Notenbanken haben in den letzten Jahren tief ins Waffenarsenal gegriffen und exotisch klingende Instrumente wie ZIRP (Nullzinspolitik), NIRP (Negativzinspolitik) und QE (geldpolitische Lockerung) gefunden und angewendet. All diese unkonventionellen Massnahmen hätten die Inflation ankurbeln sollen.
Aber eben: Hätten. In der Schweiz lagen die Konsumentenpreise im Januar bei sehr tiefen minus 1,3 Prozent zum Vorjahr, und auch im Euroraum befindet man sich mit minus 0,2 Prozent im negativen Bereich. Das ist weit entfernt vom ihrem im Jahr 2003 gesteckten Ziel von nahe 2 Prozent - eine Marke, bei der die Europäische Zentralbank (EZB) Preisstabilität garantiert sieht.
Nun lädt die EZB noch mehr Munition nach und wird ab April monatlich neu 80 Milliarden Euro anstatt wie bisher 60 Milliarden in die Märkte schiessen, wie sie am Donnerstag bekannt gab. Zudem senkte sie den Leitzins auf null.
Doch an den Finanzmärkten setzt sich zunehmend auch die Auffassung durch, dass die grossen Notenbanken angesichts ihrer bereits extrem lockeren Geldpolitik mit ihrem Latein am Ende sein könnten. Das sagte kürzlich auch David Bloom, Devisenchefstratege von der britischen Grossbank HSBC, im Interview mit cash. Was also, wenn die Finanzspritzen der Notenbanken der Wirtschaft nicht den benötigten Schub verleihen können und die Notenbanken endgültig nicht mehr weiterwissen?
Es gäbe einen (vielleicht letzten) Weg. Das Helikoptergeld. Auch renommierte Finanztitel wie die "Financial Times" und der "Economist" bringen die Idee auf den Tisch. Eine alte Idee zwar, deren Umsetzung aber noch keine Notenbank gewagt hat.
Geld für alle von den Notenbanken
Der Gedanke hinter dem Helikoptergeld ist simpel: Die Notenbank soll nicht mehr über Banken Geld in die Wirtschaft pumpen, da das Geld so offenbar nicht wie gewünscht in der Wirtschaft ankommt. Das Geld soll ohne Umwege direkt den Bürgerinnen und Bürgern verteilt werden. Diese geben dann das "geschenkte" Geld aus, treiben damit die Inflation nach oben und bringen die Wirtschaft wieder in Schwung.
Soweit die Theorie. Aber könnte das in der Praxis überhaupt funktionieren? Ja, meint Daniel Lampart, Chefökonom vom Schweizerischen Gewerkschaftsbund, auf Anfrage von cash. "Helikoptergeld ist für Länder sinnvoll, in denen die Nachfrage stockt", so Lampart. Daher sei dieses Instrument aktuell für den Euroraum geeignet, da dort Nachfrageimpulse die Haushalte stärken könnte. "Wenn die Europäer mehr Geld zur Verfügung hätten, würden sie auch mehr Geld ausgeben. Das würde wiederum der Wirtschaft helfen, aus der negativen Teuerung herauszukommen."
Bei der EZB scheint das jedoch - zumindest aktuell - keine Option zu sein. An der Pressekonferenz anlässlich des jüngsten Zinsentscheides liess Präsident Mario Draghi durchblicken, dass intern nicht über Helikopter-Geld gesprochen wurde.
Übernimmt SNB die Krankenkassenprämie?
Was die Schweizerische Nationalbank (SNB) von einer solchen neuartigen Geldpolitik hält und ob sich diese in der Schweiz umsetzen liesse, wollte die SNB auf Anfrage von cash nicht kommentieren. "Das Thema liegt ausserhalb unserer gesetzlichen Kompetenzen", lässt SNB-Sprecher Walter Meier verlauten. Der Beschluss einer "Helikoptergeld-Massnahme" läge also beim Bund.
Wäre diese Hürde überwunden, käme als nächstes die Frage nach der konkreten Umsetzung hinzu. Soll das Geld durch die SNB in regelmässigen Abständen auf die Bankkonten aller Einwohner überwiesen werden oder soll die SNB staatliche Projekte durch frisch gedrucktes Geld finanzieren? Im zweiten Fall könnten Privatpersonen durch die Schaffung von Arbeitsplätzen und auch Steuerreduktionen von der Massnahme profitieren.
Eine weitere Umsetzungsmöglichkeit bringt Lampart ins Spiel: "Die SNB könnte einen Teil der Krankenkassenprämie übernehmen, zum Beispiel 1000 Franken pro Person und Jahr", so der Chefökonom des Gewerkschaftsbundes. Somit stünden den Haushalten mehr Geld für Konsum zur Verfügung.
Letzte Option, wenn alle Stricke reissen
Ein Bundesbeschluss, welcher aber die Unabhängigkeit der Nationalbank aushebelt und gleichzeitig verordnet, an alle Geld zu verteilen - das ist doch ein eher unwahrscheinliches Szenario, welches aus geldpolitischer Sicht schon fast einer Verzweiflungstat gleichkäme. Das lässt auch ein ranghoher Bundesbeamter gegenüber cash durchblicken, welcher unter vorgehaltener Hand sagt, dass die Einführung von Helikoptergeld die letzte Notbremse sei, wenn alle anderen Massnahmen versagen würden. Quasi eine Bankrotterklärung der Notenbankpolitik. Er steht mit seiner Meinung nicht alleine.
Abgesehen davon wäre auch unklar, ob das Instrument der Schweiz überhaupt helfen könnte. Denn gemäss Lampart ist nicht die mangelnde Nachfrage im Inland das Problem der Schweiz, sondern vielmehr der überbewertete Franken. Erste Priorität habe daher die Schwächung des Frankens. Und Helikoptergeld könne den Franken zwar leicht schwächen, sei aber kein effizientes Mittel zur Wechselkurssteuerung, "da sich die Devisenmärkte und die Realwirtschaft kurzfristig stark voneinander entkoppeln können", so Lampart.