Montana Aerospace stellt Komponenten und komplexe Bauteile für die Luftfahrt-, Automobilindustrie und Energieinfrastruktur her. Das Unternehmen ist auch in diese drei Sparten gegliedert. Die Aktien von Montane Aerospace wurden Anfang Mai 2021 das erste Mal an der Schweizer Börse gehandelt. Kai Arndt und Michael Pistauer werden am 1. Juli die CEO-Aufgabe in einer Doppelspitze vom bisherigen Chef Markus Nolte übernehmen. Kai Arndt wird hauptverantwortlich für den Bereich Aerospace sein. Michael Pistauer kümmert sich um die Bereiche Energy und E-Mobility und bleibt parallel auch Finanzchef der Gruppe.

cash.ch: Montana Aerospace geht einen eher ungewöhnlichen Weg mit einer Doppelspitze in der Geschäftsleitung. Warum?

Michael Pistauer: Wir haben auch beim Verwaltungsrat mit Michael Tojner und Tom Williams eine Doppelspitze. Unser Geschäft ist in Business Units unterteilt und es hat sich bereits 2021 abgezeichnet, dass eine Führungsstruktur Sinn macht, die dieser Segmentierung entspricht. Kai Arndt ist zum Beispiel ein alter Hase im Luftfahrt-Business. Wir denken, dass die organisatorische Mischung aus Industrie und Private Equity Vorteile für die ganze Unternehmensgruppe bringt .

Was dürfen sich die Aktionärinnen und Aktionäre von dieser Führungsstruktur erwarten?

Michael Pistauer: Wir sind davon überzeugt, dass diese Führungsstruktur gerade in einem sehr volatilen Wettbewerbsumfeld ein Erfolgsfaktor sein wird. Wir können unsere Strategie umsetzen und Marktanteile dazugewinnen. Wir können schnell agieren und in der laufenden Konsolidierung des Aerospace-Segments profitieren.

Kai Arndt: Im Bereich Aerospace sind die Herausforderungen beim Wachstum gelegen. Airbus hat kürzlich angekündigt, die Auslieferungsrate bei kleineren Flugzeugen auf 75 pro Monat hochzufahren. Die Doppelspitze ist daher aus meiner Sicht eine logische Antwort auf die anstehenden Herausforderungen. Denn auch die Bereiche Energy und E-Mobility wollen wir gezielt weiterentwickeln. Diese Breite unterscheidet uns von unserer Konkurrenz, die mehrheitlich nur auf ein Feld fokussiert ist.

Wie stimmen Sie sich untereinander ab?

Kai Arndt: Sympathie und Harmonie sind essenziell für eine gute Zusammenarbeit. Das gilt generell bei Teams. Und es ist ja auch ganz normal, dass man mit einem Vier-Augen-Prinzip arbeitet.

Wie werden Sie es lösen, wenn sie nicht einer Meinung sind? 

Michael Pistauer: Unsere Geschäftsleitungssitzungen sind sehr sachlich und systematisch strukturiert. Wir deklinieren Sachlagen klar herunter. Wichtig ist dass man die Beweggründe für die unterschiedliche Meinung klarmacht und kennt. Die Doppelspitze ist ein Vorteil, weil man sich gegenseitig eine ganz andere Qualität abverlangt.

Die Aktien von Montana Aerospace haben seit dem IPO Anfang Mai 2021 42 Prozent ihres Werts verloren. Allein in diesem Jahr beträgt der Kursverlust 57 Prozent. Wie erklären Sie sich diese Kursentwicklung?

Michael Pistauer: Leider sind wir dabei in guter Gesellschaft. Bei vielen Nebenwerten gibt es massive Kurseinbrüche. Doch es tut weh: Denn wir haben die kommunizierten Ziele und den Konsens am Markt bisher übertroffen. Im Zuge des IPO haben wir für das Jahr 2021 einen Umsatz von 700 Millionen Euro in Aussicht gestellt. Wir waren mit 790 Millionen deutlich darüber. Und trotz Ukraine-Krise werden wir die Mittelfrist-Prognose, die wir beim IPO für den Zeitraum 2023 bis 2024 ausgegeben haben, bereits 2022 erreichen. Dies bedeutet einen Umsatz von deutlich über einer Milliarde Euro und damit fast doppelt so viel wie im Jahr 2020.

Sie haben kürzlich eine Kapitalerhöhung vorgenommen. Dies stösst an der Börse oftmals auf wenig Gegenliebe…

Michael Pistauer: Ja, wir hatten eine Kapitalerhöhung gemacht. Das kann einen Kursrückgang von rund 20 Prozent vom Höchstkurs erklären. Wir führen die Kursverluste auf die grossen Unsicherheiten im Markt zurück. Und die Montana Aerospace AG ist, obwohl unsere Divisionen zum Teil seit vielen Jahrzehnten erfolgreich am Markt agieren, Neuling an der Börse und hat demnach noch keine lange Historie. Es braucht einfach noch viele Quartalsergebnisse, eine lange Zeitreihe, um Vertrauen in uns aufzubauen. Klar sichtbar wäre mit diesen, dass wir ein sehr krisenresistentes und Cashflow-starkes Geschäftsmodell haben. Weil wir krisenresistenter als all unsere Mitbewerber sind, haben wir auch in der Ukraine-Krise Marktanteile hinzugewonnen. Dies wird übersehen.

Was wollen Sie zukünftig besser machen, damit Anlegerinnen und Anleger mehr Vertrauen in den Titel aufbringen?

Michael Pistauer: Wir werden uns weiter auf die Ausführung unserer Strategie fokussieren. Mit der Entwicklung in die richtige Richtung hoffen wir, dass der Kurs bald wieder überproportional stark zurückkommt, wenn das Vertrauen in Montana Aerospace steigt. Wir sind überzeugt davon, dass dies geschehen wird.

Ein Investment vom Management in das eigene Unternehmen kann auch Vertrauen schaffen. Sind auch Sie selbst in Montana Aerospace investiert?

Kai Arndt: Ich kaufe seit 20 Jahren ausschliesslich Aktien, bei denen die Storyline passt und für die ich ein gesundes Marktumfeld sehe. Ich habe in den letzten zwei Wochen zweimal in Montana Aerospace investiert. Kurz oder langfristig wird sich die starke Nachfrage nach unseren Produkten auch im Kurs widerspiegeln.

Michael Pistauer: Da waren wir nicht gut abgestimmt (lacht). Kai hat bei einem günstigeren Kurs zugeschlagen als ich. Ich habe bei einem Kurs von 18 Franken investiert, er bei 15 Franken. 

Für das Geschäftsjahr 2022 wird ein Umsatz von rund 1,1 Milliarden Euro erwartet, was einem Wachstum gegenüber dem Vorjahr von über 40 Prozent entsprechen würde. Liegt Montana Aerospace mit dem bisherigen Geschäftsgang trotz wirtschaftlicher Eintrübung weiterhin im Plan?

Michael Pistauer: Ja, wir liegen weiterhin im Plan. Natürlich spüren wir die Wachstumseintrübung, aber diese ist bereits ein Teil unserer Prognose. Ohne den Gegenwind wäre diese noch besser.

Die Inflation befindet sich auf einem sehr hohen Niveau. Sind für Montana Aerospace die steigenden Preise denn kein Problem?

Michael Pistauer: Auch wir haben steigende Energiekosten und nicht alles kann man entsprechend weitergeben. Die Energiekosten haben sich im ersten Quartal 2022 gegenüber der Vorjahresperiode verdreifacht. Und natürlich sehen wir, dass der Transport nach Übersee nicht sechs Wochen, sondern drei Monate dauert. Aber gerade im Bereich Transport profitieren wir besonders von unserer hohen vertikalen Integration. Zudem sind wir mit unseren Werken weltweit aufgestellt, in Europa, den USA und Asien. So fallen bei uns deshalb weniger Transportkosten und -wege an als bei unserer Konkurrenz. Dadurch können wir Aufträge und Marktanteile gewinnen.

Haben Sie denn genügend Kapazitäten, um das Umsatzwachstum zu bewältigen?

Kai Arndt: Ich bin seit über 30 Jahren in diesem Geschäft mit dabei und habe schon einige Krisen der Luftfahrt mitgemacht. Gerade die grosse Finanzkrise 2008 hat stark eingeschlagen, keiner hat mehr Flugzeuge gekauft. Jetzt mit der Corona-Krise hatten wir noch mehr Auswirkungen. Trotzdem habe ich all den Jahren noch nie eine solche chancenreiche Zeit gesehen. Mit den Investitionen im Bereich Aerospace sind wir jetzt in einer Position, um dies auch ausnutzen zu können. Für 2022 haben wir so gut wie gar keine offenen Kapazitäten mehr, für 2023 sind wir zu 90 Prozent ausgelastet. Dies spielt uns in die Karten, da wir sehr selektiv am Markt sein können. Dass wird uns noch mehr Rückenwind bringen, was die Profitabilität im Bereich Aerospace angeht. 

Viele Unternehmen haben aber Lieferkettenprobleme…

Kai Arndt: Um die monatliche Auslieferungsrate der A320-Flamilie von rund 20 Stück auf knapp über 30 zu erhöhen, hat Airbus über eine Dekade benötigt. Jetzt reden wir bei kleineren Flugzeugen von einer Rate von 75. Dies verursacht Schwierigkeiten am Markt. Dies sehen wir bei unseren Mitbewerbern und bei den weiter entfernten Zulieferbetrieben. Das birgt mehr Chancen als Risiken für uns. Zudem sind der Lockdown in Shanghai und der Ukraine-Krieg für uns vernachlässigbar. Wir sind von der Ukraine oder Russland so gut wie gar nicht direkt abhängig und auch in China haben wir keine für uns kritischen Lieferanten.

Wie ist die Ausgangslage für die Bereiche Energy und E-Mobility?

Kai Arndt: Insgesamt sind alle Bereiche auf einem Wachstumspfad, der unsere Prognose bestätigt.

Doch die Profitabilität ist in den Bereichen Energy und E-Mobility deutlich tiefer als bei Aerospace?

Michael Pistauer: In den Bereich Aerospace haben wir das 10-fache im Vergleich zu Energy und E-Mobility investiert. Dennoch haben wir auch in diesen beiden Segmenten attraktive Margen, die wir - wie im Bereich E-Mobility - mittelfristig von einem derzeit hohen einstelligen Prozentbereich auf 12 bis 13 Prozent steigern wollen. Bei E-Mobility sind unsere Produktionsstätten für 2023 bereits voll ausgelastet und für das Jahr 2022 erwarten wir einen Umsatz von knapp 200 Millionen Euro. 

Die gilt aber nicht für den langsam wachsenden Bereich Energy…

Michael Pistauer: Wir waren vor zwei Wochen in Berlin an einer Messe, wo sich die gesamte weltweite Branche eingefunden hat. Und die ganz grossen Kunden wie Siemens haben gesagt, sie sehen für die nächsten zehn Jahre einen massiven Bedarf, weil alles auf Elektromobilität umschwenkt. Hier wird wahnsinnig viel investiert. Dies ist unser Geschäft und wir glauben, dass wir den Umsatz auf über 600 Millionen Euro werden steigern können – mit niedrigen Investments, womit die mittelfristige Marge von 7 Prozent auch ziemlich attraktiv ist.

Inwiefern soll das Wachstum auch mit Akquisitionen geschehen?

Michael Pistauer: Wir haben immer eine langfristig orientierte Buy-and-Build-Strategie verfolgt. Wir kommen auf allein 20 Akquisitionen in den letzten rund 15 Jahren. Die grösste mit Asco haben wir im ersten Quartal diesen Jahres abgeschlossen. Eine zweite grössere, São Marco, wollen wir im zweiten Quartal 2022 abschliessen. Diese Strategie wollen wir weiterverfolgen. Allerdings wollen wir uns dieses Jahr auf das 'Integrieren' der Akquisitionen und das operative 'Umsetzen' der zusätzlichen Marktanteile durch neu gewonne Aufträge konzentrieren. Wir sehen Zukaufmöglichkeiten genug am Markt, teilweise werden diese direkt von unseren Kunden an uns herangetragen. Vielleicht gibt es eine Akquisition im zweiten Halbjahr, diese würde jedoch erst im Jahr 2023 abgeschlossen. Und noch wichtiger: Die Investition würde aus dem eigenen Cashflow gestemmt werden.

Wie halten Sie das Unternehmen bei diesem rasanten Wachstum fit?

Michael Pistauer: Wenn man merkt, dass man mehr Umsatz macht und schneller wächst als die Branche, ist dies sehr motivierend. Es ist manchmal aufwendig, dies zu organisieren und einzurichten. Aber dies hält auch fit. In dem Moment, wo man weniger zu tun hat, wird man eher träge. Dies ist aktuell Gott sei Dank nicht der Fall.

Kai Arndt: Es ist schön, zu sehen, wie stolz unsere Mitarbeiter dabei sind, an diesem Hochlauf beteiligt zu sein und daran mitzuwirken, dass Montana Aerospace erfolgreich ist. Am Ende sind es immer die Mitarbeiter, die für den Erfolg verantwortlich sind.

Wie heben Sie sich mit ihren Produkten von der Konkurrenz ab?

Kai Arndt: Selbstverständlich kann es jemanden geben, der neu in die Verfahrenstechnik Extrusion investiert. Wir haben aber vom Extrudieren bis zum fertigen Einzelteil oder kleineren Montagen alles unter einem Dach. Das ist unser Alleinstellungsmerkmal. Es benötigt ein grosses Investment, dies so abbilden zu können. Die zweite Herausforderung besteht in der Zertifizierung für die Kunden. In der Luftfahrt braucht man diese für jeden einzelnen Prozessschritt. Bis jetzt gibt es niemanden ausser uns, der das gleiche Konzept so abbilden kann. Hier haben wir einen riesigen Wettbewerbsvorteil.

Inwiefern spielt auch ESG eine Rolle? Immerhin hat Montana Aersspace zukünftig eine ESG-Verantwortliche in der Geschäftsleitung.

Michael Pistauer: ESG ist nicht nur ein Schlagwort, sondern auch ein ökonomischer Faktor. Die lokale Produktion und das Reduzieren des CO2-Fussabdrucks gewinnen an Bedeutung und werden auch verglichen. Da sind wir momentan durch unser One-Stop-Shop-Konzept konkurrenzlos.

Von aussen hat man oft den Eindruck ESG ist mehr Schein als Sein…

Michael Pistauer: In der Realität kommt der Druck tatsächlich und zwar aus der Finanzbranche und auch von den Kunden. Wir hatten einen Kunden im Energiebereich, einer der ganz grossen weltweit, der war bereit auf die Wertschöpfung bis zu 25 Prozent mehr zu zahlen, wenn unser CO2-Fussabdruck im Vergleich zur Konkurrenz deutlicher niedriger ist. Das können wir, das ist sehr angenehm. Das gleiche gilt auch für die Flugzeugbranche. Im Finanzbereich zahlen sie, wenn sie schlechter dastehen, mehr Zinsen. ESG ist ein wichtiges Thema. Das ist nicht mehr zu leugnen, sondern ein Faktum.
 

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