Wie dramatisch ist die Situation auf dem Wohnungsmarkt?
Martin Neff: Das gesellschaftliche Unbehagen muss gross sein, wenn Guy Parmelin wohnungsmarktpolitisch aktiv wird. In der vergangenen Zeit gab es viele Diskussionen über überhöhte Mietpreise, Landverknappung und zu wenig Wohnungen. Das löst natürlich Druck aus. Es ist generell eher selten, dass der Gesetzgeber aktiv wird. Das letzte Mal, als das Bundesamt für Wohnungswesen (BWO) auf Anweisung eines Bundesrats aktiv geworden ist, ist 14 Jahre her. Damals, 2008, war der Referenzzinssatz eingeführt worden.
Weshalb hat Guy Parmelin das Bundesamt für Wohnungswesen beauftragt, einzelne Regelungen des Mietrechts zu ändern?
Das aktuelle Mietrecht ist per se nicht auf der Höhe der Zeit. Das Gesetz ist nur auf dem Papier hart. In der Praxis hat es sich als Papiertiger erweisen. Es gibt ein breites gesellschaftliches Unbehagen, wenn es um den Mietwohnungsmarkt geht. Deshalb hat das BWO eine Evaluierung bei Stakeholdern gemacht, um zu klären, welche Themen man angehen will. Allerdings gibt es Probleme, die meines Erachtens viel dringlicher sind.
Zum Beispiel?
Die Verknappung an Wohnraum. Wenn Eigentümer ihre Kosten nicht überwälzen können, werden noch weniger Wohnungen auf den Markt kommen. Das Bauland ist knapp, es gibt jede Menge Einsprachen bei Sanierungen, bei Verdichtung fällt der ökonomische Anreiz oft weg, weil der Fiskus zu viel abschöpft. Das sind Themen, die meines Erachtens viel dringender sind, als an der Mietzinsgestaltung zu basteln. Es braucht einen funktionierenden Markt. Hat man ein genügend grosses Angebot an Wohnungen, würden die Mieten automatisch runterkommen.
Mittlerweile gibt es ein Handbuch, das 1600 Seiten umfasst, damit man das Mietrecht überhaupt versteht. Sollte man nicht gleich das ganze Mietrecht vereinfachen?
Was die Gesetzgebung auf dem Immobilienmarkt angeht, gibt es zwar viel Aktivismus auf Gemeindeebene und auf kantonaler Ebene. Staatliche Eingriffe hingegen gibt es seit dreissig Jahren kaum welche. Das beinahe planwirtschaftlich geregelte Mietrecht ist zementiert. 1990 in Kraft getreten, sind alle Anläufe einer grundsätzlichen Revision ohne Ausnahme gescheitert. In den vergangenen dreissig Jahren hat es gesetzgeberisch eigentlich nie einen grossen Wurf gegeben. Alle Vorlagen wurden zerzaust. Denken Sie nur daran, wie lange wir bereits über eine Änderung des Eigenmietwerts diskutieren. Die letzte Änderung von grösserer Natur war 2008, bei der Einführung des Referenzzinssatzes.
Haben die Vorschläge eine Chance, politisch durchzukommen?
Einzelne Regulierungsvorschläge könnten vielleicht durchkommen. Der Bundesrat steht offenbar unter Handlungszwang, dass der Druck von aussen zunimmt. Folglich muss er etwas tun, selbst wenn er letztlich nur pro forma allen Bedürfnissen nachzukommen versucht.
Dieser Artikel erschien zuerst in der "Handelszeitung" unter dem Titel: "Die Verknappung von Wohnraum ist das viel dringendere Problem"