Zur Rose wächst und wächst. Im vergangenen Jahr konnte der Gesamtumsatz wiederum um über 20 Prozent auf mehr als 1,2 Milliarden Franken gesteigert werden, die Konsens-Erwartungen wurden damit leicht übertroffen. In Deutschland - dem wichtigsten Markt - konnte gar ein Drittel mehr umgesetzt werden.
So ein Resultat freut die Aktionäre, müsste man meinen. Seit der Publikation dieser Zahlen vor sechs Tagen hat die Zur-Rose-Aktie aber weitere 6 Prozent eingebüsst. Die Talfahrt, die eigentlich schon seit dem Börsengang im Juli 2017 anhält, setzt sich also fort. Der Schlusskurs am allerersten Handelstag lag bei 160 Franken, aktuell notiert die Aktie auf einem neuen Rekordtief bei 85 Franken:
Kursentwicklung Zur-Rose-Aktie seit dem Börsengang am 6. Juli 2017, Quelle: cash.ch
Es sind zwei Bereiche, die aktuell den Investoren Sorge bereiten. Zum einen das Schweizer Retailgeschäft, wo staatlich verordnete Preissenkungen den Umsatz im vergangenen Quartal belasteten (-6,9 Prozent) und auch im laufenden Jahr weiter belasten dürften. Gemäss Zürcher Kantonalbank (ZKB) ist dies vor allem auf ein neues Hepatitis-Medikament zurückzuführen, welches noch halb so viel wie sein Vorgänger kostet und nur noch zwei statt drei Monate eingenommen werden muss.
Darüber hinaus verzeichnete auch das Geschäft mit verschreibungspflichtigen Medikamenten in Deutschland im vergangenen Quartal einen Umsatzrückgang (-1,1 Prozent). Der Grund: Zur Rose bewirbt diese Produkte derzeit nicht mehr aktiv. Das Management will die Mitte 2019 erhoffte Einführung eines elektronischen Rezepts abwarten, bis diese Medikamente wieder gepusht werden. Das Jahr 2019 dürfte nochmals schwierig werden für den verschreibungspflichtigen Bereich von Zur Rose.
Bislang muss in Deutschland das Papierrezept des Arztes in ein Couvert gesteckt und an Zur Rose gesendet werden, damit das Medikament verschickt werden darf. Kommt das E-Rezept, geschieht die Rezeptvergabe neu Online über den Arzt, ohne Postversand. Längerfristig wäre dies eine klare Verbesserung für den Online-Player Zur Rose. Allerdings müssen die Ärzte künftig auch willens sein, die Rezepte elektronisch zu erteilen.
Mehr Licht als Schatten
Insgesamt gibt es bei Zur Rose aber mehr Licht als Schatten. Als etwa vergangenen November Wachstumsängste die Runde machten, da der niederländische Konkurrent "Shop Apotheke" eine Gewinnwarnung herausgab, reagierte Zur Rose kurzerhand mit einer Erhöhung der eigenen Finanzziele. 2019 rechnet das Unternehmen aus Frauenfeld mit einem um über 30 Prozent höheren Umsatz und in den Folgejahren mit organischen Wachstumsraten deutlich über 10 Prozent. Darüber hinaus soll die Gewinnmarge (Stufe Ebitda) ab 2020 5 bis 6 Prozent des Umsatzes betragen. Ab 2021 ist dann auch eine Dividendenzahlung denkbar, wie CEO Walter Oberhänsli vergangenen September im cash-Interview sagte.
Bisher hat sich die aggressive Akquisitionsstrategie von Zur Rose ausgezahlt. Hauptsächlich in Deutschland wurde an Grösse dazugekauft und massiv an Marktanteilen dazugewonnen. Aber nicht nur dort: Mit der Akquisition der spanischen Handelsplattform Promofarma im August 2018 wird der geografische Fokus nach der Schweiz und Deutschland nun auch auf das restliche Europa gerichtet. Promofarma ist noch klein, wächst aber jährlich um knapp 50 Prozent. Mithilfe dieser Online-Plattform will Zur Rose bald mit wenig finanziellem Aufwand in die Märkte Italien und Frankreich eintreten.
Auch steht die Option im Raum, dass Zur Rose zum Übernahmeziel wird. Denkbar wäre etwa ein Kauf durch Amazon, sollte der Online-Riese den Einstieg ins europäische Medikamentengeschäft wagen. In den USA ist Amazon mit dem Kauf der Versandapotheke "PillPack" im vergangenen Sommer bereits zur Online-Apotheke geworden.
Analysten sehen über die nächsten Jahre bei Zur Rose enormes Potenzial. Die UBS erwartet etwa, dass Zur Rose in diesem Jahr zumindest eine schwarze Null schreibt und dann ab 2020 in die Gewinnezone tritt. Die Grossbank empfiehlt zum Kauf mit einem Kursziel bei 148 Franken - stolze 75 Prozent über dem aktuellen Kurs. Die Berenberg Bank setzt in der jüngsten Kaufempfehlung das Kursziel gar auf 150 Franken. Etwas weniger euphorisch ist einzig die ZKB, die den Titel vor einer Woche auf "Marktgewichten" heruntergestuft hat. Die ZKB-Analystin Sibylle Bischofberger stuft jedoch den Investment-Case langfristig als attraktiv ein, den fairen Wert der Aktie sieht sie bei 104 Franken.