Was die Spatzen schon seit Wochen von den Dächern pfeifen, ist seit dem frühen Montagmorgen endlich offiziell: Der schweizerisch-schwedische Industriekonzern ABB trennt sich von 80,1 Prozent des Stromnetzgeschäfts. Dieses geht an das japanische Partnerunternehmen Hitachi.

Der Erlös in Höhe von bis zu 7,8 Milliarden Dollar soll über ein Aktienrückkaufprogramm an die Aktionäre zurückgeführt werden. Für die restlichen 20 Prozent hat ABB eine Option für den Verkauf innerhalb von drei Jahren nach Abschluss der Transaktion.

Spätes Einlenken

Mit diesem Schritt kommt ABB-Chef Ulrich Spiesshofer den Forderungen der beiden Grossaktionäre Cevian Capital und Artisan Partners nach. Mit der Abspaltung des Stromnetzgeschäfts nimmt Spiesshofer vorerst auch Druck von sich selbst, stand er zuletzt doch vermehrt in der Kritik der beiden Finanzinvestoren.

Die Kritik galt einerseits der Wachstumsflaute, andererseits aber auch der enttäuschenden Aktienkursentwicklung. Seit rund fünf Jahren kommt die Aktie nicht nachhaltig von der Marke von 20 Franken weg. Der Aktienkurs werde auf absehbare Zeit von zuletzt gut 20 auf 35 Franken steigen, sagte Spiesshofer vor über zwei Jahren. Passiert ist das nicht. Vereinzelt wurden im Aktionariat in diesem Jahr gar Rücktrittsforderungen laut.

Ob Spiesshofer nun bereits aus dem Schneider ist, lässt sich noch nicht abschliessend sagen. Zumindest kommt er mit der Abspaltung des Stromnetzgeschäfts und der Aussicht auf ein milliardenschweres Aktienrückkaufprogramm den beiden Grossaktionären Cevian Capital und Artisan Partners aber in zwei zentralen Punkten entgegen. Beobachter sprechen von einem "späten Einlenken".

Weitere Details folgen erst Ende Februar

Was zudem bleibt, ist die aktuelle enttäuschende Aktienkursentwicklung. An der Schweizer Börse SIX gewinnt die ABB-Aktie zur Stunde in einem schwächeren Gesamtmarkt zwar immer noch 0,2 Prozent auf 19,63 Franken. Seit Jahresbeginn errechnet sich allerdings ein Minus von mehr als 20 Prozent.

Vermutlich geht Spiesshofer auch deshalb über die Forderungen der beiden Finanzinvestoren hinaus und verschreibt sich im Anschluss an die Abspaltung des Stromnetzgeschäfts auch gleich noch einer strategischen Neuausrichtung. Die komplizierte Matrixstruktur soll abgeschafft, die Ländergesellschaften gestärkt und die Effizienz gesteigert werden, so lautet sein Plan. Für weitere Detailinformationen sowie neue Zielvorgaben wird auf die Jahresergebnispräsentation von Ende Februar verwiesen.

Wenigstens bei Analysten kann der ABB-Chef am Montagmorgen schon mal punkten. So sieht die Bank Vontobel die Veräusserung nicht zuletzt deshalb positiv, da das Unternehmen einen Preis erhalten wird, der innerhalb des bankeigenen Bewertungsbereichs liegt. Zudem könne ABB den Verkaufserlös vor allem dann für Aktienrückkäufe nutzen, sollte der Aktienkurs unter dem schwierigeren Marktumfeld leiden. Angesichts ausbleibender grösserer Überraschungen wird die ABB-Aktie bei der Bank Vontobel weiterhin mit "Hold" und einem Kursziel von 22 Franken eingestuft.

Einige Analysten hatten sich einen besseren Preis erhofft

Wie die Zürcher Kantonalbank ergänzt, folgt ABB mit der Devestition des Stromnetzgeschäfts der Forderung verschiedener Aktionärsgruppen. Dass die aus der Transaktion resultierenden Mittel den Aktionären zurückgeführt werden, erachtet die Zürcher Bank als positiv. Sie spielt damit auf den eher mässigen Leistungsausweis von ABB bei Grossübernahmen an. Das Anlageurteil für die ABB-Aktie lautet wie bis anhin nur "Marktgewichten".

Bei J.P. Morgan zeigt man sich hingegen etwas enttäuscht, was den Verkaufspreis anbetrifft. Die US-Investmentbank erklärt sich die Differenz zu den bankeigenen Prognosen damit, dass auch rund 2,7 Milliarden Dollar an Nettoschulden den Besitzer wechseln. J.P. Morgan empfiehlt die Aktie seit wenigen Wochen mit "Underweight" und einem Kursziel von 21 Franken zum Verkauf.

Julius Bär nimmt das "Hold" lautende Anlageurteil sowie das Kursziel von 21 Franken in positive Überprüfung. Der Zürcher Bank zufolge sollte der Verkauf des Stromnetzgeschäfts zu einer schlankeren, rentableren und weniger schwankungsanfälligen Firmenstruktur führen.

Dennoch sehen Händler den Druck auf ABB-Chef Ulrich Spiesshofer nur vorübergehend weichen. Die Wachstumsflaute sei mit der Devestition nämlich nicht gelöst und die Situation in den Absatzmärkten sei alles andere als einfach, so der Tenor.