Die Zukunft hängt an vier Buchstaben: Ökonomen sprechen bei den möglichen Rezessionsszenarien von einem V-förmigen oder U-förmigen Verlauf. Zwei weitere Entwicklungen könnten die Umrisse eines W oder L enthalten. Die vier Varianten sehen so aus:
V-Form
Ein steiler Absturz der Konjunktur mit einer baldigen, ebenso schnellen Erholung wurde bei Finanzkrise 2008 beobachtet. Derzeit hat China bereits Daten zum massiven Konjunkturrückgang vorgelegt. Die Frage ist nun, ob die Erholung ebenso schnell vorankommt. Nachdem die Neuinfektionen massiv zurückgegangen sind, kommt das wirtschaftliche Leben im Reich der Mitte wieder in Gang.
Der V-Verlauf wäre der das Beste in der jetzigen Lage. Definitiv einstellen würde sich dieses Szenario, wenn eine breit durchführbare Impfung oder ein Wirkstoff gegen das Coronavirus gefunden würden.
U-Form
Die Erholung nach dem Absturz kann sich hinziehen. Ein wesentlicher Faktor für die Länge einer möglichen Stagnationsphase in der aktuellen Krise ist, wie lange das Virus sich weiter ausbreitet und wie schnell die Stützmassnahmen von Regierungen und Notenbanken wirken. Die Prognosen sind sehr schwierig: Ein U-Verlauf wird von vielen Ökonomen derzeit aber als wahrscheinlichstes Szenario der nun beginnenden Rezession gesehen.
W-Form
Der W-Verlauf – rasche Erholung, erneuter Einbruch und erst dann eine belastbare Erholung –wäre das Szenario für den Fall, dass es so etwas wie eine zweite Welle bei den Coronavirus-Infektionen geben wird.
L-Form
Das Horrorszenario schlechthin. Eine langanhaltende tiefere Wirtschaftsleistung würde eine lange Stagnation nach dem Absturz bedeuten. Die extremste Version dieser Entwicklung wäre eine Depression, also eine Phase mit einer Pleitewelle und einer Massenarbeitslosigkeit, in der grundlegendes Vertrauen in eine wirtschaftliche Erholung verlorengeht.
Die jetzt beschlossenen Milliardenpakete der Regierungen für die Wirtschaft sowie die Liquditätsmassnahmen für Banken und Realwirtschaft wollen das L verhindern – mit aller Kraft.
«Der Aktienmarkt preist ein U ein»
Diese möglichen Rezessionsverläufe sind für Anlegerinnen und Anleger ein wichtiger Anhaltspunkt für die weitere Entwicklung der Börsen. "Der Aktienmarkt preist derzeit das Risiko eines 'U' zumindest teilweise ein", sagt Daniel Kalt, Chefökonom und Anlagechef Schweiz bei der UBS, zu cash. Man sei nicht mehr weit davon entfernt, dass der Aktienmarkt den U-Verlauf komplett antizipiere.
Das Problem dabei: Das U kann langgezogen sein und sich zunächst wie ein L anfühlen. Immer wieder neue Ausbreitungen des Virus oder die Prognose, dass ein Grossteil der Bevölkerung über Monate die Infektion durchmacht, würden dieses "lange U" begünstigen.
Die Verunsicherung würde dann keinen schnellen Rebound im Aktienmarkt erlauben. Allerdings legen die derzeit erkennbaren Entwicklungen in China und anderen asiatischen Ländern wie Südkorea oder Singapur nahe, dass die Spitze der Neuinfektionen mit drastischen Massnahmen wie Lockdown und Ausgangssperre tatsächlich gebrochen werden konnte.
Märkte vor entscheidenden Tagen
Sollten der Lockdown und eventuell eine Ausgangssperre, wie sie in der Schweiz nun vermehrt diskutiert wird, Wirkung bei den Neuinfektionen zeigen, wäre dies ein gutes Signal an die Märkte. "Die nächsten sieben bis zehn Tage entscheiden", sagt Ökonom Kalt.
Entscheidend ist aus Kalts Sicht auch, wie sich die Realwirtschaft entwickelt. Eine grosse Konkurswelle und deutlich mehr Arbeitslosigkeit würden dazu führen, dass der aktuelle "erzwungene Konsumverzicht" teilweise weitergingen.
"Wenn wir im Mai oder Juni einiges wieder öffnen können, dann besteht hingegen eine Chance, dass die Leute den Konsum teilweise nachholen." Dies könne sogar bedeuten, dass am Schluss doch noch eine V-Entwicklung festgestellt werden könne.
Prognosesicherheit führt zu Rebound
Auf der anderen Seite müssen die Aktienmärkte aber auch Vertrauen fassen in die Massnahmen der Notenbanken. Die beiden überraschenden – und von manchen als überstürzt empfundenen – Zinssenkungen der amerikanischen Federal Reserve am 3. und am 15. März um insgesamt 150 Basispunkte auf 0,25 Prozent verfehlten diese Wirkung noch. Auf die nun anlaufenden massiven Liquiditätsmassnahmen sowie neu aufgelegten oder erweiterten Anleihenkaufprogramme reagieren die Märkte schon eher.
Klar ist aber: Erkennen die Märkte eine V-Entwicklung, dann kommt der Rebound am Aktienmarkt schnell. Aber auch die Gewissheit, dass ein U erkennbar wird, kann die Kurse rasch in einen Erholungsmodus schicken. Die Möglichkeit, sicherere Prognosen zu erstellen, wird für die Aktienmärkte auf jeden Fall von Vorteil sein.