Eine Impfkampagne für die breite Masse der Amerikaner dürfte wohl erst im April anlaufen.Und bis dahin hat die Wirtschaft noch eine Durstrecke in der Covid-19-Pandemie zu überstehen. Zugleich haben alle Appelle der US-Notenbank Federal Reserve an die Politik bislang nicht gefruchtet, in der Krise ein neues Hilfspaket auf den Weg zu bringen. Die Fed könnte sich deshalb genötigt sehen, der Wirtschaft schon bald eine Geldspritze zur Stärkung zu verpassen.
Milliardenschwere Anleihenkäufe
So schliesst Stratege Steve Englander von der Bank Standard Chartered nicht aus, dass die Währungshüter um Fed-Chef Jerome Powell noch vor ihrer regulären Zinssitzung im Dezember zur Tat schreiten und ihre milliardenschweren Anleihenkäufe ausweiten. "Die Fed könnte die Notwendigkeit dafür sehen, selbst wenn der Impfstoff kommt", so der Zentralbank-Beobachter.
Der US-Notenbanker Raphael Bostic signalisierte zuletzt, dass die Fed auf der Hut sei. Er sieht die zuletzt eher mau ausgefallenen Einzelhandelszahlen als mögliches Warnzeichen. Vielleicht gehe einigen Verbrauchern in der Krise das Geld aus, da sie finanziell an Grenzen stossen würden, sagte der Chef des Notenbankbezirks Atlanta dem Sender CNBC. Die Fed werde mit Blick auf ihr nächstes Treffen Mitte Dezember sehr genau die einlaufenden Konjunkturdaten prüfen. Man müsse sehen, ob sich aus dem schwächelnden Einzelhandel noch tiefergreifende Probleme ergäben. "Man muss nun die Entwicklung der Infektionszahlen mit dem neuen Coronavirus im Auge behalten. Es drohen Belastungen beim Konsum der US-Haushalte im Winter", prophezeit Analyst Tobias Basse von der NordLB.
"Ungemütlicher Winter"
Die Federal Reserve dringt seit längerem vergeblich darauf, dass der Kongress ein neues Hilfspaket schnürt. "Ohne staatliche Hilfen wird es für die US-Wirtschaft über den Winter hinweg ungemütlich werden", warnt Ökonom Thomas Gitzel von der VP Bank. Eigentlich sei davon auszugehen gewesen, dass sich die Wirtschaft mit soliden Einzelhandelsumsätzen im Oktober etwas "Speck anfressen" könne: "Der Puffer fällt nun relativ knapp aus."
Die Währungshüter um Fed-Chef Powell hatten bereits auf ihrer jüngsten Sitzung ihr milliardenschweres Anleihenprogramm analysiert und breit darüber diskutiert. Sie seien entschlossen, falls nötig mit "kraftvollen Instrumenten" wie diesem die angeschlagene Wirtschaft noch stärker zu stützen, so Powell. Derzeit erwirbt die Fed Monat für Monat Wertpapiere im Volumen von mindestens 120 Milliarden Dollar.
Notenbank geht auf Nummer sicher
Thomas Costerg vom Vermögensverwalter Pictet rechnet damit, dass die Notenbank auf Nummer sicher geht und das Volumen im Dezember auf 160 Milliarden Dollar nach oben schraubt - unabhängig von der kurzfristigen Konjunkturentwicklung: "Sie haben bei der Fed aus früheren Erfahrungen gelernt."
Laut Priya Misra von TD Securities könnte der Handlungsdruck auf die Fed steigen, wenn die Nachrichten über den Impfstoff dazu führen sollten, dass die Renditen für zehnjährige US-Staatsanleihen auf über ein Prozent springen sollten. Denn dies würde Kredite für Verbraucher und Firmen verteuern, was Gift für die Wirtschaftserholung wäre. "Falls die Ein-Prozent-Marke bei den Renditen rasch überstiegen werden sollte, könnte die Fed noch vor der Dezember-Sitzung etwas tun", so Misra. Zuletzt wurde diese Schwelle während des Börsen-Crashs im März überschritten. Aktuell liegt die Rendite zehnjähriger T-Bonds bei knapp 0,9 Prozent.
(Reuters)