Zwei Handelstage mit massivem Kursgewinn, und immer noch eine Prämie von rund 10 Franken: Die seit Montag diskutierte und am Dienstag bekannt gegebene CSL-Übernahme von Vifor lohnt sich für Investorinnen und Investoren. Besonders gut verdient hat Grossaktionär Martin Ebner, der 1,1 Milliarden Franken erhält (cash berichtete).
In letzter Zeit ist es bei in der Schweiz gelisteten Unternehmen zu relativ wenig Übernahmen gekommen, möglicherweise bedingt durch die Pandemie. "Es müsste in diesem Bereich aber mehr Transaktionen geben", sagt Fondsmanager Marc Possa, der den Fonds "Sara Select" leitet, zu cash.ch.
Der Nährboden sei gut: "Tiefe Zinsen und mangelnde Anlagealternativen treiben dies an." Die technologische Entwicklung bedeute, dass sich Firmen bei kleineren Unternehmen, Startups und Fintechs Know-How einkaufen wollten. Auch beim Thema Klimaschutz bestehe allenfalls die Absicht, über Zukäufe ein ESG-Rating zu verbessern, sagt Possa.
"Besonders anfällig auf Übernahmen sind Gesellschaften mit einem Kernaktionär, der sich nicht in der Verantwortung fühlt: Martin Ebner bei Vifor steht dafür symbolisch." Ähnliche Absichten könnte Ebner auch bei Temenos haben, der über seine Patinex-Holding rund 10 Prozent hält.
Probleme haben Temenos günstiger werden lassen
Ende September machten Berichte die Runde, dass die schwedische Investorengruppe EQT ein Kaufangebot für das Genfer Bankensoftware-Unternehmen erwäge. Auch die Softwaregrössen SAP und Microsoft sind schon als Interessenten genannt worden. Merkwürdigerweise wird selten spekuliert, dass ein Schweizer Unternehmen zugreifen könnte.
Seit vor zwei Jahren Probleme bei Temenos sichtbar wurden, ist der Kurs der Aktie volatil. Mit derzeit 125 Franken ist die Firma deutlich günstiger als auf dem "Peak" 2019. Die Firma ist in einem Transformationsprozess von einem vom Markt recht kritisch beäugten Lizenz-Modell für Bankensoftware hin zu Aboangeboten über die Cloud. Ein Übernahmeangebot könnte Temenos-Aktionären Erleichterungs-Seufzer entlocken.
Die offiziell AMS-Osram genannte Gruppe wird sich denken, mit der Expansion besser gegen Übernahmen geschützt zu sein. Aber es kann auch das Gegenteil der Fall sein. In der Halbleiter-Industrie bewegt sich derzeit vieles: Einerseits plagen die Lieferkettenprobleme die Firmen, andererseits sind die Wachstumschancen gross. In der ersten Jahreshälfte übernahm der japanische Konzern Renesas Electronics den Chipentwickler Dialog Semiconductor. Nvidia will den Chip-Designer ARM kaufen, auch wenn es regulatorische Probleme gibt.
AMS ist mit dem Fokus auf optischen Sensorssystemen sicherlich ein interessantes Ziel am Übernahmemarkt. Wie akut, ist derzeit schwer abzuschätzen.
Megafusionen und Übernahmen bei Healthcare-Aktien
Bei Pharma, Biotech und Medtech herrscht generell rege Betriebsamkeit in Sachen Übernahmen. Anfang der Woche hat Pfizer die Absicht bekannt gegeben, das Biotechunternehmen Arena in etwa für das Doppelte des Börsenwerts kaufen zu wollen. Bei Arena sind Medikamente erst in der Entwicklung, aber wohl auf eine Weise, wie Pfizer sie sehr interessant findet.
Know-How ist überall im Markt, und dies weckt Kaufinteresse. In den vergangenen Jahren sind unter anderem auch zwei SMI-Mitglieder aufgekauft worden. 2014 übernahm der US-Konzern Danaher den Zahnimplantat-Spezialisten Nobel Biocare, 2017 ging der Wirkstoffentwickler Actelion an Johnson&Johnson. Die Actelion-Gründer Martine und Jean-Paul Clozel haben im selben Jahr das Biotechunternehmen Idorsia lanciert.
Schon seit einigen Jahren als Übernahmeziel – und gewissermassen als "nächstes Actelion" - gilt Basilea. Das Anti-Pilzmittel Cresembra von Basilea wäre für grössere Konzerne interessant. Der Kurs des Unternehmens ist derzeit so tief wie selten zuvor. Das hat aber seinen Grund: Das ehemalige Roche-Unternehmen hat mit Ausnahme von 2020, als ein ausserordentlicher Gewinn aus dem Verkauf des Hauptsitzes verbucht werden konnte, immer Verluste geschrieben - obwohl Basilea seit 2004 an der SIX kotiert ist und schon vor rund zehn Jahren ein Gewinn in Aussicht gestellt wurde. Das Geschäftsmodell von Basilea ist zudem nur schwer durchschaubar (cash berichtete).
Zur Rose: Eigenständigkeit, Konsoldierung oder Amazon-Tochter
Was Know-How betrifft, wäre es letzlich nicht erstaunlich, wenn der Solartechniker Meyer Burger eines Tages beispielsweise chinesisch würde. Definitiv auf einem noch jungen und wachsenden Markt engagiert ist die E-Commerce-Apotheke Zur Rose. Bei der Firmenstrategie und dem operativen Geschäft ziehen sich hier und dort auch etwas die Augenbrauen hoch. Ob Zur Rose die Durchdringung der Märkte in der Schweiz und Deutschland aus eigener Kraft schlussendlich profitabel gelingt, ist ein gern diskutiertes Thema.
Zur Rose seit dem Börsengang (Grafik: cash.ch).
Der Kurs, der massiv von der Pandemie profitierte, ist in den vergangenen zehn Monaten um ein Drittel abgesackt. Dies macht Übernahmen wahrscheinlicher. Ein so zukunftsträchtiges und interessantes Geschäft wie der Medikamenten-Onlineversand wird sich noch konsolidieren. Oder eine Amazon öffnet die Tresore und kauft einen Anbieter wie Zur Rose – vielleicht, wenn nach einem eigenen Markteintritt die Luft für die Kleinen zu dünn geworden ist.
Helvetia: Digitalisierung könnte Eigenständigkeit gefährden
Etwas ruhiger geworden ist es um die Übernahmegerüchte in der Versicherungsindustrie. Zeitweise wurde die Swiss Life, in der Schweiz ein Grosskonzern, im europäischen Massstab ein kleinerer bis mittlerer Anbieter, als Ziel einer Übernahme etwa durch die Allianz gehandelt. Allerdings kostete die Swiss-Life-Aktie vor 2017 noch weniger als 300 Franken. Heute wird der Titel für fast 550 Franken gehandelt. Der Börsenwert (und somit so etwas wie der minimale Übernahempreis) beträgt 17 Milliarden Franken.
Helvetia hingegen ist an der Börse immer noch ein Drittel weniger wert als vor der Coronakrise. 2021 hat der Kurs keine starken Fortschritte gemacht. Einem Verkauf müsste die Patria Genossenschaft zustimmen, die 34 Prozent an der Helvetia hält.
Übernahmen und Fusionen in der Versicherungsbranche könnten durch einen spezifischen Treiber erwogen werden: Die Digitalisierung ist in dieser Industrie noch relativ wenig weit. Mit deren Voranschreiten dürften sich mittelgrosse Anbieter die Frage stellen, ob sie die neuen Chancen wirklich alleine angehen wollen. So gesehen ist auch die weit unter Vor-Corona-Level bewertete Bâloise fast ein "Schnäppchen". Der Marktwert beträgt 6,4 Milliarden Franken.
Interessant bei den kleineren Schweizer Versicherern ist auch das Sachgeschäft. Das stark regulierte Schweizer BVG-Geschäft hingegen könnte potentielle Käufer eher abschrecken - wobei Axa bei der Winterthur und Allianz bei der heutigen Allianz Suisse seinerzeit auch nicht vor dem Kauf zurückschreckten.
Will jemand die CS kaufen?
Auch in der übrigen Finanzindustrie rumort es immer wieder. Nicht kotierten Privatbanken wurde vor wenigen Jahre noch der Aufkauf in der allgemeinen Banken-Konsolidierung als praktisch unausweichlich vorausgesagt. Eigenständig auf den Beinen gehalten haben sich dennoch immer noch viele.
Warum aber das kriselnde Fondshaus GAM immer noch ein eigenes Unternehmen ist, fragen sich so einige. Das Asset Management von GAM könnte Grossbanken und auch Konzerne aus englischsprachigen Ländern interessieren. Das Ex-GAM-Mutterhaus Julius Bär könnte ebenso aufgekauft werden. Zumal, auch wenn die Privatbank einen Familiennamen trägt, es dort keine einflussreichen Familienaktionäre mehr gibt, die sich aus Verantwortungsgefühl oder Traditionsdenken heraus einem Verkauf entgegenstellen würden.
Auch die Credit Suisse wird gerne und oft als Übernahmeziel genannt. Wohl oft, weil es einfach verführerisch ist, ein Gerücht in die Welt zu setzen. Aber auch Grossbanken fusionieren. Allerdings weist die CS auch bei ihrem historisch tiefen Aktienkurs noch 22 Milliarden Franken Marktkapitalisierung auf. Und mit ihrer fortgesetzten Geschichte von Krisen, Milliardenabschreibern und Skandalen ist die Bank derzeit vielleicht nicht die attraktivste Neuaufnahme im Portfolio eines anderen globalen Finanzkonzerns.