Die Aktie der Schweizer Versandapotheke hat keine einfachen Monate hinter sich. Nachdem die Valoren Mitte Februar ihr Hoch von 509 Franken erreicht hatten, ging es monatelang steil bergab. Bis Anfang Mai krachte die Aktie um 40 Prozent nach unten bis auf 272 Franken (Tagesschlusskurs). Doch mittlerweile scheint sich der Kurs gefangen zu haben und die Bodenbildung womöglich abgeschlossen. In den letzten Wochen hat die Aktie rund 23 Prozent zulegen können. 

Ist Zur Rose nun wieder ein Kauf? Um der Antwort auf diese Frage näher zu kommen, lohnt es, sich die Gründe für den jüngsten Absturz zu vergegenwärtigen. Zunächst war die Aktie bis zu ihrer Korrektur zweifellos einem Hype ausgesetzt - knapp 380 Prozent betrug das Kursplus seit dem Corona-Crash. Angefangen hatte die Erfolgsstory an der Börse im April 2020, als die Politik in Deutschland das E-Rezept ab dem 1. Janaur 2022 für verpflichtend erklärte – für Zur Rose ein Wachstumstreiber erster Güte: Bereits heute ist der deutsche Markt mit 55 Prozent (Gesamtjahr 2020) für den Grossteil des Umsatzes verantwortlich. 

Kursentwicklung der Zur-Rose-Aktie in den letzten drei Jahren, Grapfik: cash.ch

Gepaart mit den Auswirkungen der Corona-Krise, die sich für online-affine Wachstumstitel als Mega-Kurstreiber erweisen sollte, zündete Zur Rose den Turbo an der Börse. Doch im vergangenen Februar drehte der Wind. Steigende Anleiherenditen belasteten insbesondere stark gehypte Wachstumstitel wie Zur Rose. Ende April ist schliesslich ein weiterer Belastungsfaktor hinzugekommen: Am Markt kamen Zweifel auf, ob Deutschland das E-Rezept tatsächlich termingerecht bis zum 1. Januar 2022 implementieren werde. Damit wackelte plötzlich der entscheidende Wachstumstreiber von Zur Rose. 

Verzögerungen beim E-Rezept? 

Hintergrund zu diesem Gerücht: Der in diesem Jahr startende Probebetrieb für das E-Rezept wurde offenbar auf die Region Berlin-Brandenburg beschränkt. Ursprünglich sollte der Test bundesweit laufen. Ausserdem mutmasste die Apothekenzeitschrift "Apotheke Adhoc", dass sich unter der deutschen Ärzteschaft Widerstand gegen die Implementierung des E-Rezeptes formieren könnte. 

Allerdings: Branchenkenner gehen bisweilen nicht davon aus, dass sich das Projekt tatsächlich nach hinten verschieben wird. Bestärkt wird dies von der Tatsache, dass sowohl das deutsche Parlament, als auch die Ländervertretung das neue Digital-Gesetz mit dem sperrigen Namen "Digitale–Versorgung–und–Pflege–Modernisierungs–Gesetz" jüngst passiert hat. In diesem werden wichtige Regelungen zu einer Einführung eines E-Rezept noch einmal unterstrichen. 

Gleiche Aussichten, günstigerer Preis

Die Aussichten für Zur Rose sind also nicht schlechter als im Februar, als die Aktie noch bei über 500 Franken notierte. Geändert hat sich praktisch nur der Kurs, der noch immer 35 Prozent unter dem Hoch liegt. Überwiegend optimistisch sind auch die Analysten. Der Bloomberg-Konsens bei den Zwölf-Monatszielen liegt bei 460 Franken, was einem Ertragspotenzial von 37 Prozent entspricht. Jefferies setzt das Kursziel sogar auf 550 Franken. 

Die US-amerikanische Investmentbank geht in ihrer Analyse auch auf die Pläne des Onlineriesen Amazon ein, die als mögliche Bedrohung am Markt kolportiert werden. Hintergrund: Amazon will in den USA die Whole Foods Verkaufsstellen neuerdings auch mit Medikamenten bestücken. Allerdings stünden solchen Plänen etwa in Deutschland grosse Hindernisse im Weg, schreibt Jefferies. So gebe es im wichtigsten Einzelmarkt der Versandapotheke hohe regulatorische Hürden.  Ausserdem werde mit der Verabschiedung des "Digital-Gesetzes" in beiden deutschen Parlamentskammern ein wichtiger Punkt der Pessimisten geschwächt.  

Zur Rose scheint ihre Talfahrt an der Börse vom Frühjahr gestoppt zu haben. Wer schon länger damit liebäugelt, sich die Aktie ins Depot zu legen, aber aufgrund des teures Preises bisher zurückschreckte, für den könnte sich jetzt eine Einstiegsgelegenheit bieten. Fundamental hat sich an den Geschäftsaussichten nichts geändert. Als Risiken bleiben jedoch die angespannte Lage an den Zinsmärkten – steigende Zinsen dürften auf Zur Rose lasten – sowie die hohe Abhängigkeit der Wachstumsstory vom E-Rezept in Deutschland. Auch wenn es derzeit gut aussieht für dessen Implentierung, sind plötzliche Verzögerungen nie auszuschliessen.