Aktien von soliden Schweizer Unternehmen mit einer attraktiven Dividende gehören weiterhin in jedes Depot. Dividendentitel sind im derzeitigen Umfeld attraktiv, da sie eine Kombination aus Value, Qualität und einem relativ defensiven Charakter haben, sagt Wolf Rotberg, Aktienstratege bei der Bank J. Safra Sarasin, auf Anfrage von cash. "Diese Valoren sollten nach einem schwachen ersten Halbjahr wieder deutlich besser abschneiden."
Im längerfristigen Vergleich wissen Schweizer Dividendenwerte weiterhin zu überzeugen. "Nicht nur im aktuellen Umfeld, sondern auch in einer längerfristigen Betrachtung sind Dividenden attraktiv. Über die letzten 10 Jahre lag das jährliche durchschnittliche Dividendenwachstum des Schweizer Aktienmarktes gemäss Bloomberg bei 5,3 Prozent während die Gewinne in der gleichen Zeitspanne nur um 4.6 Prozent gestiegen sind," erklärt Anca Rafaisz, Portfolio Managerin bei Vontobel. Geht man noch weiter zurück, wird ersichtlich, dass über die letzten 20 Jahre die Dividenden im Schweizer Aktienmarkt rund 80 Prozent der Gesamtkapitalrendite beigetragen haben.
Welche Schweizer Dividendenwerte Investierende für das zweite Halbjahr ins Depot legen sollen, hat cash.ch bei fünf Strategen, Portfolio Managerinnen und Aktienmarkt-Analysten von Schweizer Bank nachgefragt. Neben den üblichen "Verdächtigen" unter den Dividendenperlen einige unerwartete Werte unter den empfohlenen Valoren. Neben den Gründen, weshalb das aktuelle Umfeld für Schweizer Dividendenaktien spricht, sind auch die Kriterien aufgeführt, nach welchen die Aktien ausgewählt werden:
Omar Brem, Leiter Research, Zürcher Kantonalbank (ZKB)
Für eine defensivere Positionierung sind Dividendentitel sinnvoll, hält Brem fest. Bei Marktrückschlägen sollten nachhaltige Dividenden eine gewisse stützende Wirkung haben. Bei der Auswahl achtet Brem auf die Stabilität der Dividendenausschüttung (Track-Record der Ausschüttungen) und das strukturelle Wachstum des Unternehmens und des freien Cashflows Free Cashflows respektive Vorsteuergewinn bei den Finanzwerten, um auch in Zukunft Dividendensteigerungen sicherzustellen.
Einen weiterer Punkt ist für Brem das Dividenden-Überraschungspotenzial - das entspricht dem Potenzial, dass das Unternehmen aufgrund eines positiven Geschäftsverlaufs oder einer Entschuldung mit einer deutlich höheren Ausschüttung überrascht. Die ZKB sieht dabei Accelleron, Holcim und Julius Baer als Aktien mit Überraschungspotenzial sowie Galenica und Swisscom als stabile Aktien mit einer attraktiven Dividendenrendite.
Bei Accelleron wird die Dividendenausschüttung auf der Grundlage der Kennzahl Nettoverschuldung zu operativem EBITDA festgelegt, so Brem. "Beträgt dieser Wert 1.0x oder mehr, sollen 50 Prozent bis 70 Prozent des rapportierten Reingewinns ausgeschüttet werden. Bei einem Wert von weniger als 1.0x sollen vorbehaltlich unvorhergesehener Ereignisse bis zu 100 Prozent des rapportierten Reingewinns ausgeschüttet werden." Für das laufende Geschäftsjahr erwartet die Zürcher Kantonalbank bei Acceleron eine Dividende von CHF 0,80 pro Aktie, was beim aktuellen Kurs von CHF 21,40 einer Rendite von 3,7 Prozent entspricht.
Holcim verfolgt zwar keine explizit formulierte Dividendenpolitik, doch wurde die Dividende in den letzten 10 Jahren nie gekürzt. Im laufenden Jahr wurde eine steuerfreie Dividende von CHF 2,50 (Rendite 4,2 Prozent) je Aktie ausgeschüttet. Für 2024 und 2025 geht Brem von einer Erhöhung auf CHF 2,75 bzw. 2,90 aus, was bei einem aktuellen Aktienkurs von CHF 60 einer Rendite von 4,6 Prozent bzw. 4,8 Prozent entspricht. Dank einer hohen Free-Cashflow-Rendite von über 9 Prozent ist die Dividende durch die operativ erwirtschafteten Mittel gut gedeckt.
Julius Bär verfolgt eine progressive Dividendenpolitik, die vorsieht, 50 Prozent des Gewinns als Dividende auszuschütten und die Dividende auch bei vorübergehend tieferen Gewinnen stabil zu halten. Für das laufende Geschäftsjahr erwartet die ZKB mit einer Dividende von CHF 2,75 pro Aktie, was bei einem Kurs von CHF 55,9 einer Dividendenrendite von 4,9 Prozent entspricht. Zusätzlich werden Aktien zurückgekauft und vernichtet, was das Überschusskapital reduziert. "Wir erwarten einen neuerlichen Aktienrückkaufsprogramm bereits für 2024", erläutert Brem.
Matthias Geissbühler, Anlagechef, Raiffeisen Schweiz
Im aktuellen Umfeld findet auch die Raiffeisen Schweiz Dividendenwerte interessant. "Da wir von einer weiteren Konjunkturabschwächung im zweiten Halbjahr ausgehen, sollte der Fokus aber verstärkt auf defensiven Aktien mit krisenerprobten Geschäftsmodellen liegen, welche auch in einem rezessiven Umfeld solide Cashflows erwirtschaften können", betont Matthias Geissbühler.
Dabei erfüllen folgende vier Unternehmen die Kriterien stabiles, defensives Geschäftsmodell, solide Bilanz und gute Dividendenhistorie: Novartis (erwartete Dividendenrendite 3,6 Prozent), Roche (3,5 Prozent), Swisscom (4,0 Prozent) und Swiss Life (5,8 Prozent). "Bei der Auswahl achten wir zuerst darauf, dass die Dividende aus dem laufenden operativen Geschäft erwirtschaftet wird und die Auszahlungen entsprechend nicht aus der Substanz erfolgen", erläutert Geissbühler. Das Unternehmen sollte zudem eine aktionärsfreundliche und nachhaltige Dividendenpolitik verfolgen, die stabile oder kontinuierlich steigende Dividenden vorsieht.
Tobias Kistler, Senior Finanzanalyst, St.Galler Kantonalbank
Die St. Galler Kantonalbank geht mit den vier Dividendenwerten Cembra, Baloise, Nestlé und Galenica an den Start. Cembra zahlt eine Dividende von mindestens CHF 3,85, was einer Dividendenrendite von über 5 Prozent entspricht. Das Unternehmen ist gut kapitalisiert und mit dem alleinigen Fokus auf die Schweiz weniger konjunktursensitiv. Ab 2024 sollte sich zudem das Wachstum beschleunigen, was zu Dividendenerhöhungen führen wird.
Von den Schweizer Versicherern, die alle attraktive Dividenden bezahlen, hat Baloise die besten Perspektiven. Interessant dürfte dies sein, nachdem Baloise-Kurs am Donnerstag aufgrund der Umstellung auf IFRS-Buchhaltung einen Taucher von 7,6 Prozent hinnehmen musste. Der Aktienkurs ist auf Jahressicht gegenüber den Konkurrenten zurückgeblieben, was Kistler als nicht gerechtfertigt erachtet. Aktuell ergibt sich bei Baloise eine Dividendenrendite von 5,5 Prozent. Das Unternehmen ist mit dem Heimmarkt Schweiz und dem Fokus auf die Beneluxstaaten sowie Deutschland konservativ aufgestellt. Die Mittelfristziele sprechen zudem für weitere Dividendenerhöhungen.
Bei den grosskapitalisierten Werten bevorzugt die St. Galler Kantonalbank momentan Nestlé mit einer Dividendenrendite von gut 2,8 Prozent. Hintergrund für die Empfehlung ist gemäss Kistler, dass Nestlé eine aktive Portfoliobewirtschaftung vornimmt und auf Segmente fokussiert, die überdurchschnittlich schnell wachsen und über eine hohe operative Marge verfügen.
Mit Galenica wird weiter ein Unternehmen aus dem Gesundheitsbereich empfohlen, das mit einer Dividendenrendite von über 3 Prozent aufwarten kann. Als Marktführer auf dem attraktiven Schweizer Gesundheitsmarkt profitiert Galenica von einer robusten Gewinnentwicklung und einem konjunkturresistenten Geschäftsmodell.
Anca-Maria Rafaisz, Portfolio-Managerin, Bank Vontobel
Die Bedeutung der Dividende steigt in einem Marktumfeld geprägt von Unsicherheiten und Rezessionsängste, da diese eine attraktive Alternative zu den volatilen Kapitalgewinnen darstellen, schreibt Rafaisz und verweist unter anderem darauf, dass Schweizer Unternehmen im Gegensatz zu anderen europäischen Ländern deutlich weniger Dividendenkürzungen vorgenommen haben. Trotz steigender Zinsen bleiben Dividendenaktien weiterhin eine attraktive Alternative zu den Anleihen. Aktuell liegt die durchschnittliche Dividendenrendite des Schweizer Aktienmarkts gemessen am Swiss Performance Index (SPI) 3,2 Prozent immer noch deutlich über den 10-jährigen Bundesobligationen die aktuell eine Rendite von 0,9 Prozent aufweisen.
Aus Dividendensicht findet Vontobel die Titel Swiss Life, Holcim, Julius Bär, Partners Group und PSP interessant. Bei der Auswahl der Dividendenfavoriten legt die Bank das Hauptaugemerk auf eine starke Bilanz und eine solide Generierung vom freien Cashflow, welche als ein guter Indikation für die Dividendenstärke der Unternehmen ist. Um jedoch die Nachhaltigkeit der Dividende besser einschätzen zu können, kommen andere Faktoren wie vergangenes und erwartetes Dividendenwachstum, Anzahl Dividendenerhöhungen über die letzten Jahre, Verteilung der Gewinnerwartungen (je höher, desto höher die Unsicherheit) und Grösse des Unternehmens gemessen an der Marktkapitalisierung eine Rolle.
Ein weiterer Fokus ist das Wachstum des Betriebsertrags über die letzten Jahre relativ zur Veränderung der Anzahl Aktien - damit auch Aktienrückkäufe oder Kapitalerhöhungen in der Analyse einbeziehen werden können, so die Portfolio-Managerin bei Vontobel.
Die oben genannten Unternehmen weisen aktuell nicht nur eine überdurchschnittliche Dividendenrendite aus, sondern schneiden in unserer Analyse bezüglich Nachhaltigkeit der Dividende am besten ab, betont Rafaisz.
Sulzer sollte sich als Pumpenherstellerin in der aktuellen Marktlage als spätzyklischer Wert mit vollen Bestellbüchern relativ gut behaupten. Zudem hat das Unternehmen die Konjunkturabhängigkeit durch Umstellung des Produktportfolios in den letzten Jahren stark reduziert. Die Bewertung von Sulzer ist attraktiv, und die Dividendenrendite von 4,6 Prozent gibt einen gewissen Schutz vor starken Kursrückgängen, so Rotberg und sein Kollege Arno Gamboni, Co-Portfoliomanager Income Fund. Das grösste Risiko liege immer noch in der Aktionärsstruktur mit dem russischen Grossaktionär.
SGS (Dividendenrendite 3,8 Prozent) ist Marktführer im strukturell attraktiven Warenprüfmarkt, der nach dem Krisenjahr 2020 wieder an Schwung gewonnen hat und von der Wiedereröffnung in China profitiert. Ausserdem ist SGS Nutzniesser vom Outsourcing-Trend der Grosskonzerne. Nach der eher enttäuschenden Kursentwicklung ist die Bewertung historisch attraktiv, so der Aktienstratege von Safra Sarasin.
Auch Clariant (Dividendenrendite 3,3 Prozent) ist nicht ganz konjunkturunabhängig, doch durch die Umstrukturierung und Fokussierung auf interessante Spezialchemikalien wurde Clariant (Dividendenrendite 3,3 Prozent) defensiver. Viele der Produkte verbessern die ESG-Bilanz der Kunden und werden entsprechend nachgefragt. Die Bewertung ist auf diesem Niveau sehr attraktiv, selbst wenn man von einer Verschlechterung der Konjunktur ausgeht.