Jim Chanos ist an der Wall Street bekannt dafür, den Energiekonzern Enron vor dem Zusammenbruch vor mehr als 20 Jahren leerverkauft zu haben. In diesem Jahr sorgte der Short-Seller mit seinen Wetten gegen Coinbase und Tesla für Aufsehen. Insbesondere bei Coinbase, das seit Jahresbeginn 80 Prozent korrigiert hat, dürfte dies höchst proftabel gewesen sein. Nun hat er, wie die Financial Times unter Berufung auf ein Interview berichtet, ein neues Ziel auserkoren: Betreiber von "alten" Rechenzentren.
Diese sähen sich einer wachsenden Konkurrenz durch Tech-Giganten wie Amazon, Google und Microsoft gegenüber, begründet Chanos seine negative Sichtweise. Chanos sammelt für seine Wette mehrere hundert Millionen Dollar für einen Fonds, der Short-Positionen in US-amerikanischen Real Estate Investment Trusts (REIT) einnehmen wird. Ein REIT ist ein Unternehmen, das in der Regel Erträge durch die Produktion und den Besitz von Immobilien erzielt. "Das ist im Moment unsere grosse Short-Position", verrät der Präsident und Gründer der Investmentfirma Kynikos Associates im Interview.
Rechenzentren, die REIT wie Digital Realty Trust und Equinix gehören, sind riesige Lager mit Servern, die grosse Teile des Internets mit Daten versorgen. Beide Titel haben seit Jahresbeginn mehr als 20 Prozent eingebüsst, wobei das Kurs-Gewinn-Verhältnis vor allem bei Equinix mit 124 noch immer sehr hoch ist.
«Die Cloud ist ihr Feind»
Wertschöpfung entstehe bei den Cloud-Unternehmen, nicht bei den Betreibern von herkömmlichen Rechenzentren. "Die Geschichte ist, dass, obwohl die Cloud boomt, die Cloud ihr Feind ist. Ihr Geschäft wächst nicht", sagt Chanos. Das wirkliche Problem für Rechenzentrums-REIT sei zudem die technische Veralterung. Amazon, Google oder Microsoft würden bevorzugt in neue, eigene Rechenzentren investieren, da diese dort das Design selbst bestimmen können. Und wenn sie auslagern, böten sie ihren Partnern in der Regel nur eine geringe Rendite.
Chanos hat seine Karriere darauf aufgebaut, sich anbahnende Unternehmenskatastrophen zu erkennen. Im Jahr 2020 verdiente er 100 Millionen Dollar mit einer Short-Position auf das deutsche Zahlungsunternehmen Wirecard, das im selben Jahr Konkurs anmeldete.
"Ihre drei grössten Kunden werden zu den grössten Konkurrenten. Und wenn ihre grössten Konkurrenten drei der brutalsten Konkurrenten der Welt sind, haben sie ein Problem", so Chanos. Er ist der Meinung, dass die Immobilienfonds überbewertet seien und eine Periode rückläufigen Umsatz- und Gewinnwachstums vor sich hätten.
Fruchtbares Umfeld für Leerverkäufer
Chanos sagt im Interview auch, dass jahrelang steigende Aktienbewertungen die Anleger selbstzufrieden gemacht hätten. "Eines der Dinge, die mich aktuell verblüffen, ist, wie optimistisch Investoren sind", sagt er. "Die Leute zucken nur mit den Schultern und scheinen nicht zu bemerken, wie hoch die Aktienbewertungen heute im Vergleich zur Vergangenheit sind und dass es so viele fehlerhafte Geschäftsmodelle gibt.”
Wenn der Marktzyklus fortschreite und der Aktienausverkauf weitergehe, erwartet Chanos ein fruchtbares Umfeld für Leerverkäufer. "Wir werden uns jahrelang an den Erträgen dieser Aktienideen erfreuen - ganz ähnlich wie in der Post-Dotcom-Ära," prophezeit Chanos.