"Es ist gefährlich": So kommentiert Bill Gross die Politik der Notenbanken. "Das ist alles eine Traumwelt, die gestützt wird durch Zinsen, die nicht dort stehen, wo sie stehen sollten."
Der Gründer von Pimco und weltbekannte "Obligationen-Guru" sieht zwar keine drängenden Inflationsgefahren: In einem Gespräch mit der "Financial Times" äusserte er Zweifel, dass die Teuerung auf dem hohen Niveau bleiben wird, das sie momentan beispielsweise in den USA erreicht hat – oder dass sie sich sogar beschleunigen könnte. Allerdings werde sie in absehbarer Zeit wahrscheinlich auch deutlich über dem 2-Prozent-Ziel verharren, welches sich die US-Notenbank Fed gesetzt hat.
Einerseits – andererseits
Dabei sei fraglich, so der inzwischen pensionierte Finanzexperte, ob die Fed oder andere Zentralbanken die Geldzügel ernsthaft anziehen würden – oder könnten. Denn wenn sie auf der einen Seite Finanzmarkt-Exzesse und Inflationsdruck dämpfen möchten, riskieren sie Erschütterungen in den Märkten, welche die wirtschaftliche Erholung bedrohen würden.
"Sie können nicht viel tun", so Gross. Und so werde sich Fed-Chef Jay Powell wohl versuchen, sich "herauszuschleichen" ("creep out") und vielleicht nächstes Jahr die Zinsen langsam zu erhöhen.
Momentan herrsche wegen der tiefen Zinsen und der giganten Bond-Ankaufsprogramme eine Finanzeuphorie, die sich bis zu den NTF erstrecken – und die sei gefährlich.
Denn die Tiefzinsphase habe den Sparern schwere Lasten aufgebürdet, und dies werde sich noch rächen: "An irgendeinem Tag, in irgendeinem Jahr oder in irgendeinem dieser Jahrzehnte wird das System kollabieren. Denn der Kapitalismus hängt davon ab, dass Sparer sparen und dann investieren."
(HZ/rap)
Dieser Artikel erschien zuerst im Digitalangebot der "Handelszeitung" unter dem Titel: "Bill Gross: Die Anleger leben in einer Traumwelt"