Anfang 2018 standen Bitcoin-Verfechter weltweit vor einem Scherbenhaufen. Denn: Sie hatten gerade die Mutter aller geplatzten Blasen erleben müssen. Ein Plus von rund 2000 Prozent in nur einem Jahr gefolgt von einem Absturz von satten 70 Prozent innerhalb weniger Wochen. Bis Ende Jahr sollte sich der Rückgang bis auf 85 Prozent kumulieren.
Seit diesem Absturz wird sich in der Bitcoin-Szene an die Theorie des Gartner-Hype-Zyklus festgeklammert. Dieser Zyklus beschreibt die einzelnen Phasen der öffentlichen Aufmerksamkeit, die eine neue Technologie durchläuft (siehe Grafik). Auf eine anfängliche Phase der Euphorie, die in völlig aufgeblähte Erwartungen mündet, kommt die grosse Ernüchterung. Nach dem ersten Absturz folgt dann allerdings die «Enlightement»-Phase, in der die Technologie von den Menschen realistischer eingeschätzt wird und sich langsam etablieren kann.
Hype-Zyklus neuer Technologien nach Gartner Inc., Quelle: Wikipedia/CC BY-SA 3.0
Anschliessend tritt eine Technologie – so zumindest die Theorie – in die «Productivity»-Phase. Hier hat sich die Technologie in unseren Alltag etabliert, ohne für grosses Aufsehen zu sorgen. Verfechter der Hype-Zyklus-Theorie könnten jetzt ihre Stunde kommen sehen und die «Enlightement»-Phase einläuten. Nach dem der Bitcoin-Kurs zum Jahreswechsel seine Talsohle durchschritten hat, geht es für die Kryptowährung seit Jahresbeginn wieder nach oben.
Erneuter Hype oder Konsolidierung?
War der Anstieg anfangs noch gemächlich, erinnert die Geschwindigkeit seit Mai wieder an die Boomphase von Ende 2017, als der Kurs bis auf 20'000 Dollar hochschnellte. Am Wochenende knackte der Bitcoin erstmals wieder die 11'000 Dollar-Marke. Doch befinden wir uns wieder in einer irrationalen Hausse, die früher oder später erneut in allgemeinem Katzenjammer enden wird? Oder stehen wir tatsächlich vor einer ersten Konsolidierungsphase, in der sich die Kryptowährung von allzu grosser Volatilität befreien kann?
Kursentwicklung des Bitcoin seit Oktober 2017 (kurz vor dem ersten grossen Boom) bis heute, Quelle: cash.ch
Glaubt man dem allgemeinen Tenor der letzten Tage, ist der Anstieg des Kurses allein eine Folge der Ankündigung von Facebook, eine eigene Währung – den Libra – einzuführen. Das Hauptargument: Die Einführung der Internetwährung stärkt die Glaubwürdigkeit von Kryptowährungen. Doch für Patrick Heusser, Händler bei Crypto Broker, greift diese Argumentation zu kurz.
Der Anstieg habe auch damit zu tun, dass vermehrt institutionelle Anleger ein stark gestiegenes Interesse an Bitcoin aufweisen, sagt er gegenüber der Nachrichtenagentur AWP. Zudem sei ein gestiegener Handel mit Derivaten basierend auf dem Bitcoin zu beobachten. Einige sähen in dem Bitcoin mittlerweile eine gute Möglichkeit, der steigenden Gefahr einer Korrektur an den Aktienmärkten zu begegnen. «Viele Anleger fassen immer mehr Vertrauen in die hinter dem Bitcoin stehenden Prinzipien»
Die nächsten Monate entscheidend
Die nächsten Wochen und Monate werden es zeigen. Erleben wir die nächste Desillusion des Bitcoin oder befindet wir uns tatsächlich in der «Enlightement»-Phase und die Kryptowährung kann sich ohne grössere Kursausschläge einigermassen stabilisieren.
Übrigens: Auch die Erfinderin des Hype-Zyklus, Jacie Fenn, irrte sich schon bei der Anwendung ihrer eigenen Theorie. Zwar sagte sie im Jahr 1999 die Dotcom-Blase voraus. Allerdings kam sie 1995 auch zu dem Schluss, dass die «Informationsautobahn», das Internet, seine Blütezeit hinter sich habe.