pensionskasse, wie auch Florian Schubiger sagt: "Dabei besteht die Möglichkeit von Pensionskasseneinkäufen und steuerlichen Optimierungen.“ Der Nachteil der reinen Säule 3a-Lösung bestehe auch darin, dass man dort im Alter keine klassische Pensionskassenrente beziehen könne.
Auf die Säule 3a verzichten müssen aber auch jene nicht, die sich einer Pensionskasse angeschlossen haben: Weil man als "unechter" Selbständiger die Rahmenbedingungen eines Angestellten hat, kann man dort die maximal möglichen 6768 Franken pro Jahr einzahlen und auch so die Steuervorteile geniessen. Die Säule 3a ist dann ein zusätzliches Standbein in der Vorsorge, neben der Pensionskasse.
Der richtige Plan
IT-Unternehmerin Raffaela aus dem oben genannten Beispiel tut sich keinen Gefallen, wenn sie das Thema Vorsorge vernachlässigt. Ihr Vorteil ist, dass sie mit 29 noch einen langen Vorsorgehorizont hat. Für das erste Jahr der Selbständigkeit verlässt sie sich auf die Säule 3a, und versucht, dort so viel wie möglich einzuzahlen.
Mit wachsendem Einkommen will sie aber zur Pensionskassenlösung greifen. Wenn sie eines Tages Mitarbeiter einstellt, ist dies sowieso von Vorteil: Sie kann sich und ihre Angestellten am selben Ort versichern. Der Jungunternehmerin winken dann auch Möglichkeiten, sich steuerliche Vorteile zu verschaffen. Privat sorgt sie mit der Säule 3a vor. Raffaelas Geschäft kann also abheben.