Der EZB-Rat beschloss am Donnerstag das Ende der Anleihen-Zukäufe über das 1,85 Billionen Euro schwere Pandemie-Notprogramm PEPP ab dem Frühjahr. Fällige Tilgungsbeträge sollen jedoch noch bis mindestens Ende 2024 reinvestiert werden. Laut Insidern wird diese lange Festlegung vom scheidenden Bundesbankchef Jens Weidmann und zwei seiner Kollegen kritisch gesehen. Damit die Finanzmärkte nach dem Auslaufen der PEPP-Zukäufe ab April 2022 nicht auf dem Trockenen sitzen, schafft die EZB zudem eine flexible Brücke über das kleinere Anleihenprogramm namens APP. Dessen Ende, das als eine Voraussetzung für eine Zinswende gilt, liessen die Währungshüter aber bewusst offen.

London mit überraschender Zinswende

Die - wie die EZB - mit rasant steigenden Preisen konfrontierte Notenbank in London hatte kurz vor dem EZB-Zinsbeschluss mit einer überraschenden Zinswende für Schlagzeilen gesorgt. Und auch in den USA sind die Zeiten des billigen Geldes im nächsten Jahr wohl gezählt. EZB-Chefin Christine Lagarde machte jedoch klar, dass die Europäische Zentralbank diesem Beispiel trotz absehbar weiter hohem Inflationsdruck wohl nicht folgen wird: "Unter den gegenwärtigen Umständen, wie ich zuvor gesagt habe, ist es sehr unwahrscheinlich, dass wir die Zinsen im Jahr 2022 anheben." Das gelte weiter.

Die vorsichtige Abkehr der Notenbank in Frankfurt vom Krisenmodus vollzieht sich vor dem Hintergrund rasant steigender Preise. Die Teuerung erreichte im November in der Euro-Zone ein Rekordniveau von 4,9 Prozent. Die EZB-Ökonomen sagen für 2022 eine durchschnittliche Teuerungsrate in der Währungsunion von 3,2 Prozent voraus. Die Inflation würde damit weit über das Ziel der Notenbank von 2,0 Prozent hinausschiessen. Diese Latte dürfte laut den EZB-Auguren auch im laufenden Jahr mit voraussichtlich 2,6 Prozent klar gerissen werden.

«Gesamtpaket passt nicht zum deutlich veränderten Preisumfeld»

Kritik am geldpolitischen Kurs der EZB kam umgehend von der Bankenbranche in Deutschland: "Das heutige Gesamtpaket der Europäischen Zentralbank passt nicht zum deutlich veränderten Preisumfeld", sagte Christian Ossig, Hauptgeschäftsführer des Privatbanken-Verbandes BdB. Da für die EZB eine Leitzinsänderung erst nach dem Ende der Kaufprogramme infrage komme, werde der Leitzins mindestens bis ins Jahr 2023 deutlich im Minus bleiben. "Angesichts der extrem niedrigen Realverzinsung wächst die Gefahr, dass der Euroraum gerade für langfristige Anleger immer unattraktiver wird."

Die EZB beliess den Leitzins bei 0,0 Prozent und überdies den Einlagesatz - einer der Schlüsselzinsen - bei minus 0,5 Prozent. Die Banken müssen daher weiterhin Strafzinsen berappen, wenn sie überschüssige Gelder bei der EZB parken.

«Ein paar Mitglieder» dagegen

Lagarde räumte zugleich ein, dass "ein paar Mitglieder im Rat mit dem einen oder anderen Aspekt des Pakets" nicht einverstanden gewesen seien und es deshalb insgesamt nicht mitgetragen hätten. Allerdings sei die grosse Mehrheit dafür gewesen. Laut Insidern gehörten Bundesbankchef Weidmann, dessen österreichischer Kollege Robert Holzmann und das belgische Ratsmitglied Pierre Wunsch zum Kreis der Unzufriedenen. Sie hätten insbesondere die Entscheidung, mit den Anleihekäufen noch für Jahre fortzufahren, kritisch gesehen, sagten mehrere mit der Situation vertraute Personen der Nachrichtenagentur Reuters. Den Insidern zufolge erschien den genannten Währungshütern der Zeitraum für die Reinvestitionen im Rahmen von PEPP bis Ende 2024 als viel zu lang. Damit lege sich die EZB zu stark fest, zumal die Inflation in der Zwischenzeit womöglich die Zielmarke klar übertreffen könne.

Abkehr vom Krisenmodus

"Die EZB sagt Tschüss zum PEPP und wird ab Januar beständig weniger Wertpapiere kaufen", so das Fazit von Chefökonom Alexander Krüger vom Bankhaus Lampe. Die Hüter des Euro justieren zugleich ihr kleineres Anleihenprogramm APP neu: Die Ankäufe im Volumen von zuletzt 20 Milliarden Euro pro Monat werden im zweiten Quartal 2022 auf 40 Milliarden Euro verdoppelt, im dritten Quartal dann auf 30 Milliarden Euro zurückgefahren. Ab Oktober kommenden Jahres soll das Ankauftempo dann auf 20 Milliarden Euro gesenkt und so lange beibehalten werden, wie es zur Förderung der Konjunktur notwendig ist.

(Reuters)