Die Verunsicherung an den Märkten ist noch immer hoch. Zwar haben sich die Indizes in den letzten Tagen von ihren Tiefs erholt. Die angekündigte Zinswende der US-Notenbank Fed dürfte die Börsen aber weiterhin beschäftigen. Wie lang diese Nervosität noch anhält, ist schwierig vorherzusehen. Umso wichtiger wird es, sich als Anlegerin oder Anleger auf Firmen zu konzentrieren, deren Aktienkurse nicht allein auf Fantasien über zukünftige Gewinne beruhen. Vielmehr sollten deren Geschäftsmodelle ihnen schon jetzt eine starke Marktstellung bescheren. Das Gute: Im Schweizer Small- und Mid-Cap-Bereich tummeln sich einiger dieser "Hidden Champions".
"Die Schweiz wartet mit zahlreichen Firmen auf, die sowohl Qualität als auch Exklusivität bieten", sagt Mojmir Hlinka, CEO des Zürcher Vermögensverwalters AGFIF International, gegenüber cash. Viele Schweizer Firmen besässen ein USP, also ein Alleinstellungsmerkmal, welches sie von anderen Firmen abhebe, so Hlinka.
Wunsch nach Lieferketten-Unabhängigkeit kommt Schweiz zugute
Als eines dieser Unternehmen nennt Hlinka Lem. Das Unternehmen ist auf die Produktion von Komponenten spezialisiert, die zur Messung von Strom und Spannung eingesetzt werden. "Lem ist Zulieferer für zahlreiche Segmente und daher breit abgestützt", sagt Hlinka. Ein weiterer Pluspunkt seien die etablierten Lieferketten. Der immer grösser werdende Wunsch nach Unabhängigkeit bei den Lieferketten komme Lem zugute. "Dies trifft übrigens bei vielen Schweizer Marktführern zu", fügt Hlinka hinzu.
Für Ronald Wildmann, Senior Portfoliomanager beim Vermögensverwalter ISP, ist Huber+Suhner ein wahrer "Hidden Champion". Der Hersteller von Komponenten für elektrische und optische Verbindungstechnik hat mit dem Auftragseingang unlängst die Erwartungen der Analysten übertroffen. "Wir mögen die unspektakuläre, aber hervorragende Managementleistung", sagt Wildmann gegenüber cash. Der Bedarf an Kommunikationslösungen in industriellen Anwendungen steige, zudem nehme die 5G-Technologie an Fahrt auf. Wildmann ist überzeugt, dass die zyklische Erholung des Bahnmarktes den Aktienkurs weiter begünstigen werde.
Auch Komax sei eine weitere Schweizer Perle, welche mit dem Umsatz zuletzt positiv überraschen konnte. "Die Anzahl Kabel in den Autos steigt mit der Elektrifizierung. Damit ist Komax für uns klar die Nummer Eins unter den an der SIX kotierten Automotive-Zulieferfirmen." Ins selbe Horn bläst hier Hlinka, der Komax besser positioniert sieht als Autoneum.
Schweizer Perlen in der Mobilität
Brigitte Olsen, Fondsmanagerin bei Bellevue Asset Management, setzt im Automotive-Sektor dagegen auf Pierer Mobility. Sie sieht das Unternehmen als führenden europäischen Hersteller von motorisierten Zweirädern mit Marktanteilen von bis zu 50 Prozent in spezifischen Segmenten. "Das Unternehmen profitiert von strukturellen Trends wie der wachsenden Nachfrage nach privater und ökologischer Mobilität", sagt Olsen gegenüber cash.
Dank starker Marken und einer hohen Innovationskraft habe die Gruppe kontinuierlich Marktanteile hinzugewonnen. "Diese Dynamik dürfte sich dank des wachsenden Händlernetzes, des zunehmenden Engagements im Elektro-Segment sowie dank strategischer Partnerschaften in Indien und China fortsetzen."
Mit Montana Aerospace setzt Olsen zudem auf einen Hidden Champion aus der Luftfahrt-Industrie. Der führende Hersteller von Luftfahrtkomponenten biete derzeit "einen interessanten Einstiegszeitpunkt nach der jüngsten Kapitalerhöhung zur Finanzierung zweier Akquisitionen". Montana gewinne stetig Marktanteile dank des Wettbewerbsvorteils der starken vertikalen Integration und seines ESG-Fussabdrucks. Die starken ökologischen und wirtschaftlichen Vorteile der neuen Flugzeuggenerationen führten zu einer "Beschleunigung des Auftragseingangs in der Luft- und Raumfahrt".
Zahlreiche Nischen-Player im Schweizer Industriebereich
Im Schweizer Industriebereich findet sich noch eine ganze Fülle an weiteren Nischen-Playern. "Bei Rieter werden zwar die Bäume nicht in den Himmel wachsen, aber momentan gibt es einige Faktoren, welche in der Gesamtheit den Kurs wohl weiter ansteigen lassen", ist ISP-Portfoliomanager Wildmann überzeugt. Darunter zählten neben den getätigten Akquisitionen die zyklische Komponente sowie die strukturelle Komponente des Unternehmens. Rieter ist auf Spinnmaschinensysteme und -komponenten spezialisiert. "Die Aussicht, dass auch die Transportkosten wieder zurückkommen, werden zusätzlichen Auftrieb verleihen, sodass auch diese letzte Ampel bald auf Grün springt."
Starke Umsatzzahlen für das vierte Quartal, die über den Konsens lagen, haben Wildmans positive Meinung auch über die Bossard-Gruppe gefestigt. "Uns gefallen vor allem die weiteren Marktanteilsgewinne. In hoch fragmentierten Märkten deutet dies auf weiteres signifikantes Wachstumspotenzial hin."
Ein weiterer Industrietitel, der mit seinem Bestellungseingang kürzlich die Analystenerwartungen übertroffen hat, ist Interroll. Grund für Wildmann, sich die Aktie ins Portfolio zulegen. "Die Marktanteile steigen in einem weiterhin fragmentierten Markt. Die Industrie wird getrieben durch Nachholeffekte, langfristig aber vor allem durch Megatrends wie IOT (Internet der Dinge), E-Commerce, und Automatisierung der Lager." Zudem leiste der neue CEO gute Arbeit und fahre die erfolgreiche umsichtige und langfristig orientierte Wachstumsstrategie fort.
Bei Zehnder gefällt Wildman vor allem das Management, welches bislang fast alles richtig gemacht habe. "Die Story bleibt das Lüftungsgeschäft, Heizungskörper werden weiter nachgeben", so Wildmann. Das Geschäft in Europa bleibe stark, ebenso in den USA, "auch wenn hier Lieferprobleme die Entwicklung gegenwärtig noch bremsen".
Turnaround-Kandidaten Gurit, Schweiter und Sensirion
Vermögenswalter Hlinka nennt im Zusammenhang mit Hidden Champions auch Aktien, die zuletzt zwar stärker abgestraft wurden, für ihn jedoch ein entsprechendes Turnaround-Potenzial besitzen. So seien im Bereich Windenergie die Schweizer Zulieferer Gurit und Schweiter besonders kaufenswert. 2021 hatte die Branche wegen Lieferkettenproblemen und mangelnder Nachfrage aus China eine Flaute erlebt, was die Aktienkurse nach unten drückte. "Windenergie bleibt wichtig", ist Hlinka überzeugt. Der Turnaround sei in Sicht und die Bodenbildung im Gange, "wenn nicht sogar schon abgeschlossen".
Turnaround-Potenzial bei Firmen, bei denen es operativ glänzend läuft, die aber zuletzt unter ihren hohen Bewertungen gelitten haben, sieht Hlinka einerseits bei den Chip-Zulieferern Sensirion und Inficon. "Neben VAT sind diese drei Firmen top aufgestellt im Halbleiter-Markt. Sensoren sind die Zukunft." Andererseits setzt Hlinka nach der jüngsten Korrektur umso mehr auf die Schweizer Pharmazulieferer Bachem und Dottikon. "Das Marktsegment ist einfach zu gut. Die Schweiz wird hier zunehmend ein Global Player."
Eine Finanz-Aktie unter den Hidden Champions
Und was ist mit Unternehmen aus dem Finanzbereich? Mit VZ Holding nennt Fondsmanagerin Olsen auch eine Finanz-Aktie als Schweizer Hidden Champion. VZ ist auf die Beratung von vermögenden Privatpersonen im Alter 50-plus fokussiert. Die Altersvorsorge sei Thema Nummer Eins, so Olsen. "Jedoch wird die Dienstleistungspalette immer grösser."
VZ habe einen beeindruckenden Erfolgsnachweis mit zweistelligem organischen Wachstum vorzuweisen. "Strukturelle Trends wie alternde Bevölkerung, höhere Lebenserwartung sowie das derzeitige Niedrig-/Negativzinsumfeld verschafft der Gruppe soliden Rückenwind," sagt Olsen. Zudem sei das Unternehmen gut aufgestellt, um weiterhin Marktanteile zu gewinnen.