In einem Prozess in den USA gegen Bayer hat der Pharmakonzern sich mit einem Kläger darauf geeinigt, ihn dafür zu bezahlen, dass er Berufung einlegt. Grund des scheinbar paradoxen Verhaltens ist, dass Bayer den Fall auf diese Weise vor den Obersten Gerichtshof der USA bringen will. Das Unternehmen hofft dort auf eine Entscheidung zu seinen Gunsten, was Tausenden anderer Klagen den Boden entzöge und Bayer möglicherweise Hunderte von Millionen Dollar ersparen könnte. In den Verfahren geht es um den Unkrautvernichter Roundup, der nach Ansicht der Kläger Krebs verursacht.
In der Welle von Klagen in den USA hat Bayer bereits etwa 11,6 Milliarden Dollar (9,6 Milliarden Euro) gezahlt, um Roundup-Verfahren zu vergleichen - sowohl für die anhängige Prozesse von 125.000 Verbrauchern und Landwirten, als auch für noch nicht erhobene Klagen. Bayer schlägt sich mit dem Streitkomplex seit dem Kauf von Monsanto im Jahr 2018 herum. Fast täglich werden neue Schadensersatzfälle eingereicht.
Die Berufung, die Bayer nun selbst mittels des aussergewöhnlichen Vergleichs vorantreibt, soll helfen, neue Klagen zu stoppen. In dem Prozess, den John Carson aus dem Bundesstaat Georgia gegen Bayer 2017 angestrengt hat, hat der US-Bezirksrichter R. Stan Baker aus Savannah zwar Bayers Antrag auf Klageabweisung abgewiesen. Doch hat er einen Teilentscheid erlassen, der Bayer entgegenkommt.
Baker entschied im Dezember, dass Bayer die Roundup-Nutzer nicht vor einem möglichen Krebsrisiko warnen musste, weil die US-Umweltschutzbehörde zuvor das Produktetikett genehmigt hatte. Andere Bezirksgerichte waren dieser Argumentation nicht gefolgt. Damit das Teilurteil im Fall Carsons über den Einzelfall hinaus Bedeutung erlangt, möchte Bayer es von einem Bundesberufungsgericht absegnen lassen. Deshalb hat Bayer in dem Vergleich mit Carson vereinbart, dass er gegen die Entscheidung von Richter Baker Berufung einlegt. (Der Deal verlangt auch, dass Carson den Teil des Rechtsstreits, den er gewonnen hat, aufgibt.)
Vor dem Bundesberufungsgericht zu gewinnen wäre der erste Schritt für Bayer. Wichtiger ist, die Sache vor den Oberste Gerichtshof, den US Supreme Court, zu bringen, was leichter wird, wenn verschiedene Bundesberufungsgerichte die Frage unterschiedlich entscheiden. Bayer ist zuversichtlich, sich vor dem Supreme Court durchzusetzen. Entscheidet der zugunsten von Bayer, wäre der stetige Strom von Roundup-Klagen zu stoppen, sagt Adam Zimmerman, Professor an der Loyola Law School.
Bayer verteidigte seinen Vergleich mit Carson, nennt aber nicht die Summe, die der Kläger erhält. “Die Parteien haben eine Vereinbarung getroffen, den Carson-Fall zu vertraulichen Bedingungen zu beenden, je nach Ausgang des Berufungsverfahrens”, so Bayer in einer Mitteilung.
Carson und sein Anwalt reagierten nicht auf Anfragen. Laut einer E-Mail von Carsons Rechtsbeistand, die andere Anwälte erhielten, die gegen Bayer klagen, ist der Vergleich “das bestmögliche Ergebnis” für Carson.
Brent Wisner, ein Anwalt aus San Francisco, der an Roundup-Klagen gegen Bayer beteiligt ist, attackierte in einem Interview das Vorgehen. Bayer “versucht, eine Berufungsentscheidung zu kaufen”, sagte er.
(Bloomberg)