Am Dienstagmorgen erscheint der letzte Guru-Alert auf cash.ch und als E-Mail an die treuen Abonnenten. Der Verfasser, der bekannte Börsen-Kommentator Alfred Herbert, geht in Pension - nach 50 Jahren journalistischer Tätigkeit.

Herbert, der Ende August 84 Jahre alt wird, war nicht nur ab 1953 als Börsenhändler direkt an den Märkten dabei. Er hat auch Jahrzehnte lang für diverse Publikationen über Finanzthemen geschrieben geschrieben, so für die "Finanz und Wirtschaft", die "Bilanz", die "Schweizer Bank", den "SonntagsBlick" und für cash.

Wenn er zurückblickt auf die letzten Jahrzehnte Börsenentwicklung, dann gibt es für ihn eine Haupttendenz: Die Verpolitisierung der Finanzmärkte. "Es hängt zuviel von einzelnen Leute ab, welche die Börse für sich gekapert haben", sagt Herbert im Video-Interview mit cash an seinem Wohnsitz in Jona. 

Das Paradebeispiel dafür ist aktuell und heisst Donald Trump, der mit einem Tweet die Aktienkurs weltweit bestimmen kann. Herbert meint aber auch die Geldpolitik der Notenbanken, welche die Märkte seit 2008 fast ununterbrochen mit Liquidität und Tiefzinsen alimentieren.

Herbert wurde in Nizza als Sohn eines Mühlebauers geboren und ist im Kleinbasel aufgewachsen. Nach einer Banklehre arbeitete er als Händler in Zürich, London, Mailand, Paris und New York. Er erlebte die Suez-Krise, die Ermordung des US-Präsidenten John F. Kennedy, den Vietnam-Krieg, den Irak-Krieg und nun auch die Corona-Krise – alle Ereignisse schüttelten die Aktiekurse gehörig durch. Aber erholt haben sich die Börsen immer wieder.

Alfred Herbert vor seinem Haus in Jona Ende Juni 2020 (Bild: cash)

Beim Auf und Ab an den Börsen ist es klar, dass man als Investor irgendwann Lehrgeld bezahlen muss. "Um ein guter Börsianer zu werden, gehört es dazu, dass man mehr als einmal auf den Mund fällt", sagt Herbert. Auch er machte schon früh diese Erfahrung. Als junger Mann verdoppelte er mit seinem ersten Börsengeschäft das Geld. In der Euphorie nahm er ein wenig Kredit auf, tätigte erneut Investitionen – "und nach drei Monaten war alles im Eimer", so Herbert. Damals war er noch in der Lehre mit 150 Franken Monatslohn. 

Am besten verdient hat er mit Silber-Investitionen, wie Herbert sagt. Ein gutes Investment war sicher auch sein Haus in Jona. Ende der 1950er Jahre kaufte es das Grundstück für einen zweistelligen Frankenbetrag pro Quadratmeter. In seiner Umgebung wohnen heute Wirtschaftsgrössen wie Thomas Schmidheiny, direkter Nachbar ist der frühere Erdölmagnat Michail Chodorkowski - wenn er da ist. Und von Herberts Terrasse sieht man die Baukräne auf Roger Federers Grundstück am Zürichsee.

Ratschläge für Investoren verteilt Fredi Herbert nicht viele. Das wichtigste sei aber die Selbstdisziplin, wie er einem früheren cash-Interview sagte. "Man muss seine Gefühle beherrschen und stets cool bleiben." Dazu gehörten aber auch schnelle Entscheide: "Kaufen kann jeder Trottel, aber Verkaufen ist reine Charaktersache. Neun von zehn Leuten an der Börse können nicht verkaufen", so Herbert. 

Er warnt zudem vor scheinbar billigen Aktien. "Schnäppchenjäger enden alle auf dem Friedhof. Sie haben zwei-, dreimal Erfolg, werden dann frecher, und dann kippen sie." Stattdessen rät Herbert: "Es gibt kein Ersatz für gute Aktien, auch in Zukunft nicht. Kaufen Sie Qualität!"

Über Jahre kommentierte cash-Guru Alfred Herbert das nationale und internationale Börsengeschehen in seinen morgendlichen Kolumnen auf cash.ch und im Video in den cash-Börsen-Talks. Fredi tat dies auf seine eigene, unverkennbare Art und Weise. Kurz, prägnant, bisweilen ein wenig überspitzt und oft mit einer berechtigten Portion Frechheit. Langeweile kam bei Fredi nie auf. Er schuf sich damit eine treue Fangemeinde in der Schweiz und im angrenzenden Ausland. 

Nun geht Fredi in Pension. Die Redaktion von cash und der Verlag Ringier Axel Springer Schweiz dankt Fredi Herbert von ganzem Herzen für die jahrelange Mitarbeit.

Fredi, wir wünschen Dir weiterhin gute Geschäfte an der Börse, aber vor allem natürlich gute Gesundheit. Und wir verabschieden Dich mit Worten, die Du selber gewählt hättest: "Man dankt – und man grüsst!"

Daniel Hügli, Chefredaktor cash