cash.ch: Frau Pflugi, Sie sind CEO und Mitgründerin des Vermögensverwalters Singularity Group in Zürich. Vor knapp vier Jahren hat Singularity mit Nasdaq einen Index mit 300 Firmen zusammengestellt, die von Innovationen profitieren. Was muss man sich darunter vorstellen?
Evelyne Pflugi: Auf dem Index basierend folgte im Dezember 2018 auch ein Anlagefonds. In den Singulatity Fonds kommen nur Unternehmen, die mindestens 10 Prozent des Umsatzes mit Innovation generieren. Sehr viele Firmen geben Geld aus für Innovationen, zum Beispiel für Blockchain. Aber sie generieren keine Umsätze damit. Wir glauben aber, dass Unternehmen, die keine Innovationen ins Geschäftsmodell integrieren können, nicht überlebensfähig sind.
Wieso gerade 10 Prozent Umsatzanteil als Mindestmass?
Viele Unternehmen können diese 10 Prozent mit Innovationen gar nicht erreichen oder halten. Sie können sogar die Evolution der eigenen Technologie verpassen. Das Paradebeispiel dafür ist Nokia, lange Zeit Branchenleader bei Mobiltelefonen. Dabei hatte die Firma fünf Jahre, bevor Apple Nokia überholte, etwa 20mal höhere Innovationsausgaben als Apple. Solche Entwicklungen werden unserer Meinung nach bei technologieorientierten Anlagevehikeln nicht genügend berücksichtigt.
Woran orientieren Sie sich beim Auswahlprozess der Firmen?
Zu Beginn versuchten wir es mit Stichwort-Suchen in den Geschäftsberichten. Das funktionierte nicht. Denn mittlerweile braucht fast jedes Unternehmen den Wortschatz von Technologie und Innovation. Wir schauen die Umsatz-Reportings von Firmen an, die wir auf einer Liste haben. Und dort versuchen wir Umsatzlinien zu finden, die mit einer gewissen Innovation zusammenhängen und zudem auch schnell wachsen.
Im Fonds finden sich 'übliche Verdächtige' wie Apple oder Netflix, dann aber auch Aktien von JP Morgan, Henkel und Adidas. Da stellt man sich die Frage, weshalb diese drei Firmen im Fonds sind?
Bei der letzten Neugewichtung kam zum Beispiel auch L’Oréal dazu. Das mag zwar ebenfalls überraschend tönen. Aber die Firma macht 30 Prozent des Umsatzes mit einer eigenen E-Commerce-Infrastruktur. Es müssen sich alle Firmen innovieren, wenn sie langfristig überlebensfähig sein wollen. Auch wenn sie nicht in der Tech-Industrie tätig sind.
Wie oft machen Sie eine Neugewichtung des Fonds?
Immer Ende April und Ende Oktober. Das letzte Mal haben wir 85 von 300 Unternehmen ausgewechselt. Wobei die Top 100 meistens stabil bleiben.
Aus der Schweiz sind ABB, Roche, Lonza und Zurich Insurance im Fonds vertreten. Es waren auch schon Baloise, Schindler oder Straumann darunter. Gibt es eine Untergrenze bei der Börsenkapitalisierung?
Ja, das sind theoretisch 100 Millionen Franken. Aber die kleinste Marktkapitalisierung im Fonds weist eine Firma mit etwa 6 Milliarden Franken auf. Unser Risikomanagement besteht darin, dass weder ein definierter Innovationssektor und noch eine Aktie grosse Gewichtung im Fonds erhalten.
Das Segment 'Blockchain' macht bloss 0,1 Prozent des Fondsvermögens aus. Ist das nicht gar wenig?
Das wird sich ändern. Coinbase etwa ging an die Börse und hat jetzt eine entsprechend höhere Kapitalisierung, zudem hat Square die in den Index aufgenommen Blockchain-basierten Umsätze gesteigert und kommt so in grösserer Gewichtung vor. Auch Halbleiter-Unternehmen wie Nvidia und AMD haben Blockchain-basierte Umsätze, sind aber auch mit anderen Innovationen stark. Mit Blockchain wird derzeit noch nicht derart Umsatz generiert wie mit anderen Innovationen. Sollte sich das ändern, würde das in unserem Portfolio reflektiert.
Wie hat die Corona-Krise den Index beziehungsweise den Fonds beeinflusst?
Die Unternehmen im Portfolio hatten vom zweiten bis zum vierten Quartal 2020 Zuwächse bei Gewinn und Umsatz von über 20 Prozent im Schnitt. Firmen, die schon einen gewissen Anteil an Innovation oder digitalem Umsatz hatten, konnten die Zahlen in der Krise also steigern. Das hatte zur Folge, dass unser Fonds seit Mai 2020 bei der Performance sogar den Nasdaq schlägt.
Die Fondskosten betragen 1,8 Prozent. Das ist relativ gesehen viel.
Verglichen mit einem 'Exchange Traded Fund', ja. Aber ich sage immer: Wir sind das Wert. Die starke Performance, die wir aufweisen, ist nach Gebühren kalkuliert. Wenn der Fonds wächst, könnten wir die Kosten auch einmal senken.
Der Fonds hat zweieinhalb Jahre nach Lancierung ein Vermögen von 58 Millionen Franken. Sind Sie zufrieden damit?
Wir starteten mit drei Millionen Franken, das war relativ wenig. Viele Fonds haben zu Beginn einen sogenannten 'Corner-Stone-Investor', der 20 Millionen Franken anlegt. Es dauerte relativ lange, bis wir 20 Millionen Franken hatten. Dann ging es schnell bis zum heutigen Stand, besonders im 2021. Ende letzten Jahr lagen wir noch bei 35 Millionen Franken. Ende 2021 wollen wir 100 Millionen Fondsvermögen haben. Dann werden wir die Mindestgrösse für Family Offices und Institutionelle Anleger erreicht haben.
Die Börsen sind seit 2009, etwas unterbrochen in den Jahren 2011 und 2020, in einem unglaublichen Bullenmarkt. Vor allem Tech-Titel scheinen endlos zu steigen. Bildet sich da nicht eine grosse Blase?
Viele börsenkotierte Unternehmen haben weder Umsatz oder Gewinn. Mittlerweile gibt es sogar grosskapitalisierte Titel, also Large Caps, die keinerlei Umsatz aufweisen. Es gibt da sicher gewisse Bubbles. Der Aktienpreis sollte meiner Meinung nach getrieben sein durch langfristige Unternehmensgewinne, nicht durch Hoffnungen. Und wir haben ein anderes Phänomen an den Börsen.
Welches?
Grosse Innovationsinvestoren oder Innovationsfonds tätigen Anlagen und reden danach ausführlich darüber, was bei Retailinvestoren grossen Anklang findet. Früher war das anders: Die Institutionellen Investoren haben vorgelegt, und der Retailmarkt zog dann nach. Heutzutage geraten einige Institutionelle unter Kaufzwang, nachdem die Retailinvestoren vorgelegt haben.
Das heisst, eine mitteilungsfreudige Cathie Woods mit ihren Ark-Fonds zum Beispiel treibt die Aktien-Bubble an?
Nun, ich finde es etwas seltsam und gefährlich, wenn jemand die eigenen Investments auch mithilfe der sozialen Medien derart promotet. Die Capital Group, bei der ich früher arbeitete und damals weltgrösster Vermögensverwalter, kaufte nie mehr als 3 Prozent eines Unternehmens. Damit man die Beteiligungen nie offenlegen musste. Sie arbeitete im Stillen.
Ihr beruflicher Werdegang ist ja etwas ungewöhnlich. Nach Studiumende an der ETH in Zürich nach Los Angeles zur Capital Group.
Ich studierte Biotechnologie und Biochemie im Grundstudium und Lebensmittelwissenschaften im Master. Ich hatte damals ja keine Ahnung, was ein Fonds oder eine Aktie ist (lacht). Es gibt an der ETH die Polymessen, an denen viele Unternehmen Uni-Absolventen rekrutieren. Ich hatte einen guten ETH-Abschluss und hatte Angebote von Nestlé und Google. Ich entschloss mich aber für das 'Talent Program' von Capital Group, weil ich nach Los Angeles wollte und dachte, ich könnte mich bei Finanzen weiterbilden. Ich flog im August 2007 nach Los Angeles und erlebte dann die Finanzkrise hautnah.
Nach einigen Jahren als Fondsmanagerin für Rohstoffe und Energien bei GAM in Zürich sind Sie nun Unternehmerin. War das ein Wunsch?
Ja und Nein. Konkrete Pläne gab es zwar nicht. Aber ich hatte schon als Fondsmanagerin gewisse Ideen. Diese umzusetzen half mir dann Tobias Reichmuth, Gründer der Vermögensverwaltungsgesellschaft Susi Partners. Er ist bei uns im Verwaltungsrat wie auch Eric Sarasin als Verwaltungsratspräsident.
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