Viele am Markt vermuten es schon lange: Retail-Investoren spielen eine wichtigere Rolle, als es ihr eigentliches Gewicht am Markt vermuten lässt. Nach der beliebten US-Online-Gratisplattform auch "Robinhood-Trader" genannt, sind diese oft recht jungen Neo-Anlegerinnen und -anleger im Lauf des Jahres 2020 vor allem im Aktienhandel sehr sichtbar geworden.
"Die von Robinhood ausgehende Nachfrage hat die negativen Renditen schon im ersten Quartal nachhaltig abgemildert", schreiben die Autoren Philippe van der Beck und Coralie Jaunin in einer Studie des Swiss Finance Institute. In der Erholung sei der Effekt dann noch stärker gewesen. Die Robinhooders haben gemäss der Studie der aggregierten Marktbewertung ein Prozent hinzugefügt. Bei kleinkapitalisierten Aktien seien es 20 Prozent gewesen.
Ein Teil des Phänomens lässt sich damit erklären, dass viele Amerikaner vor einem Jahr begannen, die Stimulus-Checks der Regierung zur Linderung der wirtschaftlichen Folgen der Pandemiekrise in den Aktienhandel zu stecken. Ein zweites Mal spektakulär traten die Retail-Investoren im Januar und Februar 2021 ins Rampenlicht, als sie stark leerverkaufte Aktien wie jene des Computerspielhändlers GameStop in die Höhe trieben.
Einfluss fünf Mal grösser als Vermögenswerte
Nach dem Absturz der Märkte im Februar und März des vergangenen Jahres tauchten die Robinhooders plötzlich auf. Im zweiten Quartal 2020 übten sie einen fünf Mal so grossen Einfluss aus, als der tatsächliche Umfang ihrer Vermögenswerte es eigentlich zulassen würde. Dies zumindest ergeben Untersuchungen des Swiss Finance Institute.
Dabei wird der Anteil der Retail-Investoren am amerikanischen Aktienmarkt auf 0,2 Prozent der gesamten Marktkapitalisierung geschätzt. Doch die Nutzer der beliebten Robinhood-App allein sorgten in der Periode von April bis Juni für 10 Prozent der Marktbewegungen.
Einen Grund sieht die Untersuchung des Swiss Finance Institute darin, dass diese Retail-Trader viel stärker auf Preisschwankungen reagieren als institutionelle Anleger. Dies will heissen, sie setzen mehr auf kurzfristige Kursveränderungen und kaufen und verkaufen schneller als die Asset Manager bei etablierten Vermögensverwaltungen.
Mehr Volatilität erwartet
Die Robinhood-Trader konzentrieren sich vor allem auf kleinkapitalisierte Aktien und dabei besonders auf die Konsumgüterindustrie. Sie haben aber auch die Kurse einiger grösserer Unternehmen bewegt, vor allem solche, die von grossen Anlagegesellschaften in Form passiver Investments wie beispielsweise ETF gehalten werden.
Während in der Markterholung vor einem Jahr versorgten die Retail-Trader den Aktienhandel mit "beträchtlicher" Liquidität, wie die Studie festhält. Weil die Zahl dieser Anlegerinnen und Anleger zunimmt, dürften sie künftig auch für mehr Volatilität sorgen. "Wenn, erleichtert durch neue Fintech-Angebote, der Retail-Sektor seinen Anteil an den Vermögenswerten weiter ausbaut, könnte sich die ausserordentliche Volatilität während der Pandemiezeit als die neue Normalität erweisen."
Im Zuge der Erfolgswelle mit der Trading-App ist Robinhood allerdings auch in die Kritik geraten. Eine Kontroverse dreht sich darum, ob viele unerfahrere Anlegerinnen und Anleger durch falsche Vorstellungen von schnellen Gewinnen angezogen werden. Eine weitere Diskussion ist um die Preisgestaltung entbrannt: Robinhood gaukle Nutzerinnen und Nutzern vor, das Angebot sei gratis, obwohl auch diese Form des Tradens Kosten verursacht, so der Vorwurf der Kritiker.