Herr Neff, Aktien- und Bondmärkte sind Mitte März geradezu kollabiert. Das meiste Geld der Menschen steckt jedoch in Immobilien. Wie hielt sich die Anlageklasse?
Martin Neff: Eigentlich gut. Im Eigenheimmarkt sind die Preise im ersten Quartal noch leicht gestiegen. Auch im zweiten Quartal erwarte ich noch keine fallenden Preise. Aber das Bild könnte trügerisch sein. Denn die Preise im Immobilienmarkt sind träge und reagieren erst mit einer zeitlichen Verzögerung von einigen Monaten auf eine Änderung der gesamtwirtschaftlichen Situation. Am Schweizer Immobilienmarkt wird die Corona-Krise nicht spurlos vorüberziehen.
Wie sehen die Spuren aus?
Was gegenwärtig einbricht, sind die Transaktionen. Das leiten wir aus den deutlich rückläufigen Inseraten ab. Die Kaufbereitschaft ist natürlich gering. So grosse Entscheidungen wie den Kauf eines Hauses oder einer Wohnung macht man nicht gerne in einem unsicheren Umfeld mit schwer einzuschätzenden wirtschaftlichen und beruflichen Perspektiven.
Die Nachfrage sinkt, wie sieht es mit dem Angebot im Eigenheimmarkt aus?
Bei Stockwerkeigentum ist die Pipeline an neuen Bauten durch die sinkende Zuwanderung bereits seit 2017 rückläufig und wird jetzt weiter ausgedünnt. Die Baubewilligungen gehen seit 2015 um 20 bis 25 Prozent zurück. Das Angebot wird also knapper. So gleicht das die sinkende Nachfrage ein Stück weit aus.
Wie wirken sich die Zinsen auf den Immobilienmarkt aus?
Die tiefen Zinsen sind auf Jahre zementiert. Eigentum bleibt im Vergleich zur Miete finanziell gesehen die attraktivere Wahl. Die Eigenheimpreise sind daher vor wirklich grösseren Preisrückschlägen sicher.
Wie düster ist die Lage bei Geschäftsimmobilien?
Es gibt bei den Mieteinnahmen ein paar Ausfälle. Die sind schmerzhaft, brechen dem Sektor aber nicht das Genick. Ein Jahr, das renditemässig ein wenig schlechter daherkommt. Bei diversifizierten Milliarden-Portfolios kostet das vielleicht 20 Basispunkte Rendite. Bremsspuren, aber kein Blutbad.
Machen Anlagen in Immobilien Sinn?
Ich halte Immobilien vom Risiko-Chance-Profil her gerade 2020 für die attraktivste Anlageklasse. Die Schwankungen sind mit den negativ rentierenden «Eidgenossen» vergleichbar, die Anfangsrendite von mindestens drei Prozent ist deutlich höher. Die Klumpenrisiken sind bei direkten Investitionen natürlich nicht zu vernachlässigen.
Martin Neff (*1960) ist seit 2013 Chefökonom von Raiffeisen Schweiz. Davor war der studierte Ökonom bei der Credit Suisse in verschiedenen Führungspositionen im Bereich Research tätig. Nach dem Studium in Konstanz und einem Abstecher zum Schweizerischen Baumeisterverband war die damalige Schweizerische Kreditanstalt (SKA) seine erste Station in der Bankenwelt.
Das Interview erschien zuerst bei handelszeitung.ch unter dem Titel: «Raiffeisen-Chefökonom Martin Neff: «Bremsspuren, aber kein Blutbad»»