Ben Bernanke, Timothy Geithner und Henry Paulson äusserten sich, zehn Jahre nachdem sie im Kampf gegen die letzte Krise wichtige Funktionen inne hatten, alle besorgt im Hinblick auf Amerikas Fähigkeit, einen weiteren finanziellen Zusammenbruch zu bekämpfen.

Sie sind sich zwar einig, dass das Bankensystem viel stärker ist als damals, aber sie sehen einige Schwachstellen im Krisenbekämpfungsarsenal, das es vor zehn Jahren noch nicht gab. Die drei verurteilten in einem gemeinsamen Briefing für Journalisten auch die aufgeblähten Haushaltsdefizite des Landes.

"Wir haben eine bessere Verteidigung gegen die milderen, typischen Schocks, die es in Volkswirtschaften und Finanzsystemen gibt, aber in einer extremen Krise wahrscheinlich weniger Freiheiten, mehr Beschränkungen, als es ideal wäre", sagte der ehemalige Finanzminister und Präsident der New Yorker Federal Reserve Bank Geithner.

Nachdem die letzte Krise die Wirtschaft in die schlimmste Rezession seit der Weltwirtschaftskrise getrieben hatte, führten die USA eine Reihe von Reformen ein. Einige wurden entwickelt, um die grössten Banken des Landes zu stärken und ihre Schliessung zu erleichtern, damit sie nicht vom Staat gerettet werden müssen, wenn sie in Schwierigkeiten geraten.

Andere wiederum beschränkten die Ermessensbefugnisse der Fed, des Finanzministeriums und der Einlagensversicherung Federal Deposit Insurance Corp. zur Stützung von Finanzinstituten, nachdem die Politiker auf eine öffentliche Gegenreaktion gegen Rettungsaktionen und die Wall Street reagierten.

Der Fed-Vize-Vorsitzende für die Aufsicht, Randal Quarles, räumte im April ein, dass sich die den Aufsehern im Notfall zur Verfügung stehenden Instrumente geändert haben. Aber er sagte auf einer Konferenz in Washington auch: "Ich würde nicht zu negativ bezüglich unserer Fähigkeit sein, in Zukunft zu reagieren."

Sein Chef, der Fed-Vorsitzende Jerome Powell, hat sein Vertrauen in die Fähigkeit der Regierung zum Ausdruck gebracht, ein angeschlagenes Finanzinstitut in einer Krise zu schliessen, ohne dabei staatliches Geld hineinbuttern zu müssen. Auch sagte er im November gegenüber den Gesetzgebern, dass keine Bank zu gross sei, um scheitern zu können.

Geithner, der nun Präsident der Private-Equity-Gesellschaft Warburg Pincus ist, argumentierte, dass die Notfallbefugnisse, die vor einem Jahrzehnt so wichtig waren, heute "etwas schwächer" seien.

Vom Kongress auferlegte Begrenzungen

Der ehemalige Finanzminister Paulson stimmte zu und wies insbesondere auf die Begrenzungen hin, die der Kongress der Einlagenversicherung FDIC und dem Exchange Stabilization Fund des Finanzministeriums auferlegt hat.

"Hier gibt es einige Bedenken", sagte der ehemalige Fed-Vorsitzende Bernanke, der jetzt ein hochrangiger Mitarbeiter der Brookings Institution in Washington ist, obwohl er auch darauf hinwies, dass die Aufsichtsbehörden jetzt besser auf mögliche systemische Risiken eingestellt sind.

Der ehemalige Fed-Chef, der von George W. Bush nominiert wurde und von Barack Obama eine zweite Amtszeit erhielt, kritisierte die von Präsident Donald Trump und dem Kongress beschlossenen, das Defizit verstärkende Steuersenkungen und Ausgabenerhöhungen als zeitlich unpassend. Bernanke verwies darauf, dass sie zu einem Zeitpunkt kommen, da das Land die Vollbeschäftigung fast erreicht hat. Er äusserte sich auch besorgt über die längerfristigen Folgen einer rasch steigenden Staatsverschuldung.

"Es wird uns langsam die Luft abgedreht"

"Wenn wir nicht handeln, ist das die sicherste Fiskal- oder Wirtschaftskrise, die wir haben werden", sagte Paulson, der in Chicago sein eigenes Institut leitet. "Es wird uns langsam die Luft abdrehen."

Die Anstieg bei den Defiziten und der Verschuldung bedeutet auch, dass die Regierung weniger Spielraum hat, die Nachfrage anzukurbeln als während der letzten Krise, als Obama ein massives Konjunkturpaket durchsetzte, sagte Geithner.

Öffentlich gehaltene Bundesschuldverschreibungen machen jetzt 77 Prozent des Bruttoinlandsprodukts aus, doppelt so viel wie 2007.

Auch die Fed habe weniger Handlungsspielraum, da die Zinsen niedriger seien, sagte Geithner. Der Zielzinssatz der Notenbank liegt nun bei 1,75 bis 2 Prozent, während der Leitzins im Juli 2007 bei 5,25 Prozent war.

Bernanke verwies jedoch darauf, dass die US-Notenbank reagieren besser kann als andere Zentralbanken in fortgeschrittenen Volkswirtschaften. Die Europäische Zentralbank hat beispielsweise einen Leitzins von Null.

Der ehemalige Fed-Vorsitzende sagte, die USA hätten "eine Menge Fortschritte gemacht", um strauchelnde Finanzinstitute auflösen zu können, ohne sie retten zu müssen. Paulson stimmte grundsätzlich zu, jedoch mit einem grossen Vorbehalt. Inmitten einer Krise müssen die geldpolitischen Entscheidungsträger möglicherweise vorübergehend stützen, damit ein kollabierendes Institut im Zeitverlauf liquidiert werden kann - selbst wenn sich dies als politisch schwierig erweist.

"Es ist schön, diese Autorität zu haben, aber jemand muss bereit sein, sie zu nutzen und sie auf kontroverse Weise zu nutzen", sagte er.

Auf die Frage, ob geldpolitische Entscheidungsträger und Politiker angesichts der giftigen Atmosphäre in Washington in der Lage sein würden, ihre Differenzen zur Lösung künftiger Turbulenzen beizulegen, antwortete Paulson, dass die Antwort "unbekannt" sei.

Aber, fügte er hinzu, "es ist die richtige Fragestellung."

(Bloomberg)