Dass in der Schweiz mancherorts zu viel gebaut wird, ist nichts Neues. Wie kreativ die Vermieter mit den vielen leeren Wohnungen umgehen, erstaunt aber immer wieder. Zum Beispiel in Kriens, einer Region mit besonders reger Bautätigkeit. Dort werden Mieter mit einem neuen Mobilitätskonzept angelockt: Wer auf einen Parkplatz verzichtet, erhält jedes Jahr Gutscheine im Wert zwischen 400 und 800 Franken, die er für ÖV, Carsharing oder Veloverleih einlösen kann, wie das Onlinemagazin Zentralplus berichtet.
Das Beispiel der Krienser Überbauung "Matteo" ist bei weitem kein Einzelfall, denn die Leerstandsquote steigt auch andernorts immer weiter an. Laut dem Bundesamt für Statistik wurden hierzulande Anfang Juni 72'294 leere Wohnungen gezählt, Einfamilienhäuser inbegriffen. Das sind 1,6 Prozent des gesamten Schweizer Wohnungsbestandes und 13 Prozent mehr als im Vorjahr. Es ist dies laut Immobilienmonitor der Credit Suisse der höchste Stand seit 20 Jahren.
Der Hintergrund: Mangels Anlage-Alternativen ist in der aktuellen Tiefzinsphase viel Geld in den Immobilienmarkt geflossen. Der Anlagenotstand hat zudem dazu geführt, dass auch an Lagen gebaut wurde, wo das Risiko von Leerständen grösser ist. Hinzu kommt eine gesunkene Nachfrage aufgrund rückläufiger Zuwanderung.
Mieten weiter unter Druck
Die rege Bautätigkeit bei gleichzeitig gedämpfter Nachfrage drückt auch auf die Mieten. Um Leerstände zu verhindern, werden neben solchen Aktionen wie in Kriens immer öfter auch Mietzinsrabatte gewährt. Dieser Trend dürfte sich so schnell nicht ändern, weil bei den leer stehenden Mietwohnungen keine Wende in Sicht ist.
"Bei der Zuwanderung ist zwar allmählich eine Bodenbildung erkennbar. Aber der Investorenmarkt bleibt auf absehbare Zeit vom Nutzermarkt entkoppelt", sagt Fabian Waltert, Immobilien-Experte bei der Credit Suisse. Das heisst: Ausserhalb grosser Zentren bleiben die Mieten auf hohem Niveau unter Druck (siehe folgenden Chart). Viele Vermieter würden zwar weiterhin die Anpassungen der Mietpreise möglichst lange herauszögern. Aber auch sie kämen zunehmend um tiefere Mieten nicht mehr herum, so Waltert.
Somit tritt ein weiteres Immobilien-Phänomen auf den Plan: In vielen Gemeinden macht eine Mietwohnung mehr Sinn als Wohneigentum - trotz historisch tiefer Hypothekenzinsen. Denn anders als bei den Mieten gibt es an den meisten Orten in der Schweiz keine Entspannung an der Preisfront von Eigentumswohnungen und Einfamilienhäusern (cash berichtete).
Die Immobilienpreise steigen weiter, unterstützt von der Konjunktur und der tiefen Arbeitslosigkeit. Zudem ist Bauen dank niedriger Zinsen nach wie vor sehr günstig. Erst ein Zinsanstieg würde an dieser Situation etwas ändern. Die Schere zwischen Gesamtkosten für Miete und Kauf dürfte also tendenziell noch mehr auseinandergehen.
Schon in der Vergangenheit lohnten sich selbst genutzte Immobilien vor allem in ländlichen Regionen der Schweiz. In Städten wie Genf, Zürich, Basel und Zug sind die Kosten für die eigenen vier Wände teilweise deutlich höher als die Mietkosten. Das wird erkennbar, wenn man die Angebotsmieten den durchschnittlichen Kosten für Wohneigentum (Hauskauf, Hypothekenzinsen, Unterhalt) vergleicht (hier geht’s zum ausführlichen Artikel).
Wo Mieter auf ihre Kosten kommen
Je nach Region zeigt sich allerdings ein unterschiedliches Bild. In den meisten Städten etwa seien die Mietpreise unverändert hoch, sagt Donato Scognamiglio, CEO der Immobilienberatung IAZI: "Dort sind die Leerstände äusserst gering und die Nachfrage permanent gross". In Zürich ist die Leerwohnungsziffer sogar minim zurückgegangen. Dort sind die Immobilienpreise mittlerweile so hoch, dass sie das Budget von den meisten, die noch einen Eigenheimwunsch haben, klar übersteigen.
"Relativ gesehen wird nun das Mieten tendenziell günstiger, was allerdings den unerfüllten Wunsch nach den eigenen vier Wänden nicht vollständig ersetzt", sagt IAZI-Chef Donato Scognamiglio. Denn rund 60 Prozent der Schweizer Bevölkerung seien Mieter und verfügten ohnehin nicht über die notwendigen Eigenmittel, um ein Eigenheim an zentraler Lage zu erwerben.
Dort, wo die Leerstände am stärksten ansteigen - zum Beispiel in der Nordostschweiz oder im Tessin sowie im Oberaargau - ist am ehesten mit sinkenden Mieten zu rechnen. Gut möglich, dass sich in diesen Gegenden die Mieter gegenüber den Käufern in Zukunft im Vorteil sehen.