Eine junge Frau sitzt singend auf einem Auto, Häuserschluchten rundherum, es tauchen weitere gut gelaunte Passanten auf, und bald singen alle im Chor: «Für meine Autoversicherung - zahl ich nur was ich fahr’».
Die Musical-Glitzerwelt im TV-Spot von Friday kontrastiert mit dem Firmensitz des deutschen Digitalversicherers in der in der Nähe des Alexanderplatzes in Berlin. Kein schickes Firmenschild schmückt die Fassade, ein handgeschriebenes "Willkommen bei Friday" steht auf dem Klingelschild. Keine Krawattenträger in Kurzarmhemden sitzen an den Desks. Die Angestellten erinnern eher an Werbeagenturkreative, ältere Studierende oder IT-Nerds. Start-up-Atmosphäre halt.
"Einfach, flexibel, digital", das ist der Claim bei Friday. Oder, wie es CEO Christoph Samwer im Gespräch am Firmensitz formuliert: "Wir bauen Autobahnprodukte". In 90 Sekunden soll ein Kunde online eine Autoversicherungspolice abschliessen können. Die Ansprüche sind hoch und typisch für ein Start-up: Bis 2021 will Friday "der beliebteste Digitalversicherer Deutschlands sein". Was immer das auch heissen mag.
Der Ursprung von Friday geht auf das Jahr 2016 zurück. Angestellte der deutschen Tochtergesellschaft von Baloise beginnen in Berlin am Versicherungsmodell der Zukunft zu tüfteln. Im gleichen Jahr verkündet Baloise am Hauptsitz in Basel die Zukunftsstrategie "Simply Safe". Nebst anderen Digitalisierungsbestrebungen und Friday entsteht in der Folge die Mobilitätsversicherungsplattform Mobly in Belgien. 2018 übernimmt Baloise zudem die Umzugsplattform Movu in der Schweiz.
Rund 50 Millionen Franken soll Baloise in der Startphase in Friday gesteckt haben. Christoph Samwer kam im Frühling 2017 als Chef zum Start-up. Der Ex-McKinseyaner stammt aus der Berliner Fintech-Szene, war Chef der Kreditvermittlungsplattform Lendico und ist Cousin des Rocket-Internet Chefs Oliver Samwer.
Fast wie ein normaler Versicherer
2018 erhielt Friday die Versicherungslizenz. Auch sonst funktioniert das Start-up fast wie ein Versicherer aus der analogen Welt. Das Assset Management übernimmt die Muttergesellschaft Baloise. Vor einigen Monaten lancierte Friday Hausratsversicherungen, im nächsten Jahr kommen Haftplichtangebote. Das Angebot eines klassichen Sachversicherers wäre somit komplett.
Am Firmensitz von Friday in Berlin (Bild: cash.ch)
Das Kerngeschäft bleiben die Autoversicherungen. Auf Kundenfang geht Friday mit dem Angebot, dass nur soviel bezahlt wird, wie der Versicherte tatsächlich fährt. Aber was ist die Berechungsgrundlage? "Ein Telematikansatz, bei dem Hardware in Autos verbaut werden muss, war für uns kein Erfolgsmodell", sagt Samwer. Die Leute wollten sich keinen "Stecker" ins Auto einbauen lassen.
So setzt Friday auf Vertrauen. Anfang Jahr geben die Versicherten eine Schätzung ab. Werden weniger Kilometer gefahren als angegeben, gibt’s Ende Jahr Geld zurück. Bei mehr Kilometern kommt eine Zusatzrechnung.
Fraglich ist, ob das Vertrauensmodell Zukunft hat - und ob nicht doch Smartphone-Apps das Verhalten der Fahrzeuglenker überwachen. Die Allianz-Versicherung startete bereits vor drei Jahren eine App, die Lenkverhalten, Geschwindigkeit, Beschleunigung und Bremsverhalten misst und auswertet. Als "Entschädigung" für die Datentransparenz erhält der Versicherte 30 Prozent Prämiennachlass. Fährt der Lenker besonnen, winkt ein weiterer Bonus. Auch Helvetia startete 2016 eine ähnliche App in Spanien, Swiss Re testete eine Software bei Mitarbeitern.
(Noch) nicht in der Schweiz
15'000 Policen verkaufte Friday im Jahr 2017, Ende 2018 waren es zusammen 45'000. Samwer weiss, dass da noch viel mehr gehen muss, um das Geschäft profitabel zu machen. Schliesslich drängen sich auf deutschen Strassen rund 47 Millionen Fahrzeuge. Offenbar soll Friday ein Prämienvolumen von deutlich über 100 Millionen Euro anstreben, wie die NZZ schrieb.
Baloise verneint, dass das Modell von Friday in nächster Zeit in der Schweiz angewendet wird. Offenbar ist die Gefahr der Kannibalisierung des eigenen Geschäftes noch zu gross. Der Druck, das kilometerbasierte Fahren zu versichern und nicht eine Pauschalleistung, wird in der Schweiz aber zweifellos zunehmen.
Baloise hat mit Friday Grosses vor. Das zeigt eine weitere Finanzierungsrunde Angang 2019, als weitere 85 Millionen Franken für den Digitalversicherer gesprochen wurde. Auch Sevenventures, Finanzinvestor von ProSiebenSat.1 Media SE, und der Medien-Investor German Media Pool beteiligten sich mit über insgesamt 39 Millionen Euro neu an der Digitalversicherung. Damit kann Friday seine Produkte in den Kanälen der ProSiebenSat.1-Gruppe bewerben. In Fokus steht für Baloise nicht der Schweizer Markt. Die Expansion von Friday soll im EU-Raum stattfinden.
Dieser Artikel entstand im Rahmen einer Einladung von Baloise nach Berlin.