Fünfundsiebzig ist das neue Fünfzig. Das gilt zumindestens für Währungshüter auf der ganzen Welt, die nach langem Zaudern und Zögern nun mehr und mehr unter Druck geraten, den Leitzins so zügig anzuheben, dass ihnen die hohen Inflationswerte nicht noch mehr aus dem Ruder laufen, als es ohnehin schon der Fall ist.

Während die Federal Reserve bereits zweimal einen “Jumbo- Zinsschritt” gegangen ist und ein drittes Mal durchaus möglich ist, wäre es für die EZBnächste Woche  nicht nur das erste Mal in diesem Jahr, sondern überhaupt eine Premiere. Die Anzeichen für einen grossen Schluck aus der Zinspulle haben sich in den letzten Tagen deutlich verdichtet, nachdem die Teuerungsrate im Euroraum mit 9,1 Prozent ein neues Allzeithoch erreicht hatte.

Natürlich bleibt grundsätzlich offen, für welchen Zinsschritt sich die europäischen Inflations-Feuerwehrfrauen und -männer am kommenden Donnerstag entscheiden. Die Wall-Street- Granden von Goldman Sachs über JPMorgan bis Bank of America sind sich aber bereits einig, dass es 75 Basispunkte werden (müssen).

Auch eine Bloomberg-Umfrage unter Ökonomen sagt dies voraus. Trotz der überraschend starken Zinserhöhung im Juli sind mehr als zwei Drittel der Befragten der Meinung, dass die Hüter des Euro im Kampf gegen die Teuerung zu langsam gehandelt haben. 

Dass die EZB nach all dem Falken-Gezwitscher aus Jackson Hole jetzt noch einen Rückzieher macht, ist auch deshalb unwahrscheinlich, weil auch der Geldmarkt voll auf dieser Linie ist und schlanke 125 Basispunkte für die nächsten beiden Sitzungen im September und Oktober eingepreist hat.

(Bloomberg)