Stock Picking ist in diesen Tagen eine Lotterie - oder fast. Nachdem die Fed Anfang Jahr Wachstumstitel nach unten schickte und der Ukraine Krieg im Februar fast alle anderen Aktien, haben sich die Märkte auf Value, defensive Titel und Dividenden-Aktien besonnen. 

Doch auch diese sind kein allwirkendes Gegenmittel gegen die Belastungen des Marktes, dem steigende Zinsen, ein Liquiditätsentzug durch die Notenbanken sowie Krieg und Rezessionsängste zusetzen. Und eine Wende bei Aktien lässt sich trotz Erholungstendenzen nicht sicher feststellen. Die Risiken sind nach wie vor hoch. 

Schutz bieten Aktien von Firmen, die entweder dank einer krisenresistenten Branche und durch ein stabiles Geschäftsmodell Sicherheit gegen Abwärtsrisiken bieten, oder von Unternehmen, bei denen man als Anlegerin oder Anleger auf bestimmte Kurstreiber vertrauen kann. Eine solche Auswahl bietet der Schweizer Markt weiterhin. 

Komax: Ausgerechnet ein Auto-Zulieferer? 

Der Ukraine-Krieg hat der Autoindustrie einen weiteren Akt ihrer inzwischen jahrelangen Krise beschert: Für Lieferengpässe gibt es jetzt mit stockenden Handelsrouten als Kriegsfolge noch einen Grund mehr. Doch der Kabelmaschinenhersteller Komax mit Sitz in Dierikon LU hat zuletzt mehr Aufträge erhalten. Kabelbäume für Autos werden zu einem gewissen Teil in der Ukraine gefertigt. Hersteller - Kunden von Komax - mussten umdisponieren und in neue Maschinen investieren. 

Der Kurs der Aktie liegt seit Anfang Jahr um 6 Prozent im Plus. Die Zusatz-Bestellungen der Kunden sind nicht nachhaltig genug für einen Kursanstieg. Doch es gibt weitere Punkte, die für die Industrie-Aktie sprechen. 

Die Übernahme der Schleuniger-Gruppe, die im Februar angekündigt wurde, stärkt Komax trotz erwarteter Integrations-Belastungen. Mehrere Analysten sehen den Kurs, der derzeit bei 268 Franken liegt, in die Nähe des bisherigen Allzeithochs vom Januar 2018 zurücksteigen. Damals war die Aktie 333 Franken wert. Unter den Schweizer Industrieunternehmen ist Komax zudem in einer besonders guten Position, wenn es darum geht, sich den Wandel von Verbrenner-Autos zu Elektro-Autos zunutze zu machen. 

Defensive Pharma-Aktien: Überholt Novartis nun Roche

Im Vergleich zu 2021 haben sich die Vorzeichen umgekehrt. Vor einem Jahr war der Pharma- und Diagnostikkonzern Roche der sichere Wert, Novartis die Pharma-Baustelle. Seit Anfang 2022 hat Novartis an der Börse fast 9 Prozent Kurswert gewonnen, während der Roche-Genussschein um 13 Prozent nach unten getrudelt ist. 

Der Markt scheint Novartis verziehen zu haben, dass dem Management nach dem 21-Milliarden-Dollar-Verkauf von Roche-Anteilen Ende 2021 nicht besseres einfiel, als Aktien zurückzukaufen. So umstritten diese Buy-Backs sind, sie wirken in Krisenzeiten beruhigend. Vor allem aber setzen Analysten wieder mehr auf die Pipeline von Novartis. 

Roche leidet an der Börse, nachdem zuletzt mehrere Studien unbefriedigende Ergebnisse gebracht haben. Die Abwärtsrisiken bei Roche werden derzeit als grösser eingeschätzt als bei Novartis. Allerdings steht Novartis im beträchtlichen Risiko, bei der Produkte-Lancierung Erwartungen zu verfehlen. Roche wird mittelfristig immer noch mehr zugetraut: Am gemittelten Kursziel bei Bloomberg gemessen hat der Roche-Bon ein Potential von 17 Prozent, bei Novartis sind es 4 Prozent.

Versicherer: Helvetia oder Bâloise?

Versicherungsaktien haben sich seit Anfang Jahr als Stabilitätsanker erwiesen. Im SMI hat sich Zurich Insurance positiv entwickelt, die an der Börse 2021 sehr starke Swiss Life hat im April und Mai innert kurzer Zeit einen Kursrückgang um fast 100 Franken gesehen und notiert verglichen mit dem Jahresbeginn aber nicht allzu stark im Minus. Wegen Schadensrisiken und Kriegs-Unsicherheiten fällt das Urteil des Marktes über den Rückversicherer Swiss Re derzeit etwas skeptisch aus. 

Versicherungsaktien in den vergangenen sechs Monaten: Helvetia (violett, +10,1 Prozent), Bâloise (blau, +9,3 Prozent), Zurich (grün, +8,7 Prozent), Swiss Life (orange, -2,8 Prozent) - Grafik und Angaben: cash.ch

Aufmerksamkeit sollte neben den SMI-Grössen auch auf Helvetia und Bâloise gerichtet werden. Die starke Ausrichtung auf den Schweizer Markt ist in unruhigen Zeiten ein Vorteil. Gleichzeitig dürften beide Unternehmen einigermassen fair bewertet sein. Starke Kurstreiber stehen nicht im Raum, und Dynamik-Weltmeister ist man weder in Basel noch in St. Gallen, aber beide Unternehmen bauten ihr Online-Geschäft aus und beteiligen sich an Start-ups, die das Geschäft zukunftsfähiger machen sollen. 

Beide Versicherer punkten mit einer vergleichsweise hohen Dividendenrendite - 4,6 Prozent bei Helvetia, 4,3 Prozent der Bâloise. Der Markt erwartet, dass die Ausschüttungspolitik der beiden Unternehmen, wie bei kotierten Schweizer Versicherungen generell der Fall, stabil bleibt. Alles in allem sind Versicherer besser gegen unten abgesichert als weite Teile des Aktienmarktes. 

Sonova: Medtech-Aktie im Aufwind

Seit Anfang Jahr liegt der Kurs von Sonova um 4 Prozent tiefer. Doch auf den zweiten Blick fällt auf, dass der Kurs den vergangenen drei Monaten um fast 10 Prozent zugelegt hat. Dazu beigetragen hat ein gutes Ergebnis für das Geschäftsjahr 2021/22, das Sonova Ende März abgeschlossen hat. Die Dividende ist deutlich angehoben worden, wobei die Rendite mit 1,3 Prozent im Vergleich nicht hoch ist. 

Die Investmentbank Jefferies schrieb kürzlich, dass bei Sonova Produkteinführungen den Kurs immer stützten. Im August will das Unternehmen mit Sitz in Stäfa am Zürichsee neue Hörgeräte lancieren. 

Dies könnte kompensieren, dass bei Sonova derzeit Sonderkosten wegen des Russland-Geschäfts und für die Eingliederung einer Sennheiser-Sparte anfallen, die das Unternehmen übernommen hat. Ein weiterer Kurstreiber könnten bis Ende Jahr Bestellungen aus den USA sein: Dort ist das Department of Veteran Affairs, das für ehemalige Militärangehörige zuständig ist, ein Sonova-Kunde. Schliesslich ist auch möglich, dass Sonova Mitte September des Jahres in den SMI aufgenommen wird. Dies ist Spekulation, würde aber dazu beitragen, dass grosse ETF-Anbieter Sonova-Aktien im grösseren Stil kaufen müssten (der cash Insider berichtete).