Seit Mitte Februar ist das Rennen praktisch eröffnet. Vor knapp drei Monaten wurde klar, dass das Coronavirus kein rein chinesisches oder asiatisches Problem bleiben wird. Vielmehr entwickelte es sich zu einer globalen Pandemie. Weltweit intensivieren seitdem Pharma- und Biotech-Unternehmen ihre Forschung an einem Mittel gegen das Covid-19-Virus.
Die Schweiz ist mit ihrer gut etablierten Pharmabranche vorne mit dabei. cash gibt einen Überblick, welche börsenkotierten Schweizer Unternehmen im Rennen sind und wer sich bisher am besten schlägt.
Roche - bereits mitten im Geschäft
Während andere noch forschen, ist Roche bereits mitten im Spiel. Letzten Sonntag bewilligte die US-Gesundheitsbehörde FDA den seit Wochen angekündigten Corona-Antikörper-Test Elecsys Anti-Sars-CoV-2. Mit diesem kann bei Personen getestet werden, ob sie sich mit Covid-19 angesteckt haben und dementsprechend Antikörper in sich tragen. Der Test soll laut Experten mit seiner äusserst hohen Genauigkeit (99,8 Prozent) punkten.
Ein weiterer Trumpf: Roche kann die Tests bereits in grossen Stückzahlen bereitstellen. Die Basler gehen offiziell davon aus, monatlich Lieferungen im hohen zweistelligen Millionenbereich bewerkstelligen zu können, wie der Chef der Diagnostics-Sparte, Thomas Schinecker gegenüber der Nachrichtenagentur AWP sagt.
Roche antibody test gets emergency green light from FDA https://t.co/vdrZfazInq
— Bloomberg (@business) May 3, 2020
Sicher ist: Roche gewinnt derzeit mit seinem Covid-19-Test enorm an Prestige. Der Pharmariese präsentiert sich – mal wieder – als handlungsfähiges Macher-Unternehmen, nicht zuletzt durch die erhöhten positiven Erwähnungen in den Medien weltweit. Ob sich dieser Test finanziell wirklich auszahlen wird, ist allerdings fraglich. "Wirtschaftlich sind die Tests für Roche kein grosses Geschäft", sagte Roche-Cehf Severin Schwan jüngst in einem Interview mit dem Tages-Anzeiger. Wegen der Pandemie sei das Geschäft mit anderen Tests stark rückläufig, so Schwan.
Roches zweites Pferd im Stall ist das Medikament Actemra, welches die Basler zusammen mit der US-Tochter Genentech entwickelten. Das Mittel war ursprünglich für die Behandlung von bestimmten Krebspatienten vorgesehen, die mit dem Immunstem kämpfen. Derzeit wird in Studien untersucht, ob Actemra auch für Covid-19-Patienten eingesetzt werden kann. Bis spätestens Juni will Roche die Studien abschliessen. Ob mit oder ohne Corona-Mittel: Roche ist ein grundsolides Investment.
Lonza - grosse Auswahl an Partnern
Beim einer Telefonkonferenz mit Analysten Mitte April hiess es von Seiten Lonzas, dass man sich vor Aufträgen und Kooperationsangeboten im Zusammenhang mit einem Covid-19-Medikament kaum retten könne. Letzte Woche wurde nun publik: Der Pharmazulieferer kooperiert mit dem US-Biotechunternehmen Moderna bei der Produktion eines Corona-Impfstoffs. Moderna erhielt zuletzt eine Geldspritze über 483 Millionen Dollar von der US-Regierung.
Konkret soll die Fertigung des von Moderna entwickelten Mittels mRNA-1273 beschleunigt werden, wie Lonza und Moderna mitteilten. Angestrebt wird eine Herstellung von bis zu einer Milliarde Dosen im Jahr zum weltweiten Gebrauch. Der Technologietransfer soll im Juni beginnen. Die ersten Chargen sollen von Lonzas US-Tochter im Juli produziert werden. Am Donnerstag wurde zudem bekannt, dass die US-Gesundheitsbehörde FDA die Phase-II-Studie des Kandidaten zulässt.
Die Bank Vontobel bewertet die Kooperation zwischen Lonza und Moderna aus zwei Gründen positiv: Erstens würde sich die Produktion eines vielversprechenden COVID-19-Impfstoffs günstig auf Lonzas Ruf auswirken. Zweitens bedeutete dies den Eintritt in die Herstellung genmanipulierter Impfstoffe, einem boomenden Bereich, so die Bank. Die Aktie befindet sich ohnehin seit langer Zeit im Aufwind. Die Kooperation mit Moderna sollte dem Kurs weiter Schub verleihen.
Novartis - auf die Bruchlandung folgt ein zweiter Versuch
Schon früh in der Corona-Krise versprühte der zweite Basler Pharmariese Hoffnung auf ein mögliches Medikament gegen das Covid-19-Virus. Der Wirkstoff Hydroxychloroquin – ursprünglich gegen Malaria entwickelt – wurde rege an US-Patienten getestet. Ende April dann die ernüchternde Nachricht: Der Malaria-Wirkstoff hilft nicht, das Virus zu bekämpfen, im Gegenteil: Er erhöhte die Sterberate unter den getesteten Patienten sogar.
Trotzdem besteht noch leise Hoffnung, dass Hydroxychloroquin doch helfen könnte. Einige Mediziner sind weiterhin von der Wirkung des Wirkstoffs gegen Covid-19 überzeugt. Daher sind weiterhin Tests im Gange.
Neu will Novartis mit dem Antikörper Canakinumab an den Start gehen und diesen an Patienten mit Coronavirus-bedingter Lungenentzündung testen. Letzte Woche kündigte das Unternehmen diesbezüglich den Plan zur Einleitung einer klinischen Studie an. Der Prozess steht hier allerdings noch ganz am Anfang. Ob die Novartis-Aktie davon profitieren wird, ist derzeit noch nicht abzusehen.
Santhera - Hoffnung auf Lungen-Medikament
Am 27. April kündigte Santhera eine Zusammenarbeit mit dem renommierten US-Labor Cold Spring Harbor Laboratory (CSHL) an. Zusammen wollen beide Unternehmen einen noch in der klinischen Testphase befindlichen Wirkstoff auf seine Eignung für die Behandlung von Covid-19 überprüfen.
Bei dem Wirkstoff handelt es sich um den Produktkandidaten Lonodelestat. Dieser wurde in präklinischen Studien an Tieren getestet und soll zur Heilung des Lungengewebes bei akuter Lungenschädigung beitragen. Derzeit wird Lonodelestat in ansteigenden Dosierungen an Patienten mit Mukoviszidose (zystische Fibrose) getestet.
Die Aktie des Pharma-Unternehmens aus Pratteln zündete daraufhin ein Kursfeuerwerk. Bis zu 20 Prozent schoss der Kurs nach oben. In den letzten sieben Tagen verlor die Aktie allerdings wieder 10 Prozent. Sollte die klinischen Testphase des Produktkandidaten Lonodelestat negativ ausfallen, wird es noch grössere Rücksetzer geben.
Relief Therapeutics - die grosse Unbekannte
Vom Biotech-Unternehmen Relief Therapeutics ist meist nicht viel zu hören. Wie und wo die Firma arbeitet, ist kaum bekannt. Die Corona-Krise änderte das. Jetzt geht das Unternehmen mit offiziellem Sitz in Genf mit seinem Mittel Aviptadil an den Start, das gegen Atemprobleme bei einer Coronavirus-Erkrankung helfen soll. Konkret soll das Mittel die Fähigkeit der Lunge des Patienten zur Sauerstoffübertragung verbessern und dadurch die Sterblichkeit senken.
Am Mittwoch teilte Relief Therapeutics mit, das man mit Aviptadil unter Aufsicht der FDA eine Phase-II-Studie durchführen werde. Die Studie werde an der New York University Langone unter der Federführung des Partners NeuroRx laufen, so die Mittelung.
In den letzten Wochen hatten die Genfer bereits zahlreiche Studien in Miami, in Philadelphia und Kalifornien gestartet. Der Kurs der als Pennystock geltenden Aktie geht seit der Corona-Krise buchstäblich durch die Decke. Seit Anfang Jahr legten die Titel um nicht weniger als 2460 Prozent zu. Das heisst auch: Die Fallhöhe ist immens.
Molecular Partners - der neuste Kandidat
Das Biotech-Unternehmen aus Zürich ist der neuste Kandidat, der sich in den Kreis der Schweizer Covid-19-Mittel-Erforscher gesellt. Am Donnerstag vermeldete Molecular Partners einen Durchbruch bei der Coronavirus-Behandlung. Im Labor hätten sich mehrere der auf der DARPin-Plattform basierenden Wirkstoffe als ultra-potent erwiesen, teilte das Unternehmen mit.
Für die zwei vielversprechendsten Wirkstoffkandidaten will das Unternehmen noch in diesem Monat in sogenannte In-Vivo-Studien übergehen. Das sorgte beim Aktienkurs für hohe Ausschläge nach oben. Bis zu 15 Prozent legt die Aktie am Donnerstag zu.