Seit dem russischen Einmarsch in die Ukraine sind die Rohstoffpreise ausser Kontrolle geraten. Neben den wichtigen russischen Exportgütern Erdöl und Erdgas steigen vor allem die Preise für Weizen. Schliesslich kommen rund 30 Prozent der weltweiten Weizen-Exporte aus Russland und der Ukraine, wie Commerzbank-Analyst Carsten Fritsch betont. Sie seien nun vom Weltmarkt abgeschnitten.

Das bereitet vor allem Staaten in Nordafrika und im Nahen Osten Probleme, sie sind Hauptabnehmer für Weizen und subventionieren häufig Brot als Grundnahrungsmittel. Gleichzeitig wächst dort wegen des heissen und trockenen Klimas kaum Weizen.

Verschärft wird die Versorgungskrise durch die niedrigen Lagerbestände. Dem Branchenverband International Grains Council (IGC) zufolge werden die Reserven der grossen Exporteure EU, Russland, USA, Canada, Ukraine, Argentinien, Australien und Kasachstan in der aktuellen Erntesaison 2021/2022 auf ein Neun-Jahres-Tief von 57 Millionen Tonnen fallen. Dies reicht gerade einmal aus, um den weltweiten Bedarf für 27 Tage zu decken. Rechnet man die russischen und ukrainischen Lagerbestände heraus, sinkt diese Frist auf weniger als drei Wochen.

Welche Rolle spielt China? 

Die grosse Unbekannte in diesem Spiel ist China. Dem IGC zufolge sitzt das Land auf 131 Millionen Tonnen Weizen, knapp der Hälfte der weltweiten Reserven. Diese Zahlen lassen sich aber nur schwer verifizieren, da die Regierung in Peking diese als strategisch wichtig betrachtet. In diesem Zusammenhang hatte das Land in der Saison 2005/2006 Mindest-Abnahmepreise eingeführt, um die chinesischen Bauern zum Weizen-Anbau zu motivieren. China hat in den vergangenen Jahren jeweils etwa eine Million Tonnen Weizen exportiert, unter anderem nach Nordkorea.

"In den vergangenen ein, zwei Jahren ist die Nahrungsmittel-Versorgungssicherheit wieder stärker in den Mittelpunkt gerückt", sagt IGC-Volkswirt Alexander Karavaytsev. Daher habe Peking den Abnahmepreis 2021 zum ersten Mal seit sieben Jahren angehoben. Auch in anderen Staaten steht das Thema Versorgungssicherheit wieder auf der Tagesordnung, da Lieferprobleme durch die Coronavirus-Pandemie und Missernten den Weizenpreis seit längerem nach oben treiben. In den vergangenen beiden Jahren hat sich der europäische Weizen-Future fast verdoppelt und erreichte zuletzt mit 390,75 Euro je Tonne ein Rekordhoch. US-Weizen verbuchte ein Plus von knapp 150 Prozent und ist mit 13,40 Dollar je Scheffel ebenfalls so teuer wie nie. Allein seit Kriegsausbruch Ende Februar legten die beiden Terminkontrakte 33 beziehungsweise 53 Prozent zu.

Dan Basse, Manager der Beratungsfirma AgResource, beurteilt die Versorgungslage zurückhaltend. Das Weizen-Angebot sei insgesamt knapp. Wenn ein Produzent ein Problem bekomme, gebe es ein Defizit. Gleichzeitig befürchten Experten, dass der Krieg russische und ukrainische Bauern in diesem Frühling von der Aussaat abhalten wird.

(Reuters/cash)